Andechs wächst:Zerreißprobe für ein Dorf

Lesezeit: 3 min

Die Maro-Genossenschaft hat 31 Wohnungen in Erling gebaut. (Foto: Nila Thiel)

Im kleinen Ortsteil Erling wird gebaut wie nie. Die Nachfrage nach Wohnungen ist so groß, dass die Gemeinde kaum hinterherkommt, die Infrastruktur anzupassen. Ein Ort zwischen Dorfidylle und Anonymität.

Von Dario Weber, Andechs

Der kleine Ortsteil Erling wächst und wächst. Zwischen 2015 und 2023 wuchs die Gemeinde Andechs, zu der Erling die meisten Bewohner beiträgt, um fast zehn Prozent. Das ist deutlich mehr als der durchschnittliche Zuwachs in ländlichen Räumen in Bayern. Und es werden noch mehr: Die VR-Bank Andechs hat 21 Wohnungen gebaut, die gerade erst fertiggestellt worden sind.

Die Maro-Genossenschaft wird bis zum Sommer weitere 31 Wohnungen fertigstellen, die dann bezogen werden können. Und auf der Stadlerwiese sollen laut Bebauungsplanentwurf noch einmal 43 Wohnungseinheiten entstehen. Ganz schön viel für so einen kleinen Ortsteil mit gerade einmal gut 2000 Einwohnern. Was sind das genau für Projekte - und was bedeutet das für Erling?

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Der Himmel ist bedeckt an diesem Freitagvormittag Anfang Februar. Eigentlich sollte in der Raiffeisenstraße in Erling nicht viel los sein, schließlich ist es eine reine Anwohnerstraße. Doch es herrscht reger Betrieb. Die Zementmaschine dreht sich, der Bagger läuft auf Hochdruck und zahlreiche Bauarbeiter sind am Werkeln.

Gerade erst wurde hier das sogenannte "Dreiseit" im Besitz der VR-Bank fertiggestellt. Ein Neubau, in dem neben Gewerbe auch das "Benedikter", das Café des örtliche Traditionsbäckers, eingezogen ist. Aber noch wichtiger: 21 Wohnungen, zwischen 45 und 130 Quadratmeter groß. Insbesondere Angehörige örtlicher Unternehmen sollen vorrangig Zugriffsrecht bekommen - so lautet die Abmachung zwischen der Bank und der Gemeinde.

Die Bank, der das Grundstück gehörte, hat 20 Millionen für den Neubau gezahlt. Die Wohnungen sind dabei nur zur Vermietung verfügbar - und das nicht gerade günstig. Für knapp 20 Euro Warmmiete pro Quadratmeter sind sie gelistet. Das könnte ein Grund dafür sein, dass nur knapp die Hälfte der Wohnungen bislang belegt ist.

Im Sommer sollen die ersten Bewohner in die Genossenschaftswohnungen der Maro einziehen. Projektleiter Ralf Schmid wünscht sich "eine schöne Mischung aus älteren Menschen und Familien". Es gibt deshalb größere und kleinere Wohnungen zu mieten. (Foto: Nila Thiel)
Im Außenbereich sind Terrassen, Beete und Spielbereiche für Kinder geplant. (Foto: Nila Thiel)

Doch für das rege Bautreiben ist aktuell nicht das "Dreiseit", sondern der Genossenschaftsbau der Maro verantwortlich. Modern, mit grau angemalten Holzfassaden ragen die zwei Gebäude aus dem Boden. Im Sommer beziehen hier voraussichtlich die ersten Menschen die insgesamt 31 Wohnungen. Die meisten sind schon vergeben, nur sieben sind noch verfügbar. Umgeben von Terrassen, grünem Rasen, Gartenbeeten und Kinderspielecken sollen hier in Zukunft die Bewohner generationsübergreifend miteinander leben.

Jeweils ein Drittel der Wohnungen besteht aus Zwei-, Drei- und schließlich Vier- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen, von 50 bis 105 Quadratmetern. "Das schafft eine schöne Mischung aus älteren Menschen, die in die kleineren Wohnungen ziehen, und Familien, für welche die größeren Einheiten gedacht sind", erzählt Ralf Schmid, Projektleiter der Maro.

