DEL2:Teambildende Maßnahmen

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„Wissen, was auf dem Spiel steht“: Doppel-Torschütze Casey Borer (2.v.l. mit Lubor Dibelka, Jordan Hickmott, Florian Kraus), vorerst erleichtert. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Tölzer Löwen verkürzen in der Relegationsrunde gegen Freiburg auf 2:3, der Trainer zieht personelle Konsequenzen.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz

Scott Beattie hat einen speziellen Trick. Der Trainer der Tölzer Löwen kann Spieler aus einer laufenden Partie heraus verschwinden lassen. Simsalabim - und weg. Beattie beherrscht diesen Trick schon recht gut. Tyler Gron etwa war am Dienstag beim 4:3 gegen die Wölfe Freiburg im letzten Drittel nicht mehr auf dem Eis. Verschwunden. Weg. Einfach so.

"Sie werden Gron schon ab Mitte des zweiten Drittels nicht mehr gesehen haben", antwortete Beattie auf die Frage nach dem Verbleib des Stürmers. Unklar war zunächst, ob aus ihm ein stolzer Zauberkünstler sprach oder ein strenger Eishockeylehrer. Wer genau hinsah, konnte Gron schon noch entdecken: ganz am Ende der Wechselbank, dort, wo die Spieler stehen, die selten bis gar nicht zum Einsatz kommen. Nur bei Tölzer Überzahl durfte der Deutschkanadier noch mitspielen.

Gron ist Stürmer, extra für die Abstiegsrunde der DEL 2 nachverpflichtet. In den vergangenen beiden Spielzeiten in Heilbronn, Frankfurt und Kassel überzeugte der 29-Jährige mit Toren, 53 in 106 Einsätzen, im Schnitt ein Treffer alle zwei Partien. Im Januar aber trennten sich die Kassel Huskies von Gron, aus disziplinarischen Gründen, wie sie recht unverblümt wissen ließen ("hat zuletzt die Erwartungen, die wir an ihn hatten, in vielen Punkten nicht erfüllt"). Die Löwen griffen zu, zumal sie im Januar ihren Trainer tauschten - Beattie ersetzte Markus Berwanger, desen Defensivstil in der Mannschaft nicht mehr gut gelitten war - und versprachen sich von Gron Tore für den Klassenerhalt. In den ersten zehn Partien erzielte er tatsächlich sieben Treffer, die aber den Gang in die Abstiegsrunde nicht mehr aufhalten konnten. Grons Bilanz nach fünf Relegationsspielen gegen Freiburg: null Tore, acht Strafminuten.

Es waren vor allem die Strafminuten sieben und acht, die seinen Trainer Scott Beattie zur Trickkiste greifen ließen. Gron hatte sich Mitte des zweiten Drittels zu einem ebenso offensichtlichen wie überflüssigen Revanchefoul hinreißen lassen. Zu diesem Zeitpunkt stand es 2:2, das Spiel stand auf der Kippe. "Das war egoistisch von ihm", sagte Beattie. "Wir haben den Luxus, dass noch andere auf der Bank sitzen, die auch Schlittschuhlaufen können." Deshalb nahm er Gron aus dem Spiel.

Dessen Job übernahmen am Dienstag andere. Der etatmäßige Torjäger saß gerade 30 Sekunden auf der Strafbank, als gleich drei Tölzer in Unterzahl zu einem Alles-oder-nichts-Konter starteten, den Casey Borer mit dem 3:2 (34.) abschloss. Es war der zweite Treffer des Amerikaners an diesem Abend nach seinem Schlagschuss zum 2:1 (17.) im Powerplay. Borer, 33, ist übrigens Verteidiger. "Es fühlt sich großartig an, einen Beitrag zu leisten", sagte der ehemalige DEL-Profi (Berlin, Nürnberg).

Das frühe 1:0 nach nur 43 Sekunden und das entscheidende 4:2 (37.) gingen auf das Konto von Stephen MacAulay, Kanadier, Stürmer und gewissermaßen ein Vorbild für Gron. MacAulay, 26, arbeitet seit Saisonbeginn im Dienst der Mannschaft, treibt an, blockt Schüsse, rennt und kämpft - und ist mit 64 Punkten in 56 Spielen zudem ihr bester Scorer.

Dass es gegen die biederen Wölfe aus Freiburg, die nun am Freitag mit einer 3:2-Führung in das sechste Spiel der Best-of-Seven-Serie gehen, dennoch wieder enger war als nötig, lag einerseits an der Tölzer Verschwendungssucht in der Offensive. "Wir hatten 43 Schüsse", sagte Beattie - der Trainer hatte extra noch einmal in die Statistik geschaut - "43!" Aber die Löwen ließen die Gäste wie schon am Sonntag nach einer 3:1-Führung immer wieder ins Spiel kommen. "Sie haben es auch gut gemacht, viele Rebounds geholt und die Scheibe immer wieder über die Ecken raus geschossen", sagte Borer, der Verteidiger, der nun fast klang wie ein Anwalt des Teams: "Wir wissen, was auf dem Spiel steht" - verlieren die Löwen, bleibt gegen Deggendorf die allerletzte Chance auf den Klassenerhalt. Aber so leicht ließ Beattie seine Mannschaft nicht davonkommen.

"Im ersten Drittel waren wir sehr, sehr gut, im zweiten ging es hin und her, und im letzten sind wir ein bisschen zusammengebrochen", sagte der Trainer, der eher wie ein Ankläger klang. Vor allem im zweiten Drittel sei die Mannschaft "zu viel Risiko" eingegangen. Das habe "nichts mit den Nerven zu tun", sondern mit fehlender Teamidentität: "Was wollen wir? Wir können ein defensives Team sein, das es dem Gegner schwer macht. Aber ich bin erst seit sechs Wochen hier. Sechs Wochen sind nicht genug, um eine Teamidentität zu schaffen." Zaubern, das wollte er damit sagen, kann er nicht. Aber Zeichen setzen. Mal einen vermeintlichen Leistungsträger vom Eis verschwinden lassen. Manchmal sagt so ein Trick ja mehr als viele Worte.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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