Sendling-Westpark/Nymphenburg:Schönes im Neuen

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Kunst in Wohnanlagen - ein sinnlicher Parcours

Von Nicole Graner, Sendling-Westpark/Nymphenburg

Schöne Frauen in knappen Höschen - manchmal auch nackt - posierten auf den Wiesen des Schlossparks, posierten auf Kutschen, auf dem harten Gestein des Fontänen-Brunnens. Sie nannten sich Amazonen. Für eine Nacht. Im Nymphenburger Schloss fanden Bälle der Nationalsozialisten statt. Ein Thema, mit dem sich der Künstler Cyrill Lachauer in seinem Kunst-am-Bau-Projekt auseinander setzt. Er ist einer von acht Künstlern, die bei dem Wettbewerb "Aktuelle Kunst in Münchner Wohnanlagen am Westpark und im Schlossviertel Nymphenburg" mitmachten und ihre aus 30 eingereichten Arbeiten ausgewählten Vorschläge in die Wirklichkeit umsetzen konnten. Der 1979 in Rosenheim geborene Lachauer sucht die Kontroverse. Er will polarisieren und Anstoß geben für einen Diskurs, der Teil der Geschichte des Viertels wurde. Grundlage für seine Bronzeskulptur "White skin - Black mask/Black skin - White mask" an der Hertastraße ist das Buch von Frantz Fanon "Schwarze Haut, weiße Masken" aus dem Jahr 1952, das das andauernde Problem des Rassismus' thematisiert. Seine Bronze-Puppe ist eine "Negerpuppe", mit der er selbst als Kind spielte. Die europäischen Gesichtszüge wurden geschwärzt und damit in ein Blackface verwandelt. Das Gesicht seiner Skulptur macht das deutlich: Auf die hell patinierte Bronze ist eine dunklere Patinierung gelegt. "Heute", schreibt er, "steht Europa vor einem der größten Flüchtlingsprobleme der Geschichte (...). Deswegen habe ich mich entschieden, eine Skulptur vorzuschlagen, die Anstoß zum Diskurs über die eigene Geschichte, Verortung und Verantwortung entfacht."

Ein übergroßer Papierflieger aus Aluminium steckt mit der Spitze in der Wiese in der Wohnanlage am Westpark (Faberstraße). Die Arbeit von Clea Stracke und Verena Seibt suggeriert: Angekommen. Eine Art Raumstation schwebt über den Köpfen der Anwohner. Matthias Numbergers "Birds in Space" bietet in jenem Raumschiff Platz für die heimischen Singvögel. Und es symbolisiert die Kraft des Träumens. Zu sehen sind außerdem die Arbeiten von Anja Buchheister ("Embedded Shadows"), Thomas Silberhorn ("Community Display"), Mitra Wakil/Fabian Hesse ("Westpark Cloud"), Heike Jobst ("Open door") und Leonie Felle ("Tapetenwechsel". Ein Spaziergang durch beide Wohnanlagen wird also zu einem kunstvollen Erlebnis. Eines, das dauerhaft ist. Denn die Kunstobjekte bleiben. Und sie zeigen nicht nur, wie vielseitig und wandelbar die junge Generation der Münchner Künstler ist. Sondern auch, dass Kunst durchaus verschönt - wenn sie sinnvoll und voller Sinn ist.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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