Ski alpin:Buckelige Verwandtschaft

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Der Ebersberger Julius Garbe will nach Olympia. Das größte Problem der deutschen Freestyler vor dem Weltcup-Auftakt im finnischen Ruka ist die fehlende Unterstützung durch den DSV

Von Philipp Jakob, München/Ruka

Es klingt fast wie das neueste Produkt eines schwedischen Möbelhauses: Ruka. In Wahrheit verbergen sich hinter den vier Buchstaben keine Einbauschränke oder Schlafsofas. Ruka steht vielmehr für schneebedeckte Berge, gut 24 Kilometer Skipiste und ein Loipennetz mit mehr als 500 Kilometern Länge - kurz: ein Paradies für Julius Garbe. Und liegt außerdem in Finnland. Der Ebersberger ist schon seit knapp zwei Wochen in Ruka unterwegs. Zwei Wochen, die allerdings recht wenig mit einem entspannten Skiurlaub gemein hatten, sondern allein der Vorbereitung dienten. Garbe will fit sein, wenn sich der beschauliche Wintersportort südlich des Polarkreises in den Mittelpunkt der Freestyle-Szene verwandelt. An diesem Wochenende ist es soweit.

Am Samstag beginnt die neue Weltcup-Saison auf der Buckelpiste in Ruka. Ein Sport, der in Deutschland abseits von Alpinski, Skispringen und Biathlon wenig Beachtung findet, für Garbe jedoch so etwas wie der Lebensmittelpunkt ist. Der 24-Jährige ist zweimaliger deutscher Meister und will in dieser Saison die Weltspitze angreifen. Sein großes Ziel: die Olympischen Spiele 2018.

Schon mit zweieinhalb Jahren stand Garbe zum ersten Mal auf Skiern, in seiner Jugend fuhr er Alpinrennen - bis er vor neun Jahren die Buckelpiste für sich entdeckte. Seitdem stürzt er sich regelmäßig einen etwa 200 Meter langen Steilhang hinunter, der mit kleinen, künstlich angehäuften Schneehügeln, den Buckeln, gespickt und von zwei Schanzen unterbrochen ist. Neben Schnelligkeit und Eleganz gehören möglichst spektakuläre Sprünge zum Repertoire der Buckelpistenfahrer. "Das war für mich einer der Gründe, warum ich vom Alpinen gewechselt bin", erklärt Garbe, "es hat mir einfach viel mehr Spaß gemacht als immer nur Rot-Blau", immer nur von Tor zu Tor fahren.

Garbe verbringt einen Großteil seines Lebens auf den Skipisten dieser Welt. "Ich liebe das einfach", sagt er. "Wenn ich könnte, würde ich jeden Tag Ski fahren." In Wahrheit dürften es laut eigener Schätzung 150 bis 200 Tage im Jahr sein, an denen sich der Ebersberger seine Skier unter die Füße schnallt, ob in Finnland, Japan oder Nordamerika. Dort begeistert die Buckelpiste deutlich mehr Menschen als hierzulande. "In den USA stehen zum Beispiel mehr als 10 000 Zuschauer im Ziel, die feiern da eine riesige Party", beschreibt Garbe die Faszination, die seine Sportart auf Wintersportfans weltweit ausübt. Nur Deutschland hinke hinterher. "Aber das kann sich ja noch ändern."

Dafür kämpft Garbe gemeinsam mit seinen neun Teamkollegen in der deutschen Buckelpistenmannschaft, dem Freestyle Team Moguls Germany. An oberster Stelle steht für die zehn Sportlerinnen und Sportler um ihren Trainer Harald Marbler vor allem eines: Aufmerksamkeit. Eine entscheidende Rolle nehmen dabei die sozialen Netzwerke ein. "Für uns ist das die einzige Möglichkeit, medial aufzutreten", erklärt Garbe. TV-Übertragungen von Wettbewerben in der Buckelpiste gibt es in Deutschland nicht, höchstens bei Olympischen Spielen, wo Garbe unbedingt hin möchte.

Die Voraussetzungen sind allerdings denkbar ungünstig. Neben mangelnder Popularität gibt es für die deutschen Buckelpistenfahrer noch ein weitaus größeres Problem. Seit 2014 sind Garbe und Co. komplett auf sich allein gestellt und müssen ohne finanzielle Unterstützung des Deutschen Skiverbands (DSV) auskommen. "Uns wurde damals gesagt, dass disziplinübergreifend nicht mehr so viel Geld vorhanden ist", sagt Garbe. Da die deutschen Buckelpistenfahrer weder mit sportlichem Erfolg noch mit großem Fan-Interesse gesegnet waren, "war unsere Sportart die erste, die dran glauben musste." Seitdem kommen die Athleten selbst für Reise- und Materialkosten sowie das Gehalt ihres Trainers auf. Marbler schätzt den finanziellen Aufwand auf 25 000 bis 30 000 Euro pro Person und Saison. "Ohne die Unterstützung meiner Eltern würde ich das nicht hinkriegen", sagt Garbe. Praktisch allen im Team gehe es so. Die Präsenz in den sozialen Netzwerken wird in dieser Lage umso wichtiger, um Sponsoren anzulocken.

Trotz finanzieller Nöte und einer ungewissen Zukunft sieht Garbe, der sein Studium zum Wirtschaftsingenieur abgebrochen hat, eine große Chance: "Das war natürlich ein Megaschock, aber andererseits sind wir einfach freier und können unsere eigenen Entscheidungen treffen." Das habe in den vergangenen Jahren recht gut geklappt, auch sportlich hätten seine Kollegen und er gute Fortschritte gemacht. Das sieht auch Marbler so: "Ich denke, dass drei bis vier aus der Mannschaft Chancen auf Olympia haben", schätzt der Trainer. Garbe sei einer davon: "Er hat sich immens gut entwickelt, er hat sehr großes Potenzial." In seiner dritten Weltcup-Saison möchte Garbe regelmäßig unter die besten 16 kommen und sich für die WM Anfang März in Spanien qualifizieren. Sein bestes Weltcup-Ergebnis war bislang ein 23. Rang. "Das hat mich bestätigt, dass es in die richtige Richtung geht", sagt Garbe. Nun soll es weiter aufwärts gehen - vielleicht schon beim Auftakt in Ruka.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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