Kolumne "Das ist schön":Charlie und Rem Koolhaas auf Visite in der Villa Stuck

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Charlie und Rem Koolhaas, die Fotografin und ihr Vater bei ihrer Buch- und Mode-Präsentation in der Villa Stuck (veranstaltet vom Förderkreis der Villa Stuck). (Foto: Susanne Hermanski)

Ein Abend des Fördervereins des Museums zeigt, was Kunst kann. Fragen!

Von Susanne Hermanski

Es gibt viele Freundeskreise, die in München Kulturinstitutionen unterstützen; der Förderkreis der Villa Stuck ist einer davon. Wer Mitglied ist, darf sich nicht nur seiner guten Tat erfreuen, sondern gelegentlich auch feiern, wenn die Freunde organisieren, was ihnen selbst Spaß macht. Die "Chez Franz"-Abende etwa, die den Geist des Malerfürsten in Franz Stucks museumgewordenem Haus hochlebendig erscheinen lassen.

An diesem Donnerstagabend waren Charlie Koolhaas, die Fotografin, und ihr Vater Rem, der weltbekannte Architekt und Städteplaner zu Gast. "Seit Chris Dercon nicht mehr hier am Haus der Kunst ist, wieder zum ersten Mal", erzählt er. Gemeinsam stellten sie Charlies Buch "City Lust" vor und die Mode, die sie nun dazu herausbringt, Kleidung versehen mit Prints ihrer Fotos. Das Buch, das unmittelbar vor der Pandemie erschien, wie so vieles in dieser Phase beinah unterging in der öffentlichen Wahrnehmung, und das aus heutigem Blickwinkel doch so viel Visionäres enthält.

Models in Mode und vor Fotos von Charlie Koolhaas an einem Abend in der Villa Stuck, veranstaltet vom Förderkreis des Museums. (Foto: Susanne Hermanski)

Rem Koolhaas beschreibt im Gespräch mit seiner Tochter, wie Charlie in Fotos und Texten über zwei Jahrzehnte die Mega-Cities dokumentierte, in denen sie auf vier Kontinenten gelebt und gearbeitet hat: London, Guangzhou, Lagos, Dubai und Houston. Ihr Augenmerk lag dabei auf der Globalisierung - in wirtschaftlicher wie kultureller Hinsicht, mit ihren Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Dabei sei ihr vor allem eines aufgefallen, sagt sie: "Die Narrative des Westens stimmen nicht." Die Ausbeutung von Arbeitskräften in der arabischen Welt etwa, werde angeprangert, es gebe aber genauso gut Zeugnisse von deren Wertschätzung.

Die Überzeugung des Westens, dass Integration der einzig wahre Weg zu gesellschaftlichem Glück sei, blende aus, dass es Orte auf der Welt gibt, in denen faszinierende "Kulturen in der Kultur" existierten. Besonders eklatant sei das aktuelle Grundgefühl des Westens: "Nach Covid ist die Angst hier noch viel größer geworden", sagt Charlie, und Rem ergänzt: "Wir hassen China, wir hassen Russland, wir hassen die arabischen Länder. Wir sind zu ,hatern' geworden." Und die Diskussion um die aktuelle Fußball-WM sei ein gutes Beispiel für die allseitige Heuchelei, sie sei eine "Weltmeisterschaft der Scheinheiligen". "Was hat bloß unsere Neugier an den Welten der anderen erstickt?", fragt Charlie.

Dass sie es fragt, und wie sie es fragt in diesem München, das keine Mega-City ist, doch immer noch ein Millionendorf ist, das deswegen frischen Wind aus allen Richtungen verträgt - das ist schön.

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