Fußball-Landesliga:Zurück zu den Wurzeln

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Beobachter zweier Welten: Gediminas Sugzda hat künftig die Nationalelf Italiens ebenso im Blick wie den Landesliga-Primus Karlsfeld. (Foto: Lackovic/Imago)

Hallbergmoos-Coach Gediminas Sugzda erlernte in Litauen das Fußballspielen, kickte bei Lokomotive Moskau - und wird nun Co-Trainer der Nationalelf seines Heimatlandes.

Von Stefan Galler, Hallbergmoos

In den letzten Wochen habe er sich jede Menge Spiele "reingezogen", sagt Gediminas Sugzda, schließlich gehört es zu den ureigensten Aufgaben eines Co-Trainers im Fußball, für den Chef kommende Gegner zu studieren. In Sugzdas Fall ist das Valdas Urbonas, seit zwei Jahren verantwortlich für die A-Nationalelf Litauens. "Ich habe mit ihm studiert, wir kannten uns seit Jahren", erzählt Sugzda. Als der bisherige Assistent Arminas Narbekovas (Ex-Profi, unter anderem bei Austria Wien) kürzlich ging, rief Urbonas beim 52-Jährigen in Hohenbrunn-Riemerling an und offerierte ihm den vakanten Job. Sugzda, der seit dem Ende seiner aktiven Laufbahn vor knapp 20 Jahren im Raum München lebt und seit Frühjahr 2019 den ambitionierten Landesligisten VfB Hallbergmoos trainiert, sagte zu. "Es ist etwas ganz Besonderes, für sein eigenes Land etwas zu tun", sagt "Gedi", wie ihn Freunde und Fußballkollegen nennen. Seinen litauischen Pass hat er nie abgegeben.

Und so seziert er neben der Aufgabe in Hallbergmoos nun Videos von den Auswahlen der Schweiz und Italiens, Litauens ersten Gegnern in der WM-Qualifikation für Katar 2022: "Gegen die haben wir nichts zu verlieren." Nordirland und Bulgarien seien "eher unsere Kragenweite", sagt der neue Co-Trainer. "Da können wir womöglich punkten, auf alle Fälle werden wir viel Erfahrung mitnehmen." Litauens Team habe keine Stars, aber viele "gute Jungs". Präsent sein wird Sugzda nur an "fünf Slots im Jahr", wenn sich die Auswahl für je zehn Tage zu Länderspielen trifft.

Die Zeiten haben sich geändert, heute ist es kein Problem, Spieler auf der ganzen Welt im Fokus zu behalten. Das war zu Sugzdas aktiver Zeit anders. Weil er seine beste Phase als Profi fern der Heimat bei Rot-Weiß Erfurt verbrachte, blieb die eigene Nationalmannschaftskarriere überschaubar. Das einzige Pflichtspiel für Litauen bestritt er 1998 in der EM-Qualifikation gegen Schottland (0:0). Das sei aber nicht sein Debüt gewesen, stellt Sugzda klar: 1990 wirkte er im ersten Spiel nach der litauischen Unabhängigkeit mit. Und "Gedi" erinnert sich genau daran: "Vor 40 000 Zuschauern in Tiflis gegen Georgien, ein tolles Spiel in freundschaftlicher Atmosphäre, Endstand 2:2."

Beim Baltic-Cup 1990 trifft Sugzda 13 Mal - in Moskau ereilt ihn eine heftige Knieverletzung

1968 in Telsiai geboren, startete Sugzda seine Karriere beim bekanntesten litauischen Klub Zalgiris Vilnius. Mit 17 debütierte er in der obersten sowjetischen Liga, wo Vilnius zwischen Dynamo Kiew, Spartak oder ZSKA Moskau ein kleiner Außenseiter war. "Zu den Auswärtsspielen hatte man in dem riesigen Land nicht selten über 1000 Kilometer Anreise." Als Underdog qualifizierte sich Zalgiris damals für den Uefa-Cup, gewann 1990 die erste Auflage des "Baltic Cups", an dem vorwiegend Teams aus Litauen, Lettland und Estland teilnahmen. Sugzda steuerte 13 Tore zum Turniersieg bei, wechselte zu Lokomotive Moskau, weil er ins Ausland wollte, aber solche Transfers damals nur über die Hauptstadtklubs abgewickelt wurden. Nach sieben Pflichtspielen für Lok, in denen ihm zwei Treffer gelangen, ging Sugzda nach Deutschland. Seine Frau war bereits zum Studieren nach Frankfurt gezogen.

Doch Sugzda konnte seinem Beruf wegen einer schweren Knieverletzung, die er aus Moskau mitgebracht hatte, nicht nachgehen. Nach zwei Operationen und drei Jahren Pause hatte er mit Fußball abgeschlossen. Er hatte nur ein Touristenvisum, auch seine Frau durfte als Studentin nicht ewig bleiben. Das Kapitel Deutschland stand vor dem Ende - als er sich nach erfolglosen Probetrainings bei FSV und Rot-Weiß Frankfurt einem Verbandsligateam in der Nähe anschloss. Von dort holte ihn Zweitligist Jena 1995 für das Mittelfeld. "Das war nicht meine Position, ich habe davor immer Rechtsaußen oder Mittelstürmer gespielt,", erklärt er, weshalb er sich auch nicht durchsetzen konnte. Dazu kam dann ein Wadenbeinbruch. Danach aber lief es in Erfurt endlich rund für ihn, nach fünf erfolgreichen Jahren kehrte er zu Jena zurück und ließ dort die aktive Karriere ausklingen.

An der Münchner Fußballschule bildet er Talente aus. Deren Chefs lernte er bei einem U11-Spiel kennen, bei dem sich Eltern prügelten

Anschließend siedelte sich Sugzda mit Frau und zwei Kindern in Aying bei München an, er gründete eine eigene Fußballschule, die später in der Münchner Fußballschule von David Niedermeier und Michael Schuppke aufging. Bei einem U11-Spiel zwischen Sparta Prag und Austria Wien, das in einer Massenschlägerei der Eltern endete, waren sie sich erstmals begegnet. "Dadurch sind wir ins Gespräch gekommen", erinnert sich Sugzda.

Parallel trieb er seine Amateurtrainerkarriere voran: Mit dem TSV Ottobrunn stieg er als Spielertrainer in die Bezirksoberliga auf, es folgten die Stationen TSV Weilheim, SC Baldham-Vaterstetten (2008 bis 2013, zweimaliger Aufstieg) und TuS Holzkirchen (2014 bis 2018, Aufstieg in die Bayernliga). Jetzt ist Sugzda drauf und dran, auch die Hallbergmooser in die seit langem angestrebte Bayernliga zu führen. Am liebsten auf sportlichem Weg, doch die Fortsetzung der Saison ist wegen Corona ungewiss. Sollte die Liga abgebrochen werden, hätte der VfB gute Chancen auf den Aufstieg, weil er als Tabellenzweiter einen besseren Punktequotienten aufweist als Spitzenreiter Karlsfeld.

Für Anselm Küchle, Sportchef in Hallbergmoos, ist der Litauer ein Glücksfall: "Gedi ist ein absolut glaubwürdiger Typ, der es schafft, die Mannschaft zusammenzuhalten." Er strahle Ruhe und Gelassenheit aus, auch in stressigen Situationen. "Mit seiner nordischen Art und seinem trockenen Humor kommt er bei den Jungs gut an."

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