Ausstellung:Pinsel statt Drumsticks

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Holger Brandt, ehemals Schlagzeuger von Donna Summer, Peter Maffay und Udo Lindenberg, zeigt im Herrschinger Haus der Landwirtschaft seine Gemälde.

Von Katja Sebald, Herrsching

Aus dem Speisesaal im Haus der bayerischen Landwirtschaft duftete es noch nach Hausmannskost, Tellerklappern war zu hören, Seminarteilnehmer huschten in Birkenstocksandalen über die Gänge. Kontrastprogramm auf der anderen Seite des Gebäudes: Licht gedimmt, Party-Musik und Getränke. Vernissage für den Maler Holger Brandt. Illustre Gäste, Peter Maffay und Udo Lindenberg waren auch da. Letztere freilich nur auf einem der großformatigen Gemälde - und selbst da nur als Dinosaurier der Musikgeschichte.

Ein solcher Dinosaurier der Musikgeschichte ist vielleicht auch der Künstler selbst, immerhin war er einst Studio-Drummer bei Giorgio Moroder und trommelte für Donna Summer, Nick Woodland, Jennifer Rush, Angelo Branduardi und, ja, auch für Peter Maffay und Udo Lindenberg. Das alles, so die Legende, um sich sein Studium an der Münchner Kunstakademie zu verdienen, das er als Meisterschüler von K. F. Dahmen abschloss. Holger Brandt verrät sein Alter nicht, aber er dürfte wohl jung gewesen sein, als die Achtzigerjahre noch kein Revival, sondern echt, bunt und wild waren.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Sein jüngstes Bild "Eve of Destruction"...

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

...und "Crow falls in Love".

Er ist ein Dinosaurier mit schillerndem Schuppenkleid, ein bisschen Ibiza und ein bisschen Berlin, jetzt aber sesshaft in Moosburg, dort Inhaber einer Werbeagentur und Mitglied einer "Spaß-Band", außerdem als Maler ungemein produktiv: In Herrsching zeigt er 24 Gemälde, kaum eines unter zwei Quadratmetern groß und die meisten mit 2016 datiert.

Vor allem aber ist Holger Brandt ein Geschichtenerzähler. Zu jedem seiner figürlich-expressiven Gemälde gibt es eine kleine Episode aus seinem Leben, mal mehr und mal weniger verschlüsselt. Er arbeitet sich an gesellschaftlichen Fragen, Erfolgsdruck, Religion und politischen Verwerfungen ebenso ab wie an persönlichen Erlebnissen. Seine Geschlechtsgenossen malt er entweder als selbstverliebt-aggressive Stierkämpfer oder als aalglatte Anzugträger, mal ertränken sie ihren Kummer in Alkohol, während sie sich buchstäblich totlachen, und mal rammt er sie gleich mit dem Kopf voraus in den Boden.

Frauen hingegen stellt er gerne nackt und kurvig dar, als furchteinflößend seelenlose Kombination aus Bein, Po und Busen. Er selbst ist auf diesem Schlachtfeld ein wankender Seiltänzer oder auch ein Akrobat zwischen Sehnsucht und Realität. "Balance" heißt eines dieser großen und lauten Bilder: Eine kleine Figur stolpert mit ausgebreiteten Armen auf einem Seil, ein Sturz ist unausweichlich. So tief und so schrecklich erscheint der Absturz, dass selbst dem herbeieilenden "Schutzengel" die Haare zu Berge stehen und er zum personifizierten Erschrecken wird. Um die "wahre Liebe", die keine Angst kennt, geht es in einem anderen Bild, sozusagen das Gegenstück: Ein freundlicher kleiner Vogel, der sein Herz ausgerechnet an eine Vogelscheuche verloren hat, lässt sich furchtlos auf den ausgebreiteten Armen des Schreckgespensts nieder.

Der doppelte Holger: Maler Brandt vor seinem Gemälde "G & Me". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"In meinen Bildern werden die Begegnungen mit unseren liebenswerten Schwächen immer wieder wach, sind sie doch exemplarisch für die Fragilität unserer Spezies", schreibt Holger Brandt über seine Malerei. Und mehr noch: "Ich liebe die Menschen - selbst Idioten sind mir nicht zuwider."

Aus dieser Haltung heraus entstehen starkfarbige, zuweilen ein wenig schematisierende Bilder, die Ironie mit sehnsuchtsvoller Romantik vereinen wollen, Bilder, die auf eigenwillige Weise zugleich plakativ und poetisch sind.

Die Ausstellung von Holger Brandt ist noch bis zum 5. März 2017 jeweils von Montag bis Freitag von 7.30 Uhr bis 19 Uhr im Haus der bayerischen Landwirtschaft in Herrsching zu sehen.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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