Mobilität:"Die Zeit von Verbrennermotoren auf dem Wasser ist abgelaufen"

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Bootsbauer Marian Hanke präsentiert ein von ihm und seinem Team gebautes Elektroboot am Schwimmsteg im Dießener Ortsteil St. Ablan. (Foto: Georgine Treybal)

Ein Unternehmen am Ammersee fertigt ausschließlich Elektroboote an. Eines der Markenzeichen: strömungsgünstige Rümpfe, die deutlich weniger Energie benötigen. Was diese "Premiumschiffe" können und was sie kosten.

Von Sabine Bader, Raisting

Die Sonne scheint, aber es ist stürmisch an diesem Tag in St. Alban am Ammersee. Der Schwimmsteg schwankt. Das macht Marian Hanke nichts aus. Für eine gemütliche Ausfahrt auf den See ist das Wetter allerdings wegen der hohen Wellen ungeeignet. Der Bootsbauer will das von ihm und seinen Mitarbeitern angefertigte Elektroboot dennoch auf dem Wasser präsentieren. Schließlich ist das Wasser sein Metier.

Der 37-Jährige ist in Starnberg geboren und im Dießener Ortsteil St. Alban mit dem See vor der Nase aufgewachsen. Und natürlich hat er Segeln gelernt. Die Bootsbauerausbildung hat er in der Werft von Markus Glas in Possenhofen gemacht. Es war eine klassische Holzbootbauer-Ausbildung.

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2005 hat Hanke sich dann selbstständig gemacht, seit 2015 fertigt er ausschließlich Elektroboote an. An dieser Form des Antriebs reizt ihn das "ruhige und lautlose Fahren", erklärt er. Und dass diese Art der Fortbewegung emissionsfrei ist: "Man hat ganz einfach die Abgasgerüche nicht. Das ist das Schöne". Und anders als beim Segeln ist man unabhängig vom Wind. Man fährt aufs Wasser, wenn man Lust und Zeit hat. Da heißt es dann, den Picknickkorb packen, ins E-Boot steigen und gemächlich raus aufs Wasser schippern. Mit einem Foto dieser Art hat das Unternehmen lange geworben.

Hanke spricht von einem Elektroboot-Boom. "Fast alle Werften sind auf den Trend aufgesprungen." Vor allem die klassischen Motorboot-Werften seien mittlerweile fast alle auf Elektroantriebe umgeschwenkt. Etwa 95 Prozent der Bootskörper bei Hanke sind aus Kunststoff. Aus Holz sind dann viele Aufbauten. Oft kombinieren Hanke und sein Kompagnon, der Elektrotechniker Philipp Dorsch, sowie die Mitarbeiter die Elektroschiffe mit Solartechnologie. Die meisten Abnehmer des Unternehmens nutzen die Schiffe auf dem Ammersee und dem Starnberger See. Hanke: "Das ist klar, wir sind hier vor Ort." Produziert wird aber auch für Bootseigner, die auf Berliner und Hamburger Gewässern damit umherkurven. Hankes Unternehmen hat seinen Sitz und die bisherige Fertigungshalle im Raistinger Gewerbegebiet. Eine neue Produktionshalle ist nur einen guten Steinwurf davon entfernt im Bau.

Zum Team gehören auch Klavierbauer und Elektrotechniker

Eines der Markenzeichen der Firma sind strömungsgünstige Rümpfe. Daraus folgt: Es wird beim Fahren sehr wenig Energie gebraucht. "Zum Teil brauchen wir halb so viel Energie wie die Mitbewerber", sagt Hanke. In diesem Jahr fertigt sein Unternehmen "My Elektroboat", sein 100. Boot.

Das Team umfasst derzeit 19 Leute. Nur drei davon sind Bootsbauer, die anderen sind Klavierbauer, Schreiner, Elektrotechniker oder Messebauer. Alle, die handwerklich etwas auf dem Kasten haben und Fingerspitzengefühl für das Filigrane aufweisen, sind bei Hanke an der richtigen Adresse. Er schätzt Quereinsteiger. Auf die Schulbildung schaut er nicht. Ihm ist Kreativität wichtig.

Er selbst ist auch nie besonders gerne zur Schule gegangen, hat aufs Abitur verzichtet und stattdessen lieber eine Lehre gemacht. Der Altersdurchschnitt in seinem Team liegt bei rund 40 Jahren; 60-Jährige sind ebenso dabei wie ein 25-Jähriger. Im Unternehmen gilt die Vier-Tage-Woche und Gleitzeit. "Wir suchen immer neue Mitarbeiter", sagt Hanke. Gerade jetzt, wo die Firma expandieren möchte. Dem Team gehört auch Hankes Frau an. Sie ist Innenarchitektin und kümmert sich um das Design der Schiffe. Das Ehepaar lebt mit den beiden Kindern im Alter von vier und sechs Jahren in Moorenweis im Westen des Landkreises Fürstenfeldbruck.

