Stadtpolitik:München soll "Nette Toiletten" bekommen

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Echt hilfreich: Dieses Logo weist auf die teilnehmenden Lokale hin. (Foto: Horst Rudel/Imago)
  • In München kommt auf jeweils 13 000 Einwohner nur eine öffentliche Toilettenanlage.
  • Um dem Problem zu begegnen, wird über die Einführung "Netter Toiletten" nachgedacht. Dabei stellen Restaurantbetreiber ihre Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung.
  • Die Bezirksausschüsse stellen sich gegen das Konzept, weil sie die Kosten und den Organisationsaufwand tragen sollen.

Von Berthold Neff, München

Wenn alle Münchner, die in der Stadt unterwegs sind, plötzlich ein dringendes Bedürfnis überkäme, hätten sie ein Problem - auf jeweils 13 000 Einwohner kommt nur eine öffentliche Toilettenanlage. Damit liegt München im oberen Mittelfeld deutscher Großstädte, deutlich vor Frankfurt am Main und Köln, wo im Schnitt für 22 000 Einwohner eine Toilette zur Verfügung steht, aber klar hinter Stuttgart (8500) und Bremen, wo der Andrang mit 3210 potenziellen Nutzern pro Toilette am niedrigsten ist. Der Grund dafür ist, dass die Hansestadt auf ein dichtmaschiges Netz von "Netten Toiletten" setzt.

Die Idee, Toiletten in Restaurants auch kostenlos öffentlich zu nutzen, wurde im Jahr 2000 in der Stadt Aalen (Baden-Württemberg) entwickelt und mit einer örtlichen Werbeagentur umgesetzt. Inzwischen machen 210 deutsche Städte und Gemeinden bei diesem Programm mit und zahlen, um dieses Logo, Aufkleber und Plakate nutzen zu können, eine Lizenzgebühr.

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Für München würde diese Lizenzgebühr wohl einmalig 2580 Euro kosten; hinzu kämen, einem Angebot des Lizenzgebers vom Dezember 2015 zufolge, noch etwa 600 Euro für den Druck von Flyern und Plakaten. Außerdem müsste die Stadt den Wirten, die bei diesem Programm mitmachen, eine Aufwandsentschädigung zahlen, welche die Experten aus dem Kommunalreferat mit 30 Euro pro Monat veranschlagen.

In Regensburg und Würzburg, wo die "Nette Toilette" bereits installiert ist, sind die Zuschüsse mit 50 Euro höher, kleinere Städte wie Aichach, Ingolstadt oder Olching pendeln zwischen 25 und 30 Euro. Bremen lässt sich diesen Service der Gastronomie 100 Euro pro Betrieb und Monat kosten. Das geht in der Hansestadt bei 91 teilnehmenden Betrieben zwar ins Geld, ist aber billiger als der Unterhalt vollautomatischer Toilettenanlagen.

Kein Wunder also, dass der Münchner Stadtrat schon im vorigen Jahr beschloss, dieses Konzept zumindest außerhalb des Altstadtrings umzusetzen, wo der Mangel an öffentlichen WC-Anlagen noch eklatanter ist als im Zentrum. Die Bezirksausschüsse (BA) wurden gebeten, entsprechende Lokale zu nennen und haben dies auch getan. Lediglich aus dem BA Aubing-Lochhausen-Langwied sowie vom BA Feldmoching-Hasenbergl verlautete, man sehe keinen Bedarf.

Die Bezirksausschüsse stellen sich gegen das Konzept

Probleme aber gibt es durchaus, wie die Stellungnahmen der Stadtteil-Gremien zur "Netten Toilette" zeigen. Das Konzept soll noch im November vom Stadtrat beschlossen werden - mit etwa 120 teilnehmenden Lokalen und Kosten von etwa 48 000 Euro. Die Stadtteil-Vertreter irritiert insbesondere, dass die Stadtverwaltung es ihnen aufbürden will, die Verhandlungen mit den Wirten zu führen und sogar deren Aufwandsentschädigung aus dem "gegebenenfalls entsprechend erhöhten" BA-Budget zu leisten, wie es in der Vorlage heißt.

Im BA Sendling-Westpark stieß dieser Passus am Dienstagabend auf Widerstand der CSU. Zwar meldeten auch SPD, Grüne und die FDP Bedenken an, letztlich aber wurde das Konzept der "Netten Toilette" mehrheitlich befürwortet - falls es der BA nicht bezahlen muss. Kritische Stimmen waren bereits zuvor etwa in Moosach und in Trudering-Riem laut geworden. "Ja geht's noch?", entrüstete sich der frühere CSU-Stadtrat Georg Kronawitter aus Trudering im Bezirksausschuss.

Das Direktorium, die für die Bezirksausschüsse zuständige städtische Schaltzentrale, lehnt das vom Kommunalreferat vorgeschlagene Vorgehen rundweg ab: "Es gehört nicht zum Aufgabenbereich der Bezirksausschüsse, Verhandlungen mit Restaurantbetreibern über die Teilnahme an der Aktion zu führen, das ist Aufgabe der Verwaltung", heißt es lapidar in der Stellungnahme des Direktoriums. Vor allem aber sei der vorgeschlagene Finanzierungsweg undenkbar. Die Toiletten-Entschädigung greife unzulässig in die Entscheidungsrechte der Bezirksausschüsse ein und sei auch von der BA-Satzung nicht gedeckt.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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