Stadtcafé:Mozztom trifft "Sex Machine"

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Das Stadtcafé ist eine Institution in München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das "Stadtcafé" am Jakobsplatz gibt es schon seit 20 Jahren - und es ist immer noch eine Mischung aus familiärem Stüberl und leicht unterkühltem Intellektuellen-Treff.

Franz Kotteder

Die Welt ist undankbar, und ganz besonders undankbar sind Stammgäste. Sie trinken zwar bereitwillig das Freibier weg, reißen dann aber trotzdem immer wieder die gleichen blöden Witze. Stadtcafé-Wirt Wolfgang Köck darf sich an diesem Abend wiederholt anhören: "Endlich mal ein professioneller Service hier!"

Er trägt es mit Gelassenheit, schließlich kennt er seine Pappenheimer, und überhaupt will er sich nicht darin beirren lassen, das 20-jährige Bestehen seines Lokals gebührend zu feiern, "mit Freunden, Personal und Veteranen", wie er es ausdrückt. Zur Feier des Tages hat er einen Fremd-Caterer engagiert, und deshalb dürfen heute auch mal die zahlreich erschienenen Bedienungen ausspannen und sich bewirten lassen.

So ganz korrekt ist der Anlass des Festes zwar nicht, denn das Café im Stadtmuseum gibt es eigentlich schon seit 25 Jahren. 1983 eröffnete es, gedacht als klassisches Museumscafé, unter der recht eigenwilligen und bisweilen chaotischen Leitung des Künstlers Hans-Georg Schultz, genannt Brum.

Es entwickelte sich in der damals noch ziemlich toten Innenstadt rasant zum Szene-Treff und In-Lokal und war schon bald jeden Abend brechend voll. Weil das feiernde Jungvolk aber nur selten auch im Besitz einer Eintrittskarte für das Museum war, musste Brum nach nur zwei Jahren wieder gehen. Trotz heftiger Proteste übrigens; die Causa wurde in den Feuilletons der Münchner Presse ausführlich erörtert, und der noch junge Stadtverband der Grünen druckte gar Flugblätter, in denen er zum "Aufstand" gegen den Kulturreferenten, den Museumsdirektor und den Leiter des Filmmuseums aufrief: "Treibt sie in ihren Gasteig!"

Mozztom trifft "Sex Machine"

Doch vergeblich. Brum musste aufgeben, dann wurde lange renoviert, übergangsweise sprang ein anderer Wirt ein, und schließlich kam 1988 nach öffentlicher Ausschreibung das Wirtekollektiv der Theaterkneipe "Tagöll" aus der Hans-Sachs-Straße zum Zug, dem damals schon Wolfgang Köck angehörte. Theoretisch hätte man jetzt nach wie vor noch eine Eintrittskarte gebraucht, um das Stadtcafé, wie die Lokalität nun auch offiziell hieß, aufsuchen zu dürfen.

Aber da handelte es sich weiterhin um Theorie, auch wenn viele Besucher des Kinos im Filmmuseum vor oder nach den Vorführungen bei Wein und Bier beispielsweise über die Ästhetik des finnischen Stummfilms diskutierten und auch heute noch diskutieren. Wie Cineasten halt so sind.

Der weitere Verlauf der Stadtcafé-Geschichte ist natürlich vorherrschendes Thema beim Geburtstagsfest. Beim "Flying Buffet" werden auch kleine Brotscheiben mit Tomaten und Mozzarella gereicht - und schon ist die Erinnerung da an das legendäre "Mozztom", das es hier lange Jahre als einzig nennenswerte warme Mahlzeit gegeben hat: ein überbackenes Tomaten-Mozzarella-Baguette, das auch unter der Bezeichnung "Brikett" lief, weil die Ecken häufig etwas angekokelt waren. Man erinnert sich an lange, laue Sommernächte im schattigen Innenhof, wo es immer etwas kühler ist als sonst auf den Straßen. Und, natürlich, man lästert über einstige Aushilfskellnerinnen und -kellner, die dem Gast deutlich zu verstehen gaben, dass sie eigentlich zu sehr viel Höherem bestimmt waren und die jede profane Bestellung als Zumutung empfanden.

Ja, auch die sind da an diesem Montagabend und dürfen sich an ihrer alten Wirkungsstätte endlich einmal selbst bedienen lassen. Ebenso wie Ex-Wirt und Mitkollektivist Hans Zürrlein, der sich sichtlich freut, seine alten Stammgäste wieder so schurigeln zu können wie früher. In seiner neuen Wirkungsstätte, dem "Dukatz", ist das ja nicht so angebracht, weil das ein besseres Restaurant ist. Langsam versteht man dann, warum das Stadtcafé inzwischen eine richtige Münchner Institution geworden ist: Es ist eben eine einzigartige Mischung aus familiärem Stüberl, in dem man sich straflos anfrotzeln darf, und leicht unterkühltem Intellektuellen-Treff, wobei die Übergänge fließend sind. Und das ist ja, genau betrachtet, kein ganz schlechtes Abbild der Stadtgesellschaft.

Dass das Stadtcafé aber nicht mehr ganz so szenig ist wie in seiner Frühzeit, merkt man später, als J.B.junior & The Nervous Flames zum Tanz aufspielen - lauter exzellent dargebotene James-Brown-Soul-Kracher, von "Sex Machine" bis "Man's World", und trotzdem wagen sich nur wenige Gäste auf die Tanzfläche! Zum 40-jährigen Bestehen wird man wohl an eine Rollstuhl-Disco denken müssen.

© SZ vom 24.09.2008/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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