Schmuck sehen sie aus, die E-Boote in der Werkstatt von Marian Hanke in Raisting. (Foto: Georgine Treybal)
Mitarbeiter Muselem Jabara poliert die Oberfläche eines Bootes in der Werkhalle. (Foto: Georgine Treybal)
Marian Hanke steht auf einem im Bau befindlichen Schiff in der Halle. (Foto: Georgine Treybal)

Er und seine Mitarbeiter fertigen sogenannte Premiumschiffe an; das sind Boote mit gehobener Ausstattung. Einmal in der Woche gibt es ein Meeting der ganzen Mannschaft. Da wird alles besprochen. Was ist gut gelaufen? Was ist schief gegangen? Was ist derzeit geplant?

Was den Preis für ein Elektroboot aus Hankes Werkstatt angeht, ist die Spanne recht groß. Für das kleine Boot, den Junior, in dem vier Personen Platz finden, muss man mindestens 25 000 Euro veranschlagen. Das größte E-Boot für bis zu zwölf Leute - die Elégance - liegt bei stolzen 370 000 Euro. Dafür muss der Kunde außerdem mit einer Bauzeit von neun Monaten rechnen. Für ein kleines Boot braucht das Team zwei Wochen. Das große Elektroboot wiegt 1,5 Tonnen, es muss gekrant werden und man braucht einen Wasserliegeplatz dafür. "Das Kleine kann man einfach ins Wasser schieben und man braucht keinen festen Liegeplatz", erklärt Hanke. Die "besten Renner", sagt der Firmenchef, "das sind die Mittelklasseboote, die liegen so bei 60 000 bis 70 000 Euro." Das ist in etwa so viel, wie man für einen gehobenen Mittelklassewagen hinblättern muss.

Bis auf den Motor und die Batterien fertigt das Unternehmen alles selbst an, vom Schiffsrumpf über den Aufbau, von den Polstern bis zur Persenning. Motoren und Batterien werden zugekauft. Das große Boot kann mit 70 Stundenkilometern übers Wasser brausen, der Strom reicht dafür ungefähr eine dreiviertel Stunde lang. Die kleinen und mittleren Boote fahren zwischen zehn bis 15 Stundenkilometer schnell. "Das ist zum Wasserskifahren noch zu wenig, aber zum flotten dahinfahren schon ganz gut", sagt Hanke.

Schraubzwingen zählen zu den wichtigsten Utensilien der Raistinnger Bootsbauer. "Von ihnen haben wir immer zu wenig", sagt Chef Marian Hanke. (Foto: Georgine Treybal)
An Bord eines Schiffes in der Werkstatt, wenn auch noch nicht verbaut, sind Kommunikationsbox und Ladestation. (Foto: Georgine Treybal)

Auf dem Starnberger See fahren laut Hanke knapp 2000 E-Boote, am Ammersee sind es um die 1000. Im Durchschnitt werden in der Raistinger Werkstatt pro Jahr zehn bis 20 Boote gebaut. Auf die Frage, ob er als Seeliebhaber nicht findet, dass zu viele Schiffe auf dem See sind, zieht Marian Hanke seine Stirn ein wenig in Falten. "Wenn Sie mich persönlich fragen und nicht als Unternehmer, dann sind es rund um die Roseninsel im Sommer schon zu viele Boote. Ja, es sind generell sehr viele Boote auf dem Wasser."

Aber Hanke ist sich sicher: "Die Zeit von Verbrennermotoren auf dem Wasser ist abgelaufen. Es stinkt, die Wartungskosten sind höher, der Benzinverbrauch ist exorbitant im Verhältnis zum Straßenverkehr." Von den Spritkosten ganz zu schweigen: Bei einem großen Elektroboot kostet die Akkuladung vielleicht 50 Euro bei den aktuellen Stromkosten, beim Verbrennermotor kostet einmal volltanken 450 bis 500 Euro. Laden kann man Elektroboote, anders als E-Autos, an jeder Steckdose. Man muss nur ein wenig Zeit mitbringen. Ein neues Elektroschiff mit viel Holz, 6,5 Metern Länge und bis zu 40 Stundenkilometern Geschwindigkeit ist auch schon in Planung. Das soll dann in der neuen Produktionshalle gefertigt werden.

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