Ski alpin:Ganz das Vorbild

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Jung, angriffslustig, selbstbewusst: Martina Willibald, 15, vom SSC Jachenau zählt zu den größten deutschen Talenten

Von Johannes Heil, Jachenau

Ein größerer Fehler im unteren Streckenabschnitt, dazu ein paar Rutscher zu viel im oberen Teil: Martina Willibald weiß genau, wo sie die Zeit hat liegen lassen, die am Ende auf den ersten Platz gefehlt hat. Beim "Longines Future Ski-Champions" in Val d'Isere (Frankreich), wo kurz vor Weihnachten 13 der weltweit größten Nachwuchshoffnungen im Riesenslalom gegeneinander antraten, fuhr die 15-Jährige vom SSC Jachenau (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) auf Rang sieben. In der deutschen Schülerrangliste belegt Willibald den ersten Platz, das qualifizierte sie zur Teilnahme. In Val d'Isere reichte es immerhin zum Platz in der Mitte des Klassements - allerdings mit knapp drei Sekunden Rückstand auf die Siegerin Carlotta Saracco aus Italien. "Mit der Platzierung bin ich schon zufrieden, aber der Rückstand ist doch etwas zu groß", sagte Willibald hinterher.

Nicht nur in sportlicher Hinsicht war das Zusammentreffen der internationalen Toptalente etwas Besonderes für sie. "Wir konnten uns untereinander viel austauschen und haben uns angefreundet." Mit zwei Mädchen hat sie sich besonders gut verstanden, wie sie sagt, mit der Kanadierin Brianna Macdonald und der Kroatin Ida Stimac. "Die Stimmung war insgesamt ganz anders als bei einem normalen Rennen." Auch die Piste war anders als gewohnt. "Die Strecke war total vereist. Aber sie war sehr gut präpariert. Es gab kaum Huckel", sagt Willibald.

Tipps konnte sie sich am Renntag auch von den Trainern des Weltcup-Teams holen - die Frauen bestritten zur gleichen Zeit in Val d'Isere eine Abfahrt. "Die Trainer waren sehr nett und haben sich auch Zeit für uns genommen", erzählt Willibald. Die Siegerin, die US-Amerikanerin Lindsey Vonn, ist eines von Willibalds großen Vorbildern. "Wie sie in diesem Winter zurückgekommen ist, ist schon beeindruckend", sagt sie. Aber auch Vonns Landsfrau Michaela Shiffrin hat es der Jachenauerin angetan: "Sie ist jung, sicher, selbstbewusst und fährt voll auf Angriff. Das finde ich gut."

"No risk, no fun", nach diesem Motto stürzt sich Martina Willibald die Hänge hinab, hier in Val d'Isere. Ihr Ziel: der Weltcup. (Foto: Longines/oh)

Angriff ist auch das Motto von Willibald, die im Slalom, Riesenslalom und Super-G antritt. "Wenn ich mal einen Fehler mache, versuche ich den Ski trotzdem laufen zu lassen", sagt sie. Lernen könne man diese Eigenschaft freilich schwer. "Ich denke, das wurde mir in die Wiege gelegt." Schon als kleines Kind hat sie mit dem Skifahren angefangen. "Mit drei Jahren bin ich das erste Mal auf Ski gestanden", mit sechs bestritt sie ihren ersten Wettkampf. Doch der Erfolg fußt nicht nur auf Begabung allein.

Willibald arbeite im Training sehr hart, berichtet ihr Trainer Anderl Stadler: "Martinas Ehrgeiz und Fleiß zeichnen sie aus. Wenn sie am Start steht, dann gibt sie immer Vollgas. Sie ist eine Kämpferin." Für die Zukunft hat sich die 15-Jährige einiges vorgenommen. "Ich möchte es erst einmal in den Jugend-Landeskader schaffen." Langfristig hat sie ein großes Ziel ganz fest vor Augen: "Irgendwann möchte ich auch einmal im Weltcup fahren", sagt sie. Ein Ziel, das ihr auch ihr Trainer durchaus zutraut. "Erst einmal muss sie sich aber in der Jugend gut präsentieren, dann kann man weiter sehen", meint Stadler.

Auf dem Weg in den Weltcup ist der Europacup eine Zwischenstation. Wie man es dorthin schafft, kann Martina Willibald in der eigenen Familie erfragen. Ihre 18-jährige Schwester Elisabeth tritt derzeit im kontinentalen Wettbewerb an. Ihre Eindrücke persönlich auszutauschen fällt den beiden Schwester aber häufig schwer: "Leider sehen wir uns nicht sehr oft", sagt Martina Willibald. "Sie ist genau wie ich sehr viel auf Wettkämpfen unterwegs. Aber wir schreiben uns oft und erzählen uns von unseren Rennen." Es sei für sie eine zusätzliche Motivation, dass es ihre große Schwester bereits in den Europacup geschafft hat. Noch so ein Vorbild.

Schule, Training, kaum Freizeit, etliche Verletzungen: "Da kommen manchmal schon Zweifel auf, ob es das alles wert ist." (Foto: Longines/oh)

Doch nicht nur der Kontakt zur eigenen Schwester leidet unter dem straffen Zeitplan, der von Schule - Willibald besucht die 9. Klasse der Realschule - und Sportkarriere diktiert wird. "Manchmal ist es schon so, dass man kaum noch Zeit für etwas anderes hat", klagt sie. Neben Training und Lernen bleibe wenig Freiraum, etwa für Freunde. "Da kommen manchmal schon Zweifel auf, ob es das alles wert ist." Diese seien aber nicht von Dauer - letztlich behält der Skisport doch immer die Oberhand. "Ich liebe es einfach, in der Natur zu sein", sagt Willibald. "Es gibt nichts Schöneres, als wenn man am Morgen am Hang steht und das Wetter schön ist."

Dass ihr Sport gefährlich sein kann, weiß Willibald sehr wohl - aus eigener, schmerzhafter Erfahrung. Prellungen und Zerrungen, die Folge von Stürzen. Dennoch sagt Willibald: "Stürze gehören dazu. No risk, no fun." Der Ton, in dem sie das sagt, klingt angriffslustig, jung, selbstbewusst. Aus Martina Willibalds Sicht: ganz vorbildlich.

© SZ vom 05.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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