Sex-Sklavin:Polizei sucht das Schreckenshaus

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Noch immer ist unklar, wo genau die Chinesin eineinhalb Jahre als Sex-Sklavin gequält wurde. Die Polizei folgt nun acht Hinweisen.

Susi Wimmer

"Acht Häuser", sagt Polizeisprecher Gottfried Schlicht. Acht Häuser, die die Polizei überprüfen wird. Mehr Hinweise seien bislang nicht eingegangen. Dabei setzt die Kripo ihre ganze Hoffnung auf das Auffinden des Anwesens, in dem eine 38-jährige Chinesin eineinhalb Jahre lang gefangen gehalten und zur Prostitution gezwungen wurde. Dass die Täter sich noch in dem Haus aufhalten, hält die Polizei für unwahrscheinlich. Aber die Spuren, die sie dort hinterlassen haben, könnten ihnen zum Verhängnis werden.

In einem cremefarbenen Haus mit verwildertem Garten und dunklem Zaun wurde die Chinesin über eineinhalb Jahre als Sex-Sklavin gehalten. Die Polizei folgt nun acht verschiedenen Hinweisen. (Foto: Foto: Polizei)

Ralph Irlbauer hat schon einige Geschichten gehört über Frauen, die geschlagen und zur Prostitution gezwungen wurden. Der Polizeihauptkommissar ist Leiter des Kommissariats zur Bekämpfung der Zuhälterei. 17 Fälle von Menschenhandel verfolgten seine Leute 2008.

Hauptsächlich seien Frauen aus Osteuropa betroffen, die nach Deutschland gebracht werden oder selbst einreisen, und die meist von Landsleuten gezwungen werden, als Prostituierte zu arbeiten. "Die Frauen haben kein Geld, sprechen unsere Sprache nicht und werden massiv bedroht", erzählt Irlbauer. Dadurch fühlen sie sich den Zuhältern ausgeliefert. Ein derart brutaler Fall wie der der verschleppten Chinesin sei ihm bislang aber noch nie untergekommen.

"Erst einmal völlig zerstört"

Die Asylbewerberin war erst kurze Zeit in München, als sie am 13. März 2007 vor dem Heim an der Baierbrunner Straße von einem etwa 40-jährigen Chinesen aus dem Auto heraus angesprochen wurde. Der Mann erzählte ihr, er könne ihr eine seriöse Arbeit vermitteln. Die Chinesin stieg ein. Geschätzte 30 bis 60 Minuten ging die Fahrt bis zu einem cremefarbenen Haus mit verwildertem Garten, dunklem Zaun, davor eine schwarze und eine gelbe Mülltonne.

Dieses Haus sollte die Frau eineinhalb Jahre nicht mehr verlassen. Schlimmer noch: Sie wurde in einem winzigen Dachzimmer gefangen gehalten, regelmäßig von ihrem Entführer geschlagen und zur Prostitution gezwungen. Im August 2008 gelang ihr die Flucht. Erst nach Monaten war sie in der Lage, über das Geschehene zu sprechen. Sie sei "seelisch und körperlich traumatisiert", so Irlbauer.

"Frauen, die derartiges erlebt haben, sind erst einmal völlig zerstört", sagt Anni Kammerlander, Geschäftsführerin von Refugio, dem Behandlungszentrum für Flüchtlinge. In ihrer Gefangenschaft seien sie in einer permanenten Angstsituation gefangen, "das Gefühl, völlig hilflos zu sein, ist einschneidend." Die Opfer glauben, verrückt zu werden, sie verlieren Zeit- und Raumgefühl, verfallen auch körperlich mangels Bewegung.

"Ich habe mich wie eine Hülle gefühlt", erzählte die Chinesin. Eine "Bewältigungsmöglichkeit des Körpers", sagt Kammerlander: Der Geist steigt aus. Viele Opfer erzählten, dass sie das Gefühl hatten, nicht mehr in ihrem Körper zu sein, sondern "von außen zuzuschauen", eine Art Abspaltung der Ereignisse.

"Nur sehr langsam", sagt Kammerlander, könnten sich die Opfer erholen. In psychologischer Behandlung würden sie lernen, Vertrauen zu Menschen aufzubauen. Was lange bleiben könne, seien Alpträume und ein Dauerüberreizung des Körpers, der quasi eine permanente Gefahrensituation vorspiele.

Die Opfer empfänden sich als verändert und würden durch Situationen, Gerüche oder Personen an die Horrorsituation erinnert und gerieten in Panik. "Es ist die Frage, inwieweit man der Frau Normalität und Sicherheit geben kann", sagt Kammerlander. Und ob die Chinesin befürchten muss, dass "die mich wieder einfangen."

Letzteres ist wohl auch ein Grund, warum Ralph Irlbauer das Haus im Münchner Umland unbedingt finden will. Ein Haus, in dem vermutlich mehrere Frauen gefangen gehalten wurden, in dem permanent Freier, hauptsächlich Asiaten, aus- und eingingen. "Daran müssten sich doch die Nachbarn erinnern."

© SZ vom 15.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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