Ammersee:Gefräßiger Kormoran

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Der Kormoran bereitet einzelnen Fischern am Ammersee einen wirtschaftlichen Schaden von 400 Euro pro Tag. Er soll nun wieder stärker bejagt werden - sobald die entsprechende Erlaubnis erteilt ist. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Fischer schimpfen auf den diebischen Vogel, abwesende Jäger und dass sie derzeit nicht selbst schießen dürfen. Lediglich die Entwicklung der Renke sei ein Grund zur Freude.

Von Armin Greune und Carolin Fries

Die Berufsfischer vom Ammersee könnten sich eigentlich über gute Fänge freuen: "Die Renke hat sich in den vergangenen drei Jahren prächtig entwickelt", sagte der Genossenschaftsvorsitzende Bernhard Ernst am Freitag beim jährlichen Treffen zum Gedenktag der Apostel Peter und Paul. Doch leider lockten die vollen Netze seit einigen Wochen ungebetene Gäste zur Tafel: Kormorane machten bis zu drei Viertel des Ertrags zunichte. Weil sie obendrein Löcher in die Netze reißen, entstünden einzelnen Fischern Schäden bis zu 400 Euro am Tag.

Es sei nicht hinzunehmen, "wie der Kormoran in unseren Netzen wütet und so hochwertige Lebensmittel vernichtet", meinte Ernst. Zwar dürfen jene Berufsfischer, die zugleich Jäger sind, selbst den Kormoran vergrämen und schießen - allerdings nur mit Zustimmung der Jäger am Ammersee. Und die steht noch aus, wie Ernst in einem Rundumschlag gegen die Ammersee-Jäger kritisierte.

Seit 2008 haben fünf externe Jäger das Jagdrecht am Ammersee von den Fischern übernommen. Diese können nun alle neun Jahre sogenannte Begehungsscheine für die Jagd anfordern. Dies sei für die Jahre bis 2026 vor vierzehn Tagen geschehen, berichtete Ernst, doch die Erlaubnis sei noch immer nicht erteilt. Diese nämlich muss von jedem der fünf Ammersee-Jäger, die unter anderem in Augsburg und Dachau wohnen, unterschrieben werden. "Es ist von Nachteil, wenn die Jäger weit entfernt sind und ihre Aufgabe nur aus Prestigegründen betreiben", wetterte Ernst. Die Jagdrechte seien bei den Fischern viel besser aufgehoben. Diese hätten auch die Enten- und Gänsebestände am See stets auf ein erträgliches Maß reguliert. Inzwischen würden 600 bis 1500 Gänse gezählt, sagte der promovierte Biologe: "Und die bleiben da, egal ob man Zäune am Ufer aufstellt oder Seeadler einsetzt." Den Fischern sind die Gänse vor allem deshalb ein Dorn im Auge, weil sie das für Jungfische bedeutende Wasserschilf verbeißen.

Roland Frank, Sprecher der Ammersee-Jäger, fühlt sich zu Unrecht attackiert. Dass die Fischer überhaupt eine Jagderlaubnis bekämen, sei ein "großer Vertrauensvorschuss". Und dass die Scheine nach zwei Wochen noch nicht unterschrieben seien, angesichts der räumlichen Entfernung nicht verwunderlich. Was die Kormoranpopulation betrifft, gibt er den Ball zurück: "Die Abschüsse der Fischer im vergangenen Jahr waren im einstelligen Bereich." Grundsätzlich seien die Jagdbedingungen mit Einführung des Ruhezonen-Konzepts 2008 nicht mehr vergleichbar mit denen in den Jahren zuvor.

Dass die Wasservögel auch für den Menschen problematisch sind, führte Bernhard Gum von der Bezirks-Fischereifachberatung aus. So nähmen die Zerkarienfälle enorm zu. Die Larven bestimmter Saugwürmer verursachen bei Badenden einen juckenden Hautreiz; ihre Eier geraten vor allem mit dem Kot von Enten in die Seen. Gum warnte auch vor einer neuen Plage, die sich in den bayrischen Seen einstellen könnte: Aus Ostasien eingeschleppte Süßwasserquallen vermehrten sich gerade explosionsartig in vielen österreichischen Gewässern. Dennoch war Ernst und seinen Kollegen beim diesjährigen Fischerjahrtag in erster Linie zum Feiern zumute. Ihr Brotfisch, die Renke, habe nach vielen mageren Jahren endlich wieder Portionsgröße erreicht. Das Durchschnittsgewicht vierjähriger Fische hat sich abermals erhöht, gegenüber 2017 von 170 auf 240 Gramm. Ernst führte das auf die vielen kleinen Hochwasser zurück, die mit der Ammer Nährstoffe in die Seen tragen, aber keine Belastung der Wasserqualität darstellten. Außerdem hätten die Fischer in den vergangenen drei Jahren bewusst und nachhaltig gewirtschaftet: Sie verwendeten grobmaschigere Netze und die Fangsaison wurde bereits zwei Wochen vor Beginn der Schonzeit eingestellt. "Ich hoffe, dass uns die derzeitige Situation lange erhalten bleibt."

Für andere Fischarten, die zum Laichen aufwärts in Bäche wandern, wäre es wünschenswert, Barrieren in den kleineren Zuflüssen zum Ammersee zu beseitigen. Am Uttinger Mühlbach lässt die Gemeinde im Rahmen der Hochwasserfreilegung eine Fischaufstiegshilfe bauen. Ernst will in Herrsching vorsprechen, damit auch der Fischbach durchgängiger gestaltet wird. Profitieren könnte davon die Seeforelle, deren Population sich "trotz des enormen Aufwands von 100 000 Euro in den letzten 20 Jahren immer noch nicht selbst erhalten kann". Noch wichtiger wären Aufstiegshilfen für den karpfenähnlichen Nerfling, der am Ammersee zwar keine wirtschaftliche Bedeutung hatte, aber dessen Verschwinden Ernst als "Alarmzeichen" wertet.

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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