Talentiade 2019:Fußball verbindet

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Geht der rein? Tim schießt, Bastian hält den Kasten sauber. Trotz Bastians Behinderung spielen beide Brüder in einer Mannschaft. (Foto: Horst Kramer)

Die Niederrother Sturmkicker sind eine Inklusionsmannschaft.

Von Horst Kramer, Niederroth

Wenn der 14-jährige Bastian an den Abend im SZ-Hochhaus vor zwei Jahren zurückdenkt, muss er sofort grinsen. "Da hab ich von Matthias Sammer ein Autogramm gekriegt", erinnert sich der Junge, der mit einem Down-Syndrom auf die Welt gekommen ist. Er gehört zu gegenwärtig zwanzig Kindern und Jugendlichen, die bei den "Sturmkickern Niederroth" aktiv sind - ein Team, das bei der Talentiade 2017 mit einem Sonderpreis ausgezeichnet wurde. Und das anschließend die Bühne im Veranstaltungssaal der Süddeutschen Zeitung rockte. Der damals elfjährige Valentin schnappte sich das Mikrofon und ließ den Saal wissen: "Wir sind die Sturmkicker! Wir sind die Größten!" Unvergessliche Momente. Bastian bestätigt heute: "Ein toller Abend."

Seitdem hat sich einiges getan bei den Sturmkickern. Mit der 13-jährigen Jessi ist ein Mädchen zu dem Team gestoßen. Torwart Antonio, 15, ist in die bayerische Landesauswahl berufen worden und stand schon für eine DFB-Elf zwischen den Pfosten. "Antonio ist der erste Nationalspieler des SV Niederroth", sagt Trainer Jürgen Graf, 58, mit Stolz.

Vor sieben Jahren hat er die Sturmkicker zusammen mit seiner Frau Manuela Knöferl-Graf, 51, aus der Taufe gehoben. Aus persönlicher Betroffenheit: Die beiden sind nicht nur die Eltern von Bastian, sondern auch von Tim, 16, ein talentierter Fußballer ohne Behinderung. Jürgen Graf trainierte damals die Mannschaft von Tim. Bastian nahm zwar am Training teil und wurde auch von den meisten Kindern akzeptiert. Bei den Punktspielen musste er aber zusehen. So suchte und fand das Ehepaar Eltern in einer ähnlichen Situation - es war die Geburtsstunde der Sturmkicker, eines echten Inklusionsprojekts, bei dem junge Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam ihrer Fußballleidenschaft nachgehen.

Kurz darauf stieß Christian Denk, 49, mit seinen drei Söhnen Daniel, Lucas und Dominik zu den Inklusionsfußballern. Er coacht die Kids zusammen mit Jürgen Graf. Zwei der Gründungskicker sind mittlerweile ins Berufsleben eingestiegen: Die 18-jährigen Zwillinge Christoph und Thomas haben in der Johannes-Neuhäusler-Schule des Franziskuswerks Schönbrunn ihren Abschluss gemacht. Christoph hat im vergangenen September eine Bäckerlehre begonnen, Thomas lernt im selben Betrieb Bäckereifachverkäufer. "Nicht in einer Behindertenwerkstätte, sondern in einer richtigen Dachauer Bäckerei", betont Manuela Knöferl-Graf, die sich bei den Sturmkickern um alles außer ums Training kümmert. "Unsere Managerin", scherzt Jürgen Graf.

Während Tims und Bastians Eltern sowie Trainer Christian Denk von den Ereignissen der vergangenen beiden Jahre berichten, kicken die Buben miteinander im Garten - so wie alle Mädchen und Jungs auf der ganzen Welt: mit Feuereifer und Leidenschaft, die Zeit vergessend.

Derweil erzählt Jürgen Graf: "Unsere Talentiade-Prominenz hat sich durchaus bemerkbar gemacht. So werden wir seitdem öfter zu neuen Turnieren eingeladen oder auch zu anderen Inklusionsaktionen." Im März des vergangenen Jahres organisierten die Niederrother ein einzigartiges Turnier. Die Spielerinnen und Spieler der sieben teilnehmenden Vereine aus ganz Südbayern bildeten neu zusammengestellte Teams, so dass sich Kinder und Jugendliche kennenlernten, die vorher noch nie miteinander zu tun hatten. "Damit die Mannschaften konkurrenzfähig sind, haben alle Trainer ihre Kids nach Spielstärken eingeteilt und die neuen Mannschaften per Los gebildet", sagt Christian Denk. "Die Aktion war ein voller Erfolg und hat riesigen Spaß gemacht", resümiert Manuela Knöferl-Graf.

Ein weiterer Effekt des Sturmkicker-Auftritts bei der Talentiade 2017, so die Freizeit-Managerin, sei die Suche nach Sponsoren: "Wir tun uns dabei erheblich leichter als vorher." Der Lions Club Dachau hat zum Beispiel schicke Sporttaschen gestiftet. Und die Allianz für Kinder in Bayern e.V. - ein karitativer Verein der Allianz-Versicherung - spendete den Sturmkickern einen vierstelligen Betrag, der in die Ausrüstung floss. Ein Teil des Geldes gaben die Niederrother weiter an die Elterninitiative "Kunterbunte Inklusion", die am 15. Mai den Film "Kinder der Utopie" im Cinema Dachau zeigt.

Drei Tage später steht das erste Turnier des Sommers an: der Isarcup der Luise-Kiesselbach-Förderschule in der Garmischer Straße im Münchner Süden. Bastian freut sich schon: "Da gewinnen wir. Ganz klar!"

© SZ vom 04.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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