Die Botschaft lässt an Klarheit nichts vermissen: "Wir strampeln uns ab - Kirche, bewegst du dich auch?" Unter dieses Motto stellen Betroffene sexuellen Missbrauchs eine sehr spezielle Pilgerfahrt: Sie radeln am 8. September von München aus nach Rom, wo sie Papst Franziskus am 21. September zu einer Audienz empfängt. Initiatoren der Tour sind Dietmar Achleitner, Mitglied des Betroffenenbeirats der Erzdiözese München und Freising, und Robert Köhler von der Initiative "Wir-wissen-Bescheid.de". Der 58-Jährige erzählt im Gespräch, was hinter ihrer Idee steckt.
SZ: Herr Köhler, Missbrauchsbetroffene pilgern auf dem Rad nach Rom. Was versprechen Sie sich von der Reise?
Robert Köhler: Die Idee kommt erstmal von Dietmar Achleitner, der über 80 ist und gesagt hat, der Missbrauch hat mein langes Leben so geprägt, das möchte ich auch mal dahin tragen, nach Rom, zum Papst. Und er radelt einfach gern. Viele werden vielleicht mit dem Kopf schütteln und uns zu viel Nähe zur Kirche vorwerfen. Jeder, der sich engagiert in dem Umfeld, hat seine berechtigte Rolle, ob er nun protestiert, Forderungen aufstellt, für höhere Geldzahlungen eintritt oder nach Rom radelt, um ein paar Ideen vorzustellen.
Glauben Sie wirklich, dass diese Unternehmung der offiziellen Kirche eine Reaktion abringt?
Wahrscheinlich nicht. Wir machen das aber auch für uns. Jeder Betroffene hat seine eigenen Vorstellungen, was ihm oder der Aufarbeitung insgesamt gut tut. Wir wollen auf dem Weg mit den Gemeinden, in denen wir Station machen, das Gespräch suchen und darüber sprechen, was die katholische Kirche eigentlich gemacht hat an Missbrauchsaufarbeitung. Insgesamt sind es 13 Etappen, zwischen 47 und 95 Kilometer lang.
Sportliche Angelegenheit - Tagesstrecken mit 95 Kilometern.
Stimmt. Es gibt auch die Möglichkeit, aufs E-Bike umzusteigen. Außerdem steht ein Begleitfahrzeug für die Tour zur Verfügung. Sollte sich jemand überfordert fühlen, kann er umsteigen. Die Tour wird übrigens finanziell und organisatorisch von der Erzdiözese München und Freising unterstützt, wofür wir dankbar sind.
Wer sexuellen Missbrauch erlebt hat, sucht in der Regel nicht das Licht der Öffentlichkeit. Wie zuversichtlich sind Sie, überhaupt ausreichend viele Menschen zu finden, die sich mit Ihnen auf den Weg machen?
Klar, das erfordert auch Mut. Aber ein gewisser Schutz ist auch für die da, die nicht so aktiv auftreten wollen, weil sich unter anderem auch Angehörige anschließen können oder Menschen, die sich solidarisch mit den Betroffenen zeigen. Der andere Punkt ist, sich nicht zu verstecken.
Ist die bloße Verabredung mit dem Pontifex an der Zieleinfahrt schon ein Erfolg?
Vermutlich verändert das Treffen nicht wirklich etwas. In der hierarchischen katholischen Kirche hat es jedoch einen Wert, wenn man mit seiner Idee bis zum Chef gekommen ist und er sie zur Kenntnis nimmt. Ich werde Papst Franziskus auf jeden Fall sagen, dass seine Absage zum Synodalen Weg letzte Woche ein großer Fehler ist, weil sie engagierte Christen vor den Kopf stößt. Die Gesellschaft in Deutschland wird dies nicht tolerieren und die Privilegien der katholischen Kirche in den nächsten 20 Jahren abschaffen.
Interessierte können sich zur Radpilgerreise nach Rom bis Sonntag, 7. August, anmelden bei veranstaltung@eomuc.de oder radreise@wir-wissen-bescheid-de. Nähere Informationen unter www.erzbistum-muenchen.de/radpilgerreise.