Schulen in München:14-Jährige wird unfreiwillig zur Schulverweigerin

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Kämpft um einen Gymnasiumsplatz für ihre Tochter: Iris Schulze-Aminzada. (Foto: Florian Peljak)
  • Der Fall einer 14-Jährigen zeigt, dass ein Umzug von einem Bundesland ins andere große Schwierigkeiten in Sachen Schule mit sich bringt.
  • Vor allem wegen der Wahl von Sprachen und Zweigen ist die Auswahl schwierig.
  • Das größte Problem ist aber, dass viele Münchner Gymnasien bereits voll sind.

Von Melanie Staudinger, München

Ein paar Stunden bleiben noch, dann wird aus Anna offiziell eine Schulverweigerin. Am 30. August beginnt an ihrem alten Gymnasium in Essen der Unterricht, aber dort wohnt die 14-Jährige gar nicht mehr. Mit ihrer Mutter Iris Schulze-Aminzada ist sie längst nach München gezogen. Doch hier hat keine Schule das Mädchen bisher aufgenommen. "Egal, wo wir es probiert haben: Alle Gymnasien haben abgesagt, weil sie schon voll sind", sagt Schulze-Aminzada, die es aus beruflichen Gründen in die bayerische Landeshauptstadt zog. Von der alten Schule kann sie Anna erst abmelden, wenn sie die Anmeldung einer neuen Schule vorweisen kann. "Soll ich meine Tochter jetzt jeden Tag mit dem Flieger nach Essen schicken, bis die Behörden in München einen Platz gefunden haben?", fragt die Mutter.

Ärger mit der Schulanmeldung kennen Münchner Familien zu gut. Die einen werden aus Platzmangel von Feldmoching nach Unterschleißheim geschickt, die anderen pendeln von Trudering nach Haar oder quer durch die Stadt. Schulze-Aminzada ist nun aber schon seit einem Dreivierteljahr gefangen im bundesdeutschen Föderalismus-Dschungel.

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Das fing an mit der Fremdsprachen-Kombination, die an bayerischen Gymnasien wie selbstverständlich anders geregelt ist als in Nordrhein-Westfalen. Anna belegte erst Englisch und danach Französisch sowie gleichzeitig den musischen Zweig. In München lernen die Schüler im musischen Zweig traditionell Latein. Mehrere Jahre Schulstoff kann Anna, deren Namen auf Wunsch der Jugendlichen geändert wurde, damit sie in ihrer neuen Schule dann doch noch unbefangen starten kann, keinesfalls in ein paar Wochen Sommerferien nachholen. Auch wenn die Ferien für sie heuer acht Wochen dauern, weil im Ruhrgebiet die Ferien 14 Tage eher starten als in Bayern.

Da der musische Zweig ausfiel, suchten Mutter und Tochter eine Alternative. "Wir erfuhren, dass es sozialwissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche, naturwissenschaftlich-mathematische und sprachwissenschaftliche Gymnasien gibt", berichtet Schulze-Aminzada. Sie quälten sich durch die Münchner Gymnasiallandschaft, wägten Vor- und Nachteile ab - und entschieden sich für die sprachliche Richtung. Doch dafür fehlten die Spanischkenntnisse.

Während in Bayern die Kinder von der achten Klasse in Spanisch unterrichtet würden, stehe das Fach in NRW erst von der zehnten Klasse an auf dem Stundenplan. Anna geht in die achte Klasse. Kein Problem, dachte sich die Mutter. Soll die Tochter vor dem Umzug nach München eben in Essen vorübergehend bei den Zehntklässlern mitlernen. Da aber waren die dortigen Behörden strikt dagegen: Spanisch gebe es nur für Oberstufenschüler, und eine Achtklässlerin sei nun mal in der Mittelstufe. Entnervt meldete Schulze-Aminzada Anna in einer Privatschule an, Hürde überwunden.

Erst Adresse, dann Schule

In München startete sie derweil die Schulsuche. Doch dort erwartete man eine gültige Münchner Adresse, weil die Plätze nach Entfernung vom Wohnort zur Schule vergeben werden. "Wir wollten eigentlich erst eine Schule haben und dann in die Nähe ziehen", sagt Schulze-Aminzada. Dann eben anders herum. Die Wohnung fanden sie in Altperlach. Eine schlechte Wahl, wie sich herausstellen sollte: Denn die am nächsten gelegenen Schulen sind das seit seinem Bestehen so begehrte und daher hoffnungslos überbuchte Gymnasium Trudering (das noch im Mai absagte) und das Heinrich-Heine-Gymnasium. Das teilte Ende Juli mit, alle Klassen seien belegt.

Schulze-Aminzada lernte ein weiteres Kapitel bayerischer Schulgeschichte: Zwar existiert ein Anspruch auf einen Schulplatz, wenn das Kind eine gymnasiale Eignung hat, aber kein Anspruch auf eine bestimmte Schule. Die Mutter stellte also wie in solchen Fällen vorgesehen einen Antrag auf Zuweisung eines Schulplatzes - und erfuhr, dass die zuständige Stelle Sommerferien mache und erst vom 1. September an wieder besetzt sei.

Zu spät für ihre Tochter, die spätestens Ende August eine neue Schule vorweisen oder den Unterricht an ihrem alten Gymnasium besuchen müsse. Urlaubsbedingt könne sich eine Rückmeldung schon mal verzögern, erklärt eine Sprecherin des Kultusministeriums. Es liege jedoch im Interesse der Schulen und der Schulaufsicht, baldmöglichst eine Entscheidung zu treffen. Wie es jetzt weitergeht, weiß Schulze-Aminzada nicht. Nach Essen will sie Anna am Mittwoch nicht schicken.

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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