Munich-Mash-Local:"Ich dachte: Das machst du nie wieder"

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Amir Kabbani, 25, auf seiner Trainingsstrecke in Boppard bei Koblenz. (Foto: Christopher Laue/oh)

Amir Kabbani ist als Slopestyle-Mountainbiker mitverantwortlich für das Spektakel. Das Risiko fährt immer mit.

Von Ralf Tögel

An diesem Wochenende treffen sich die weltbesten Skateboarder, BMX-Fahrer und Freestyle-Mountainbiker im Olympiapark zum Munich Mash. In einer Interview-Serie der SZ kommen die "Locals" zu Wort, jene Profis, die Deutschland bei diesem Wettbewerb vertreten. Amir Kabbani, 25, ist einer der erfolgreichsten Slopestyle-Mountainbiker Deutschlands. Ein Gespräch über sein Leben als Profi und die Risiken seiner Sportart.

SZ: Herr Kabbani: Wie geht's?

Amir Kabbani: Gut geht's, danke.

Bei einem Dirt-Biker eine nicht ganz unberechtigte Frage, oder?

Absolut. Das Risiko fährt immer mit. Speziell hier beim Munich Mash, wo das Niveau sehr hoch sein wird, weil die besten Leute überhaupt kommen.

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Sie fahren ein so genanntes Dirt-Bike, ist das überhaupt noch das, was Normalsterbliche unter einem Fahrrad verstehen?

Das Bike ist auf das Wesentliche reduziert. Es hat nur noch eine Bremse und einen Gang. Alle Teile am Rad sind möglichst leicht und super stabil, weil es sich mit einem leichten Rad besser wirbeln lässt. Von der Geometrie ist es sehr aufs Springen ausgelegt, da kann man nicht wirklich viele andere Sachen machen.

Sie springen für Peter Henke ein, der verletzt ist. E in Glück, dass sie fit sind.

Ja, kann man so sagen. Ich habe die gesamte vergangene Saison verpasst.

Warum?

Ich habe in Spanien einen neuen Trick in einer Schaumstoffgrube eingeübt, weil hier das Wetter zu schlecht war. Zu Hause wollte ich den Trick dann noch ein bisschen verinnerlichen, vielleicht war ich ein bisschen zu arg versteift auf diesen Trick, mein Kopf wollte nicht so richtig mitmachen. Ich habe dann im Sprung die Kontrolle verloren und gemerkt, wie ich kopfüber aus der Rotation dem Boden entgegen fliege.

Aus welcher Höhe?

Vier, fünf Meter waren das bestimmt. Ich habe praktisch einen Köpfer in den Boden gemacht und mir den elften und zwölften Brustwirbel gebrochen.

Autsch.

Ich hatte Glück im Unglück, weil ich keine OP brauchte, mein Rücken war relativ fit, und die Muskeln haben das alles gehalten.

Sind Sie wieder auf dem alten Level?

Man muss quasi wieder bei Null anfangen, außerdem dreht sich das Rad extrem schnell weiter, viele junge Fahrer kommen nach. Da ist es einfach schön für mich zu sehen, dass ich es innerhalb weniger Events geschafft habe, auch wieder auf große Events eingeladen zu werden.

Sie hatten Zeit zum Nachdenken. Kam Ihnen nie der Gedanke aufzuhören?

In dem Moment, als ich nicht wusste, was los ist, dachte ich: Das machst du nie wieder. Ich war weiter von diesem Sport entfernt als je zuvor. In der Zeit, in der man regeneriert und immer fitter wird, da fehlt dir schon wieder was. Der Sport ist das, was dich ja auch ausmacht, was dich auf höchstem Maximum glücklich und lebendig macht.

Ihr Vater ist Arzt, Ihre Schwester studiert Zahnmedizin. Mountainbike-Profi wird nicht auf dem Berufswunschzettel Ihrer Eltern gestanden haben.

Im Wald, da sind die Flieger, wie Amir Kabbani. (Foto: Christopher Laue/oh)

Kann man nicht sagen. Mein Vater wusste wirklich nicht, was er dazu sagen sollte. Ich war Ende 16, habe meine Mittlere Reife abgeschlossen und zu meinem Papa gesagt: Hey, pass auf, ich hau' jetzt hier ab und zieh' nach München.

Einfach so?

Ich hatte die finanzielle Unterstützung meiner Sponsoren, ich hab das abgeklärt, ich musste da hin. Hier in Koblenz gab es damals nichts, in München eine große Halle zum Trainieren. Für meinen Vater war es komplett unvorstellbar, dass man mit Saltospringen auf dem Bike sein Geld verdienen kann, aber er hat mich machen lassen. Und heute?

Stück für Stück, als die ersten Erfolge kamen und er sah, dass das Ganze seriöser ist, als er es sich vorstellen konnte, habe ich gemerkt, dass meine Eltern stolz sind.

Sie leben in Boppard bei Koblenz, sicher nicht der Nabel der Mountainbike-Welt. Wie trainiert man da?

Boppard hat schon ein paar Höhenmeter, der Hunsrück ist hier, da kann ich Ausdauer trainieren. Und ich habe hier eine legale Anlage, die ich damals, bevor ich nach München gezogen bin, mit aufgezogen habe.

Eine eigene Trainingsstrecke?