Die Mieten bei der Maro steigen im Schritt um 1,5 Prozent im Jahr

Genossenschaften haben keine Profitziele, sondern folgen einem Gemeinwohlzweck. Finanziert werden die Wohnungen zum Teil von den Mitgliedern, welche der Genossenschaft beim Einzug zwischen 700 und 900 Euro pro Quadratmeter als Kaution hinterlegen müssen. Beim Auszug bekommen sie das Geld dann zurück. Dafür beziehen die Bewohner Wohnungen, die mit 13,80 Euro pro Quadratmeter unter dem Mietspiegel liegen. Die Hälfte der Wohnungen ist darüber hinaus EOF-gefördert. Das heißt, wer ein geringes Einkommen hat, muss weniger Miete bezahlen. Zusätzlich besteht für alle Wohnungen die Sicherheit, dass die Mieten nicht so schnell steigen wie auf dem freien Mietmarkt. Bei der Maro sind es durchschnittlich 1,5 Prozent Erhöhung im Jahr.

Es ist eine Art des Wohnens, die sehr auf das Zusammenleben setzt. "Man findet hier wieder eine Gemeinschaft, die füreinander da ist", sagt Schmid. Der gesamte Garten und die Grünflächen sind Gemeinschaftsbesitz. Und auch ein Gemeinschaftsraum mit Küche, Bad und Gästezimmer ist für alle Bewohner vorhanden.

In eines der zwei Gebäude kommt auch eine für die Gemeinde wichtige Infrastruktureinrichtung: eine Tagespflege für ältere Menschen. Die Genossenschaft vermietet die Räumlichkeiten an den Anbieter "Villa Via Vita", welcher die Tagespflege leiten wird. Für den Andechser Bürgermeister Georg Scheitz (CSU) ein wichtiges Vorhaben: "Es ist für eine Gemeinde wie Andechs von hoher Bedeutung, dass alles vor Ort möglich ist." Dazu zählt er Schulen, Kindergärten, Bäcker, aber eben auch die Tagespflege. Die Anfahrtszeiten verkürzen sich, die Lebensqualität erhöht sich.

"Erst einmal brauchen wir mehr Wohnraum": Bürgermeister Georg Scheitz (links) und Geschäftsleiter Michael Kuch vor Luftaufnahme von Andechs. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Auf der Stadlerwiese sollen 43 Wohneinheiten entstehen, zwölf davon baut die Gemeinde selbst. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Besuch im kleinen Rathaus - der Bürgermeister und sein Geschäftsführer Michael Kuch begrüßen einen herzlich. Wie der Zuzug die kleine Gemeinde Andechs verändert? "Erst einmal brauchen wir mehr Wohnraum. Die Nachfrage ist hoch, das Angebot kommt nicht mehr hinterher", so Scheitz. Noch seien viele Projekte nicht fertiggestellt, vieles noch in der Planung. Das Einwohnerwachstum soll aber laut Kuch in den kommenden Jahren nicht signifikant ansteigen. Er geht weiterhin von einem Zuwachs von zwei bis drei Prozent im Jahr aus.

Bürgermeister Scheitz jedenfalls freut sich darüber, dass dadurch die Feuerwehr mehr Mitglieder bekommt. Doch er hat auch Zweifel: "Ich hoffe, dass nicht das passiert, was ich schon in vielen anderen Gemeinden mit großem Wachstum beobachtet habe." Was er damit meint? "Anonymität." Das Dorfleben solle auch weiterhin erhalten bleiben. Ein weiterer Punkt liegt ihm auch noch am Herzen: "Wichtig ist, dass man das Dorf auch weiterhin noch als Dorf erkennt. Nicht jeder letzte Fleck sollte als Baufläche genutzt werden."

Das größte Bauprojekt ist aktuell auf der Stadlerwiese geplant. Der Bebauungsplan sieht dort 43 neue Wohnungen vor. Einen Teil des Grundstücks hat die Gemeinde gekauft. Dort sollen zwölf Wohnungen entstehen. Doch gerade liegt die grüne Wiese noch brach. Ein festes Datum, wann der Bau anfangen soll oder die Wohnungen fertiggestellt werden, gibt es bisher nicht.

In einer alten Fassung dieses Textes stand, dass es bei dem Genossenschaftsprojekt der Maro in Andechs lebenslang keine Mieterhöhungen gebe. Tatsächlich steigt die Miete bei der Maro durchschnittlich um 1,5 Prozent im Jahr.

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