Theaterprojekt zur Panzerwiese:Eine Heide, viele Geschichten

Lesezeit: 2 min

Die Panzerwiese im Norden Münchens hat eine wechselvolle Geschichte. Heute ist sie Naturschutzgebiet. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Was passiert, wenn die Natur zum Hauptdarsteller wird? In "Panzer Wiese" im Schwere Reiter wird das ausprobiert.

Von Yvonne Poppek

Am 30. April 1945 marschierten die US-Truppen in München ein. Ein letztes Gefecht gab es im Norden der Stadt auf der Panzerwiese, die Deutschen setzten Flakgeschütze ein, der Boden war teils vermint. Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhren auf der etwa 200 Hektar großen Heidefläche immer noch Panzer, diesmal zu militärischen Übungszwecken. 1994 kaufte die Stadt München das Gelände, ursprünglich gedacht als Bauland. Daraus wurde nur zum Teil etwas, heute steht die Panzerwiese zusammen mit dem Hartelholz unter Naturschutz, um unter anderem "die landesweit bedeutsamen Lebensgemeinschaften der Grasheiden, lichten Eichen-Kiefernwälder, wärmeliebenden Waldsäume und Waldlichtungen mit ihren typischen, seltenen oder gefährdeten Pflanzen- und Tierarten in ihrem Lebensraum zu erhalten, zu fördern und zu vernetzen". Was für ein Ort also dort oben im Münchner Norden!

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So ähnlich muss das auch das "Netzwerk Münchner Theatertexter*innen" (NMT) gesehen haben. Der Heidefläche haben sie nämlich einen kompletten Theaterabend gewidmet. "Panzer Wiese" heißt er, am 8. November ist Premiere im Schwere Reiter. Regie führt Verena Regensburger, die ihre Laufbahn in der Münchner Theaterlandschaft begann und nun unter anderem die Künstlerische Leiterin der Freien Bühne München ist. Es steckt also viel München in diesem Abend - aber vor allem auch: viel Natur.

Die Natur sollte die Protagonistin eines Theaterabends sein, sagt Regensburger. Das NMT, das von der Stadt München eine dreijährige Optionsförderung in Höhe von knapp 100 000 Euro erhält, startete mit dieser Grundidee und entwickelte sie weiter, wählte einen Münchner Flecken Natur, der sich dafür eignen würde. Und das Netzwerk suchte sich eine Regisseurin, die zu dem Projekt passt - Regensburger eben. Vor einem Jahr nahmen die Autorinnen und Autoren Katrin Diehl, Jan Geiger, Denijen Pauljević, Theresa Seraphin und Rinus Silzl sowie die Regisseurin die Arbeit auf.

Fünf Autorinnen und Autoren nahmen vor einem Jahr die Arbeit auf: Jan Geiger, Katrin Diehl, Denijen Pauljević, Theresa Seraphin und Rinus Silzl (v.li.). (Foto: Priscillia Grubo)

Wer jemals gemeinsam mit jemand anderem an einem Text geschrieben hat, weiß, dass eine solche kollektive Arbeit nicht zwingend einfach ist. Knapp 40 Seiten umfasst ein Jahr später nun der Text, er ist die Essenz aus vielem: aus fünf Auseinandersetzungen mit der Panzerwiese. Aus fünf literarischen Entwürfen für diesen Abend, aus vielen Arbeitstreffen, aus Übereinanderlegen, Ergänzen, Zusammenführen und ganz viel Weglassen. Es gibt lyrische Passagen, Dialoge, epische Stellen. "Panzer Wiese" ist Vielklang, aber auch eine zusammenhängende Komposition.

Dem Ort nähern sich die Autoren aus verschiedenen Blickwinkeln. So gibt es die Krähen, die von oben auf die Heide schauen, die für sie Lebensort, Brutstätte, Versorger ist. Eine Allergikerin taucht auf, die hinter ihrem Pollengitter hoch über der Heide Schutz sucht. Historisches ist eingebunden in einem kuriosen Dialog, wie man denn am besten durch dieses Naturschutzgebiet kommt und ob da wohl noch etwas hochgehen könne. Bäume, bedrohte Tiere wie Kröte und Ödlandschrecke, Menschen, sie alle haben Stimmen in diesem Spiel.

Maj-Britt Klenke, Dita Scholl und Noemi Clerc (v.l.) interpretieren den Text auf der Bühne auf ihre sehr unterschiedliche Art. (Foto: Marie Häusner)

Was Regensburger nun nicht machen möchte, ist, die Natur auf der Bühne realistisch abbilden. Sprich: Es wird keine Wiese oder von Schauspielern lebensnah imitierte Kröten geben, das würde dem Text auch entgegenstehen. Regensburger schlägt den Weg der Reduktion ein, "wohltuend für den Text". Und sie setzt auf Abstraktion und Überhöhung. Dafür gibt es eine karge Bühnenlandschaft von Marie Häusner, die aus gespannten Segeltüchern besteht, Live-Musik von Azhar Syed und die Performenden Noemi Clerc, Maj-Britt Klenke und Dita Scholl. Die drei seien sehr unterschiedlich in ihrer Art, sagt die Regisseurin.

"Ich nenne meine Projekte gerne Experimentierräume", sagt Regensburger. Und tatsächlich klingt viel nach einem prozesshaften Herantasten, was schon allein in dieser besonderen, kollektiven Themenentwicklung liegt. Wie dieses Experiment, dieser Natur-Theater-Trip aussieht, wird sich bald zeigen. Etwa eine Stunde soll er dauern. "Der Text ist so reich und verlangt auch vom Publikum so viel", sagt Regensburger. Überladen wollte sie sie deshalb nicht, die ohnehin so voller Geschichten steckende "Panzer Wiese".

Panzer Wiese , 8. und 9. November, 19 Uhr, Schwere Reiter, www.schwerereiter.de

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