Konzert in Andechs:Dem Frühling entgegen gestürmt

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Ließen den Frühling in Andechs musikalisch erwachen: Susanne Absmaier, Naoe Sasaki, Para Chang, Helen Blau und Paul Buruiana (von links). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Susanne Absmaier spürt für den Pianistenclub München musikalisch den Empfindungen des Naturerwachens nach.

Von Reinhard Palmer, Andechs

Natürlich haben Komponisten in Klavierstücken auch den Frühling thematisiert. Etwa Schumann mit "Frühlingsgesang" im "Album für die Jugend", Sinding mit seinem "Frühlingsrauschen" oder Grieg in "An den Frühling". Aber darum ging es Susanne Absmaier offenbar nicht, als sie für das Konzert des Pianistenclubs München im Andechser Florian-Stadel ihre Idee und das Konzept entwickelte. Ihr schwebte fürs "Frühlingserwachen" ein assoziativer Zugang vor.

Sie wählte Werke aus, die den mutmaßlich vom Frühling geweckten Empfindungen Klang und Ausdruck geben. Etwa frische Klangfarben, ein allmähliches Aufblühen bis zu einer zarten Euphorie, aber auch schon mal deutlicher mit triumphaler Strahlkraft. Ein solcher Blickwinkel eröffnete weit mehr Möglichkeiten, das Thema auf den Punkt zu bringen, zumal sich dann das Repertoire nicht nur auf die Programmmusik seit dem 19. Jahrhundert beschränkte - und damit verbunden auch nicht auf die kleinen Formen. Hier konnten große Konzertstücke zur Aufführung gelangen und die Thematik entsprechend eindrucksvoll inszenieren. Auf der anderen Seite profitierten die gespielten Werke davon, dass sie statt formal und musikhistorisch rein von der Seite des Ausdrucks und der Emotionalität betrachtet werden konnten. Dieser Zugriff führte also direkt in die Empfindungswelt der Komponisten.

Die ursprünglich vorgesehene Moderatorin war nicht aufgetaucht, daher übernahm Absmaier auch noch diese Aufgabe, ganz abgesehen von ihrem pianistischen Auftritt. Und der galt Bachs Italienischem Konzert F-Dur, das vor allem in den Rahmensätzen, die Absmaier mit wenig Pedal aus einer ausgeprägten Phrasierung heraus übermütig und euphorisch hinstürmen ließ, unverkennbar frühlingshaft daherkam. Die Wirkung verstärkte sich durch den Kontrast zum extrem getragenen Mittelsatz, der in sich ruhend dahinfloss.

So eine laue Frühlingsnacht hatte schon immer ihren besonderen Reiz und war vielleicht auch in den Pariser Salons des 19. Jahrhunderts für Chopin Anlass, seine zwei Nocturne op. 27 mit so zarten Empfindungen auszustatten, wie sie die Russin Helen Blau - eine nicht minder zarte Erscheinung - hier ätherisch beseelte. Teils mit etwas zu viel Pedal, sodass die Pastelltöne extrem weich daherkamen, aber auch schon mal mit einem brillant perlenden Leggiero. Das spieltechnische Austarieren hatte der Rumäne Paul Buruiana deutlich besser im Griff. Beethovens Waldsteinsonate bietet geradezu das für die Ausdrucksdifferenzierung verwendbare Spektrum in voller Bandbreite. Mit atemberaubender Spieltechnik vermochte Buruiana diesen Reichtum behutsam zu bändigen. Die Klangsubstanz, die er dem wunderbaren Konzertflügel entlockte, nahm schon deutlich symphonische Züge an. Aber auch seine Wendigkeit, mit der Buruiana fesselnde Überraschungseffekte zu kreieren vermochte, ließ an ein straff geführtes Orchester denken. Selbst in den empfindsamsten Rücknahmen blieb die Klangsubstanz wohlgeformt.

Technische Perfektion trifft auf musikalische Symphonik

Im Konzertfinale sollte die Südkoreanerin Para Chang in Chopins Grande Valse Brillante op. 34/2 und noch deutlicher im großen Scherzo op. 31 eine solche technische Perfektion, aber auch überaus musikalische Symphonik wieder aufgreifen. Auch sie beherrscht die Regie im Klang wie auch in der Differenzierung der einzelnen Stimmen zwischen sonorem Gesang, harmonisch ergänzendem Begleiten und perlendem Kolorieren geradezu perfekt. Die fesselnde, einem straffen Spannungsbogen hinterlegte Dramaturgie machte den Abschluss perfekt.

Scarlattis einsätzige Sonaten (fünf davon) fanden als einzige Miniaturen ins Programm. Was aber der erst 23-jährige Japaner Naoe Sasaki daraus machte, war alles andere als nachrangig. In Anbetracht seiner autodidaktischen Anfänge verblüfft geradezu seine perfektionistische, aber auch im Ausdruck reichhaltige Spieltechnik. Seine spielfreudigen Interpretationen verliehen dem Programm einen weiteren Höhepunkt, obgleich die Scarlatti-Sonaten der Musikalität nur wenig Interpretationsspielraum bieten.

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