Ski alpin:Kira im Wunderland

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Kira Weidle ist bislang auf der Suche nach dem optimalen Schwung. Teamkollegin Victoria Rebensburg traut ihr zu, dass sie ihn findet. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Noch findet die Starnbergerin Kira Weidle bei ihrer erste Weltmeisterschaft in St. Moritz "alles cool". Ihr Trainer traut ihr eine große Karriere zu - vielleicht beginnt die am Sonntag mit der Abfahrt.

Von Matthias Schmid

Wenn Kira Weidle in diesen Tagen bei der Weltmeisterschaft in St. Moritz zum Training oder zu den Wettkämpfen aufbricht, braucht die Ski-Rennläuferin kein Auto. Sie kann von der noblen Unterkunft der deutschen Nationalmannschaft in Celerina zu Fuß über den großen öffentlichen Parkplatz zur Talstation der Marguns-Bahn gehen. Das ist praktisch und bequem. Wenn die 20-Jährige oben ankommt, muss sie sich nur noch in den Sessellift hinauf zur Corviglia setzen - und schon steht sie an der WM-Strecke. "Es ist wirklich megacool, dass ich hier starten darf", findet Kira Weidle.

Für die Sportlerin des SC Starnberg ist im Moment alles neu und aufregend. Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte sie vor ein paar Tagen im Fahrradkeller des edlen Hotels. Natürlich hatten die Verantwortlichen des Deutschen Skiverbandes vor der Pressekonferenz die Fahrräder entfernt und stattdessen Bierbänke und Biertische aufgestellt. Weidle ist zum ersten Mal bei einer WM dabei, vor so vielen Journalisten hat sie noch nie gesprochen. "Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich nicht aufgeregt wäre", gibt sie zu.

Äußerlich kann sie ihre Nervosität aber gut verstecken, sie spricht ziemlich unerschrocken. "Du musst versuchen, das hier alles zu genießen", sagte Viktoria Rebensburg im Fahrradkeller zu Weidle, die neben ihr Platz genommen hatte. Während es für die Riesenslalom-Olympiasiegerin von 2010 auch in der Abfahrt am Sonntag um Medaillen geht, denkt Weidle überhaupt nicht über Platzierungen nach. "Medaillenkandidatin bin ich glaube ich nicht", sagt sie - und muss über diese Formulierung selbst lachen. Nach ihrem 31. Platz im Super-G will sie diesmal in der Königsdisziplin aber viel befreiter fahren als bei ihrer WM-Premiere, vor allem schneller. Die Kombination am Freitag half ihr dabei, die Verkrampfung zu lösen und den Kurs auf der Corviglia noch besser kennenzulernen. "Ich versuche einfach, mit der nötigen Gelassenheit heranzugehen", sagt Weidle nun nach der Kombinations-Abfahrt, und: "Ich weiß jetzt, woran ich noch arbeiten muss für Sonntag."

Dass sie schnell Ski fahren kann, hat sie mit Platz 17 vor ein paar Wochen beim Super G von Garmisch-Partenkirchen schon angedeutet, es ist ihre erste Saison im Weltcup, nachdem sie im vergangenen Winter die Abfahrtswertung im Europacup gewonnen hatte. "Kira soll hier die Chance bekommen, Erfahrung zu sammeln für die nächsten Groß-Events", sagt Frauen-Bundestrainer Markus Anwander, der viel von der Starnbergerin hält. "Wir vertrauen darauf, dass sie sich in den nächsten Jahren im Vorfeld platzieren kann."

Dass sie sich einmal mit den besten Ski-Rennläuferinnen des Planeten messen und sie herausfordern würde, war nicht abzusehen, als sie in Stuttgart zur Welt kam. "Dort ist es ja nicht so typisch, zum Skisport zu kommen", sagt sie selbst, "aber meine Familie ist sehr skibegeistert." Da traf es sich natürlich ganz gut, dass ihr Vater beruflich bedingt über den Umweg Nordrhein-Westfalen schließlich in Starnberg landete. Sechs Jahre war Kira Weidle alt, als sie nach Bayern übersiedelte, in die Nähe der Berge. Sie stellte sich auf Skiern so gut an, dass sie mit 16 Jahren auf das Ski-Internat nach Oberstdorf wechselte. Seit sie vor drei Jahren die Schule mit dem Abitur beendete, widmet sich Weidle voll und ganz dem Rennsport.

Sie ist zwar keine Überfliegerin wie Viktoria Rebensburg, aber allemal begabt genug, um sich später mal regelmäßig unter den besten Zehn der Welt platzieren zu können. Von Rebensburg kann sie sich bis dahin viel abschauen, vor allem das Arbeitsethos. "Kira soll sich nicht verrückt machen lassen, sondern ihr Ding durchziehen und sich aufs Wesentliche konzentrieren", rät ihr ihre erfahrene Teamkollegin. Das ist leichter gesagt als getan. Weidle hat schnell lernen müssen, dass im Weltcup viel mehr verlangt wird als im zweitklassigen Europacup, in dem sie schon eine Abfahrt gewinnen konnte. "Das ist ein Riesenschritt für mich", gibt sie zu, "aber es ist perfekt, dass ich mir über den Europacup einen Fixplatz im Weltcup erarbeiten konnte und so alle Abfahrten mitmachen kann, um hier reinwachsen zu können."

In den beiden Speed-Disziplinen fühlt sie sich am wohlsten, "weil ich es mag, schnell unterwegs zu sein", schwärmt sie. Aber ganz verzichten auf den langsamen und technisch anspruchsvollen Slalom will sie auch nicht. Deshalb war sie die einzige deutsche Starterin am Freitag in der Kombination, die sie zunächst mit einem ordentlichen 23. Rang abschloss, ehe sie noch aus der Wertung genommen wurde, weil die Regelhüter eine unerlaubte Bindungsplatte erkannten. Die war zu hoch: "Das ist natürlich doof gelaufen", gestand Weidle enttäuscht, "aber jetzt freue ich mich auf die Abfahrt."

Coach Anwander und auch Rebensburg glauben, dass Weidle alles mitbringt, um im Weltcup auf sich aufmerksam zu machen: "Wir setzen auf Kira", sagt der Bundestrainer. Und eines hat Weidle ihrer erfolgreichen Teamkollegin schon voraus. Sie kann viel besser würfeln: "Beim Kniffeln gewinne ich immer gegen Vicky", erzählt sie. Rebensburg nickt zustimmend und fügt fast entschuldigend hinzu: "Weil wir immer mit Kiras Würfeln spielen. Mit denen stimmt etwas nicht."

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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