Theaterkritik:Verführerischer Bösewicht

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Blues im Blut: Götz Otto als "Richard III." mit Mira Huber und David Hang in allen anderen Rollen. (Foto: Hofspielhaus)

Im Hof der Alten Münze schillert Hollywood-Schurke Götz Otto als "Richard III.".

Von Barbara Hordych, München

Mit "Richard III." hat William Shakespeare 1592 ein faszinierendes Psychogramm des Bösen entworfen, anziehend und abstoßend zugleich. In der Premiere des Hofspielhauses gibt der als Hollywood-Schurke und James-Bond-Gegenspieler zu Ruhm gelangte Götz Otto den englischen Bösewicht, Leichen pflastern seinen Weg zur Krone von England. Um den Überblick zu behalten, ist im Renaissancehof der Alten Münze eine riesige Tafel mit einem Stammbaum aufgebaut, deren Mitglieder Richard mit großer Befriedigung rot durchkreuzt nach vollbrachter Mord-Tat.

Zu seinen Füßen steht ein Sarg, dorthinein verschwinden schon mal seine Mitspieler Mira Huber und David Hang. Oder entsteigen ihm wieder, je nach Bedarf. Denn in der klug komprimierten Stückfassung von Regisseur Sascha Fersch sind es die beiden beeindruckend wandlungsfähigen Darsteller, die gemeinsam mit Otto das eigentlich so personenreiche Stück stemmen. Fersch inszeniert das Ganze als Spiel im Spiel, die Schauspieler spielen also Schauspieler im Großeinsatz. Die manipulative Verstellungskunst beherrscht Ottos Richard perfekt. Williger Marketingstratege in Sachen Fake News ist Lord Buckingham, den verkörpert Mira Huber als Betrüger, der Richards Pläne mithilfe populistischer Rhetorik geschickt unterstützt. Sie und ihr Mitstreiter David Hang posaunen, ausgestattet mit "Wir sind das Volk"-Umhängen, Richards Einflüsterungen ins Publikum hinaus. Das genügt als Anspielung auf die ewige Aktualität des Stoffs.

Der strahlende Mittelpunkt dieses Abends ist freilich Otto in der Titelrolle. Laut Shakespeare ist Richard ein "Krummrücken", keineswegs also in Besitz eines Idealkörpers. Dass er im Renaissancehof in stattlicher Größe von 1,98 Meter erscheint, ist ein Besetzungs-Coup von Hofspielhaus-Intendantin Christiane Brammer. "Ward je in dieser Laun' ein Weib gefreit? Ward je in dieser Laun' ein Weib gewonnen?" triumphiert Otto, nachdem er Huber als Lady Anne davon überzeugt hat, ihn zu heiraten. Just, nachdem er ihren Mann und ihren Vater gemeuchelt hat. Und dann untermalt er sein seelenloses Tun auch noch, indem er Shakespeare-Sonette zur Gitarre performt. Wer könnte einem solch verführerischen Bösewicht widerstehen? (bis 30. September Open Air in der Alten Münze, ab 1. Oktober im Hofspielhaus)

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