Das ist quasi ein Stück Stadtwald, das sie uns zur Verfügung gestellt haben. Der Deal ist, dass ich schaue, dass da alles in Ordnung ist, dass die Anlage sauber ist, dass da ein bisschen Nachwuchstraining betrieben wird. Und ich habe meine Linie, wo ich trainieren kann, mit einem Mulchsprung. Was ist ein Mulchsprung?

In die Schaumstoffgrube macht man einen Sprung das erste Mal. Wenn man ihn verinnerlicht hat, dann geht es auf einen richtigen Sprung. Die Landung ist etwa einen halben Meter hoch mit Hackschnitzeln bedeckt, dass man halbwegs sicher stürzen kann. Aber man kann den Sprung ausfahren. In eine Schaumstoffgrube springt man rein und bleibt stecken.

Zehn Jahre sind Sie jetzt Profi, wie gut kann man davon leben?

Man braucht Sponsoren. Aber das Schöne beim Mountainbiken ist, dass man viele Anbauteile am Rad hat, also Möglichkeiten für viele Sponsoren. Rahmen, Federgabel, Bremsen oder Equipment wie Helm, Sonnenbrille, T-Shirt. So läppern sich mehrere kleine Beträge zu einem Gehalt, von dem man leben kann. Es gibt Projekte wie Shows, Preisgelder, Boni, das Ganze ist ziemlich breit aufgestellt.

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Und Videos. Ihre Reihe "In the Woods with Amir Kabbani" ist in der Szene bekannt.

Mit Videos selbst hab ich nie Geld verdient, das ist einfach eine Referenz für Sponsoren, dass die mich behalten und weiterhin bezahlen. Aber ich kann davon leben. Ich bin jetzt kein Millionär, aber es ist okay.

Für Fußballer ist eine WM das Größte, für Leichtathleten Olympia. Wie ticken Mountainbiker?

Ich könnte jetzt keinen besonderen Titel nennen. Für die Amerikaner vielleicht die X-Games, dass man die mal gewonnen hat. Ich habe auch schon ein paar größere Events gewonnen, meistens in Deutschland. Mein größter persönlicher Erfolg war meine Videoserie "In the Woods", die drei Fünf-Minuten-Filme, für jeden haben wir ein Jahr gearbeitet. Die haben eine ziemlich große Reichweite gehabt, so mit Fernsehen und Trallala. Ich habe drei Jahre lang mein eigenes Event, die "Fade Away Session", gemacht: knapp 10 000 Euro Preisgeld und die besten Fahrer aus ganz Europa. Für mich ist wichtig, dass ich nicht nur selber Contests fahre, sondern breit aufgestellt bin, überall mal reinschnuppere, alles mitmache. Das ist für mich Erfolg.

Jetzt also Munich Mash: 50 000 Leute werden erwartet, ist das etwas Besonderes?

Definitiv, wie jedes deutsche Event. Es gibt Gegenden, da fährt man auf Events und es ist nichts los, keine Stimmung. Ich habe das Gefühl, in Deutschland ist die Crowd da, die Atmosphäre ist gut und die Leute haben einfach Lust auf so ein Event. Und in München, wenn man als einziger Deutscher mitfährt, dann hoffe ich, halten die Leute einfach zu einem. Ich bin schon mal bei einem Event im Olympiapark gefahren, da ist die Stimmung immer cool.

In diesem Jahr sind die Mountainbiker für das Spektakel zuständig. Was ist Ihr Ziel?

Ich will mit meiner Leistung zufrieden sein. Klar, das erste Ziel ist das Finale, und dann unter die ersten Fünf zu kommen. Ich will natürlich auch heil wieder nach Hause kommen, ich habe noch ein paar Sachen vor.

Sie sind zehn Jahre dabei, werden 26 . . .

. . . ein alter Mann . . .

. . . na ja, trotzdem die Frage: Sie werden nicht die nächsten 20 Jahre kopfüber durch die Luft segeln - schon mal darüber nachgedacht, was danach kommt?

Ja, allein schon, weil das die am meisten gestellte Frage ist. Danach werde ich pro Woche ungefähr fünfmal gefragt. Aber eine direkte Antwort kann ich trotzdem nicht geben. Wenn man selbst noch aktiv ist, hat man gar nicht die Zeit, Sachen auszuprobieren, die im Nachhinein cool wären. Aber ich strecke natürlich meine Fühler aus, überlege und habe auch erste Angebote bekommen. Ich weiß, dass ich das wettkampfmäßig nicht mehr viele Jahre machen kann oder möchte. Die Interessen verschieben sich ja auch mit dem Alter. Bei mir ist es so, dass ich eine lange und enge Zusammenarbeit mit meinen Sponsoren habe, da gibt es dann schon die Möglichkeit, in den Firmen etwas anzufangen. Das ist schon ganz cool, aber noch ist es nicht vorbei.

Na dann viel Glück. Oder was sagt man bei den Dirt-Bikern: Hals- und Beinbruch?

Oh, ich glaube, das trifft es am besten, aber einen wirklich coolen Spruch haben wir nicht. Da müssen wir dran arbeiten.

Bisher erschienen: Skateboarder Denny Pham (12.6.), BMX-Fahrer Daniel Tünte (19.6.)

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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