Alpenüberquerung:Nach dem Abi mit dem Rennrad nach Venedig

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Drei Abiturientinnen erfüllen sich ihren Traum vom 925 Kilometer langen Trip nach Italien

Von Manuela Warkocz, Starnberg

Bei ihrem Trip mit dem Rennrad nach Venedig erleben Antonia Fuchs, Julia Weber und Theresa Roth (von li.) jeden Tag kleine Abenteuer. (Foto: privat)

Der krasse Pass hinauf zum Eibsee. Die riesigen Apfelplantagen im Vinschgau. Die nette Radlerin in Meran, die ihnen den Weg gezeigt hat. Gänsehautblick hinunter zum Gardasee. Die zwei Burschen in Verona, die sie nicht näher kennenlernen konnten, weil sie weiter mussten. So viele Eisdielen auf der Route, deren Mega-Eisbecher unbedingt zu testen waren. Und schließlich am Ziel - Venedig!

Theresa Roth, 18, und ihre beiden 17-jährigen Freundinnen Antonia "Toni" Fuchs und Julia Weber sprudeln über vor lauter Eindrücken. Die drei Starnberger Abiturientinnen haben gerade eine knackige Tour bewältigt. In 14 Tagen 925 Kilometer von Starnberg nach Venedig und zurück - auf Rennrädern. Ohne großes Vortraining strampelten sie täglich zwischen 90 und 120 Kilometer. Drei grazile junge Frauen auf schnellen Bikes, die sich mit Adriano Celentanos "Azzuro" im lockeren Tritt die 400 Höhenmeter nach Nauders Richtung Reschensee hinaufschrauben und ihre Bremsen selbst schleifen - "Wir sind schon aufgefallen", sagt Julia lachend.

Die recht spontane Idee zur Alpenüberquerung kam auf, weil wegen Corona eine Flugreise mit anderen Jugendlichen flachgefallen war. Also: Warum sich nicht den Traum vom Trip über die Alpen mit dem Rennrad erfüllen? Hobbymäßig radeln die Drei gern mal um den Starnberger See, aber wirklich viel vorbereitet auf die Tour haben sie sich nicht. Die Eltern seien anfangs eher skeptisch gewesen, sagen sie. In kurzer Zeit reifte die Etappenplanung, einfache Unterkünfte in Dreier-Zimmern wurden gebucht, minimales Gepäck festgelegt: vier Radl-Outfits, ein Kleidchen, eine Hose, ein T-Shirt, ein Paar Sandalen, Waschzeug. Mehr Platz nahmen Werkzeug, Ersatzteile und Erste-Hilfe-Set ein.

Auf der Strecke muss schon auch mal der Fahrradschlauch geflickt werden. (Foto: privat)

Das wird gleich am ersten Tag gebraucht, als Toni an einem Stop kurz vor dem Eibsee "Vollschwung" in Julia rauscht und stürzt. Gott sei Dank nur das Knie aufgeschlagen. In Meran hat Toni einen Platten, den Ersatzschlauch bekommen die Mädchen reingefriemelt. Danach läuft das Rad allerdings unrund, "die Toni wippte", wie Julia sagt. Das Trio lernt viele Radlgeschäfte auf der Strecke kennen. Ein netter Mechaniker, den sie unterwegs treffen, massiert den Reifen sogar ausgiebig. Vergeblich. Hauptsache, das Sitzfleisch hält durch, ist die Devise. Hirschtalg, das gute alte Hausmittel, bewahrt die Fahrerinnen vor dem gefürchteten "Wolf".

Von vornherein hatten sie vereinbart, sich die eher unattraktive Po-Ebene radelnd zu sparen. Von Verona geht's mit dem Zug direkt ins Zentrum Venedigs. Stolz lassen sie sich mit ihren Rädern vor der Salute-Kirche an der Einfahrt zum Canale Grande ablichten. "Wir wurden schon recht dumm angeguckt", bemerkte Theresa. "Die Stadt ist halt nicht gemacht für Räder, mit den vielen Treppen und Brücken." Am Lido genießen die Starnbergerinnen vier radlfreie Tage. Sie bemerken, wie stark sie zuvor aufs Fahren, auf Orientierung, Mechanik, abends Unterkunft suchen fokussiert waren, so dass sie von den vielfältigen Orten in Österreich und Südtirol unterwegs oft gar nicht viel mitbekommen haben. Trient zum Beispiel, wo sie erst spät Abends einfuhren. Dann hieß es häufig, noch schnell Trikots mit Rei aus der Tube waschen. In Venedig gönnen sie sich dahingehend Luxus: alle Klamotten werden durch einen Waschsalon am Lido gejagt. Für die Heimreise. Denn da werden wieder weite Strecken geradelt. Besonders beeindruckt die Drei der Radweg zwischen Udine und Villach auf alten Bahntrassen. "Komplett geteert, du fährst durch alte Tunnels, zum Teil zwei Kilometer lang - wirklich überraschend schön", wie Julia findet. Glück haben sie diesen August mit dem Wetter. Nur am Ende werden sie an drei Tagen nass, gleich so, dass sie die Socken auswringen können. Jeden Tag posten die Abenteuerinnen ihre Erlebnisse auf Instagram, die Eltern daheim sind beruhigt. Sie empfangen die Heimkehrerinnen am Sonntag, 23. August, mit einem großen gemeinsamen Grillfest.

An einem Zwischenstopp im Waschsalon kommen die drei aber nicht vorbei. (Foto: privat/oh)

Theresa ist kaum daheim, da schwingt sie sich schon wieder in den Sattel. Mit der Familie radelt sie von Passau nach Wien. Im Vergleich zur Alpentour eine eher gemächliche Exkursion. Julia konzentriert sich jetzt aufs Golfen. Sie trainiert auf die Deutsche Meisterschaft Mitte September. Was sie am Ende ihres Sommers der Freiheit machen, haben die zielstrebigen jungen Starnbergerinnen auch schon genau im Blick: Toni wird Architektur in Innsbruck studieren, Julia BWL und Theresa vertraut fest darauf, dass sie einen Medizinstudienplatz bekommt.

Und das nächste Reiseziel der Drei: Nachdem ihnen ein Wirt in Venedig den Mund wässrig gemacht hat, wollen sie nach Prosecco. Das Dorf in der gleichnamigen Region Venetiens, das dem prickelnden Getränk den Namen gab, "gibt's wirklich, wir haben es ja erst nicht geglaubt", sagt Julia. Das müssten sie sehen, verkünden die Drei.

© SZ vom 07.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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