Unter den Lokführern der Münchner S-Bahn gibt es Widerstand gegen Pläne der Deutschen Bahn, das Verfahren zum Abfertigen der Züge zu verändern. "Die Stimmung ist bescheiden", berichtet ein Triebfahrzeugführer. Ein anderer ergänzt, mit der Umstellung des Abfertigungsverfahrens wolle die Bahn "die Verantwortung für die Sicherheit bei uns Lokführern abladen". Und Uwe Böhm, Bayern-Chef der Lokführergewerkschaft GDL, sagt, die Kollegen in den Führerständen seien "hochgradig verunsichert".
Worum geht es? V or etwa einer Woche hatte S-Bahn-Chef Bernhard Weisser angekündigt, bei der S-Bahn das "zentrale Schließen" der Türen wieder einzuführen. Die Lokführer sollten künftig nicht mehr darauf warten, bis sich die Türen selbst schließen. Vielmehr soll der Lokführer zentral vom Führerstand aus per Knopfdruck die Zugänge verriegeln.
Bislang hatten Lichtschranken an den Türen verhindert, dass Menschen, Tiere oder größere Gegenstände eingeklemmt wurden. Bei dieser Abfertigungsmethode gingen aber aus Sicht der Bahn immer wieder wertvolle Sekunden verloren - die sich insbesondere im Berufsverkehr zu Verspätungen im Minutenbereich summierten.
Aufseher in Glaskanzeln überwachen die Türen
Deshalb hatte Weisser vor einiger Zeit in den Tunnelbahnhöfen das System geändert: Beim zentralen Schließen werden die Lichtschranken deaktiviert; im Gegenzug muss gewährleistet sein, dass der Lokführer alle Türen komplett überblicken kann - entweder über Monitore oder indem er aus dem Fenster nach hinten blickt. In den Tunnelbahnhöfen sitzen in der Hauptverkehrszeit zudem Aufseher in Glaskanzeln, die die Türen überwachen und dem Lokführer ein Signal zum Abfahren geben.
Pünktlichkeit bei der S-Bahn:Achtung, Türen schließen schneller
Die S-Bahn in München will pünktlicher werden. Deswegen sollen in Zukunft die Stopps an den Haltestellen verkürzt werden. Damit das gelingt, gehen die Türen der Züge bald schneller zu.
Doch viele Lokführer setzen sich nun gegen die Dienstanweisung zur Wehr. Denn laut GDL-Chef Böhm sollen sie künftig an jedem Bahnsteig im gesamten Netz selbst entscheiden, ob sie die Türen zentral schließen oder weiter auf die Lichtschranken vertrauen. Es sei schon vorgekommen, dass Lokführer von Fahrgästen beschimpft und rüde auf die Möglichkeit zum zentralen Schließen hingewiesen wurden, sagt Böhm. "Das sorgt für viel Ärger und unnötigen Stress bei den Lokführern." Zudem sei eine S-Bahn mit bis zu 200 Metern Länge und 36 Türen für einen Einzelnen nur schwer zu überschauen.
Weisser will daher an unübersichtlichen Bahnhöfen Kameras und Monitore installieren, um die Lokführer zu unterstützen. Aus GDL-Sicht reicht das aber nicht. Werde ein Fahrgast eingeklemmt oder verletzt, könne es sein, dass der dann Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Lokführer geltend mache, sagt Böhm. "Das Unternehmen aber ist dann aus dem Schneider."
Die Bahn indes versucht, den Unmut der Lokführer in der aktuellen Ausgabe ihrer Mitarbeiterzeitschrift zu dämpfen: "Ich kann mir keinen Fall vorstellen, in dem einen Triebfahrzeugführer der S-Bahn die Schuld an einem Einsteigeunfall zugesprochen wird, wenn er sich regelwerkskonform und situationsangemessen verhalten hat", wird dort ein leitender Mitarbeiter zitiert.
Doch genau darum geht es der Gewerkschaft - die Regeln so abzufassen, dass es nicht mehr im Ermessen des Einzelnen liegt, nach welchem Verfahren er den Zug abfahrbereit macht. Aus Sicht von GDL-Mann Böhm sollte die Bahn zum alten Verfahren zurückkehren. Oder zusätzliches Personal einstellen, das insbesondere in langen Zügen den Lokführer dabei unterstützt, sämtliche Türen zu überblicken.