EHC München:Leitendes Arbeitstier

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„Ich weiß, wo ich mein Geld verdiene“: Jason Jaffray geht gerne dahin, wo es wehtut. Also direkt vor das Tor des Gegners. Vorteil: Man kann dort auch mal Schüsse abfälschen, die man eigentlich gar nicht gesehen hat. (Foto: Markus Fischer/imago)

Jason Jaffrays Karriere schien bereits am Ende. Nun büffelt der 38-Jährige wieder übers Eis und führt den EHC mit eineinhalb Toren zum 2:1 in Köln.

Von Christian Bernhard, München

Fehlenden Einsatz kann man Jason Jaffray nicht vorwerfen. "Der ackert sich zu Tode", sagt Danny aus den Birken, Torhüter des EHC Red Bull München, über seinen Teamkollegen. Auch die größte Anstrengung kann manchmal aber nicht verhindern, dass es nicht nach Wunsch läuft. Zuletzt wirkte der Stürmer glücklos. Er ackerte und ackerte, wurde dafür aber nicht belohnt.

Dass es sich gerade in so einer Phase rentiert, einfach weiterzumachen und kein bisschen weniger zu investieren, machte Jaffray am Sonntagabend deutlich. Da lagen die Münchner in Köln - wieder einmal - zurück und waren ein Drittel lang überhaupt nicht in der Partie. Doch zwei Überzahlspiele reichten dem Tabellenführer der Deutschen Eishockey Liga (DEL), um den bemitleidenswerten Haien die 13. Niederlage in Serie zu bereiten. Und schuld daran war Jaffray - einmal sogar ohne eigentlich zu wissen, wie.

Die 29. Minute: Konrad Abeltshauser zieht von der Blauen Linie ab, die Scheibe saust durch die Beine von Haie-Torhüter Gustaf Wesslau ins Tor. Die Statistiker der DEL schreiben Abeltshauser den Treffer zu. Wenige Augenblicke später aber sitzt Jaffray auf der Münchner Bank und klärt im Pausen-Interview mit Magenta Sport darüber auf, dass er den Puck als Letzter berührt habe. Damit brüsten wollte er sich nicht, er habe den Schuss "nicht einmal gesehen". Aber er sei "definitiv" mit seinem Schläger dran gewesen.

Nun denn. "Wir hatten eine Chance und haben diese genutzt", sagte Jaffray. "Das ist es, was ein gutes Powerplay auszeichnet." Auch Jaffrays zweiter (oder eineinhalbter?) Treffer war das Resultat eines Spielzugs in Überzahl. Die Münchner bewegten die Scheibe zügig und präzise, Chris Bourque passte sie durch seine Beine zu Mark Voakes, der sie hart vors Tor brachte, wo Jaffray nur noch seinen Schläger hinhalten musste (50.), eindeutig und für alle sichtbar. "Unser Überzahlspiel läuft seit Wochen gut", sagte er. Dass Jaffray beide Treffer im Slot, also direkt vor dem gegnerischen Tor, erzielte, war kein Zufall. Dort hält er sich am liebsten auf, obwohl oder vielleicht gerade weil es dort am rauesten zugeht und die gegnerischen Abwehrspieler das Revier vor dem eigenen Torhüter ziemlich unsanft verteidigen. Er genieße es, genau dort zu spielen, wo es weh tue und viele erst gar nicht hingehen, sagt Jaffray: "Ich weiß, wo ich mein Geld verdiene."

Nach seiner Hüft-OP arbeitete Jaffray monatelang mit Spielern, die seine Söhne sein könnten

Der Arbeiter Jaffray, der mit seiner Körperhaltung immer ein wenig an einen Büffel erinnert, steht stellvertretend für den EHC in seiner aktuellen Verfassung. Beide büffelten sich zuletzt immer wieder mal irgendwie durch und kamen ihrem Ziel, Platz eins nach der Hauptrunde, so näher. Der Vorsprung auf die zweitplatzierten Adler Mannheim wuchs vor dem nächsten Spiel, das erst nach der Länderspielpause am 14. Februar in Iserlohn stattfindet, wieder auf sechs Punkte an.

Trainer Don Jackson, der in Köln aus privaten Gründen fehlte, ist seit jeher ein Bewunderer des "Arbeitspferdes", wie er Jaffray nennt. Regelmäßig preist er die Führungsqualitäten des Kanadiers und dessen Einstellung. Jaffray gibt nie auf. Er komplettiere jede Angriffsreihe, sagt Jackson: Egal wem er ihm an die Seite stelle - es funktioniere. In den vergangenen Partien ging Jaffray als Mittelstürmer zwischen dem explosiven Yasin Ehliz und Philip Gogulla aufs Eis, da deren etatmäßiger Center Patrick Hager verletzt fehlte. In Hagers Abwesenheit trug Jaffray auch das "C" des Kapitäns auf der Brust. Damit konnte vor einigen Monaten niemand rechnen. Eine Operation an der Hüfte und eine monatelange Rehabilitation in der Red-Bull-Akademie im österreichischen Liefering ließen die Frage aufkommen, ob Jaffray, 38, überhaupt noch einmal Profi-Eishockey spielen würde. Ohne seine Familie, die nach Kanada zurückgegangen war, teilte er den Alltag mit Nachwuchsspielern, die seine Söhne sein könnten. Zur Ersatzfamilie wurde sein Physiotherapeut, der mit ihm in die Berge ging und ihn zu sich nach Hause einlud. Vier Monate ging das so. Nicht nur physisch sei das sehr herausfordernd gewesen, erzählte er, auch mental und emotional. Ende November wurde er für seine Anstrengungen belohnt: Seit seiner Rückkehr hat er kein Spiel verpasst. Teamkollege Voakes forderte nach dem erneut verschlafenen Startdrittel in Köln, die Mannschaft müsse "mental etwas härter" werden. "Wir sind nicht perfekt", sagte er, "aber wir arbeiten daran." Vorarbeiter Jaffray weiß am besten, dass sich Mühen und Anstrengungen irgendwann auszahlen.

© SZ vom 04.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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