Rammstein-Frontmann in München:Proteste zum Solo-Konzert von Till Lindemann angekündigt

Lesezeit: 2 min

Till Lindemann trat in München solo auf - Fotografen waren in der Halle nicht erwünscht. (Foto: Madis Veltman/IMAGO/Scanpix)

Der Rammstein-Frontmann tritt am Montag im Zenith auf. Eine "Row Zero" ist laut KVR nicht zulässig, eine Aftershow-Party in der Halle soll es auch nicht geben.

Von Michael Zirnstein

Es waren verstörende Szenen. Damit ist nicht das Horror-Kasperltheater gemeint, das die Band Rammstein an vier August-Abenden im ausverkauften Olympiastadion unbeeindruckt von den damals laut gewordenen Vorwürfen gegen Sänger Till Lindemann abfackelte. Schockierend war, was sich rund um die vier Demonstrationen gegen die Konzerte abspielte. Die Häme und Beleidigungen einiger Fans, die die Gruppe von etwa 40 Demonstrantinnen passierten. Für Micha (die ihren Nachnamen nicht öffentlich nennen möchte) waren es "die schlimmsten Demonstrationen", an denen sie je mit der Organisation Slutwalk teilgenommen habe, "und da waren sogar Anti-Pegida-Proteste dabei". Fans hätten ihnen den Mittelfinger und den blanken Hintern gezeigt, ihnen gesagt, sie seien nur neidisch auf Lindemanns Groupies und sie gehörten einfach mal "ordentlich hergenommen", oder sie sollten "verrecken". Zu ihrem Schutz brachte die Polizei sie nach den Demos zur U-Bahn.

Dennoch war für Micha und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter sofort klar, als sie davon hörten, Lindemann werde auf einer Solo-Tournee zurück in die Stadt kommen: "Wir müssen wieder demonstrieren! Auch wenn es sich anfühlt, wie gegen Windmühlen zu kämpfen." Direkt am Konzerttag, am Montag, 18. Dezember, werden Slutwalk und weitere Gruppen wie "KO - Kein Opfer e.V" mit expliziter Unterstützung der Münchner Grünen um 18 Uhr unter dem Motto "Keine Show für Täter" eine bedingungslose Aufklärung aller Vorwürfe, zum Verbot aller Lindemann-Konzerte bis dahin und und zur Solidarisierung mit Opfern sexualisierter Gewalt aufrufen - auf dem Odeonsplatz, nicht direkt vor der Spielstätte, dem Zenith.

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Von Juni 2023 an hatten zahlreiche Frauen aus mehreren Ländern im Internet und in Zeitungsartikeln von verstörenden Erlebnissen rund um Rammstein-Konzerte und -Partys berichtet. Nämlich dass sie und andere dem Rockstar in einer Art "Casting-System" zugeführt worden seien, um ihn vor, während und nach dem Konzert sexuell zu befriedigen.

Die Konzerte der Tour standen daraufhin unter strenger Beobachtung. In München untersagte das Kreisverwaltungsreferat (KVR) den Aufenthalt von Fans in der "Row Zero", also im Sicherheits- und Technikbereich vor der Bühne, und sprach ein Verbot von Aftershow-Partys im Stadion aus. Das KVR schickte zur Kontrolle Mitarbeiter und einmal sogar seine Referentin - es wurden keine Regelverstöße festgestellt. Eine KVR-Sprecherin teilt mit, dass das Lindemann-Solo-Konzert "nicht von Dienstkräften des Kreisverwaltungsreferats begleitet" werde, der Veranstalter sei jedoch informiert, dass "- wie sonst auch - keine Row Zero zulässig" sei. Auf Anfrage der SZ bestätigt dies und auch dass es "keine Aftershow-Partys in der Halle" geben werde Andrea Blahetek-Hauzenberger, Geschäftsführerin von Global Concerts, dem Veranstalter der Münchner Solo-Show.

Im Stadion drängte die Stadt auf den Einsatz von Awareness-Teams, die wird es diesmal nicht geben. Aber es seien laut der Veranstalterin "ausreichend Securitys" da, die "jederzeit angesprochen werden können". Eine Absage sei für sie nicht infrage gekommen: "Wir haben einen Vertrag, den wir erfüllen müssen."

Das Konzert - das anders als die Rammstein-Shows wegen sexueller Darstellungen nur Personen über 18 Jahren besuchen dürfen - war in Windeseile ausverkauft. Die Fans halten ihrem Idol die Treue. Die direkte Konfrontation mit den Anhängern suchen die Demonstrantinnen von Slutwalk diesmal erst gar nicht, auch weil sie sich alleine mit diesen draußen beim Zenith unsicher fühlen. Auch damit, Lindemann persönlich zu beschuldigen, sind sie aus juristischen Gründen vorsichtig. Es geht ihnen darum, generell über das "Victim-Blaming" aufzuklären, also dass Opfern sexueller Gewalt oft eine Teilschuld zugesprochen werden: "Was hatte sie an? Sie wusste doch, wie das da läuft."

Sie wollen auf ein patriarchales "System des Machtmissbrauchs" gerade in der Musikbranche hinweisen. "Alle, die das mittragen, machen sich mitschuldig", sagt Slutwalk Sprecherin Sophie Boner, "alle, die auf Konzerte gehen und das System so mitfinanzieren." Dass sie damit zu den Rammstein-Fans durchdringen, haben die Aktivistinnen aufgegeben. Bei den Stadionkonzerten habe eine einzige Besucherin ihre Karte zerrissen und sich ihnen angeschlossen. Immerhin.

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