Ramersdorf:Smarter Überschlag

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Mit Aufprallsimulatoren, Rauschbrillen und Theorie zeigt ein Präventivprojekt der Deutschen Verkehrswacht Münchner Berufsschülern, was alles passieren kann - denn Fahranfänger sind besonders gefährdet

Von Andreas Schubert, Ramersdorf

Vielleicht hätte man dem Teil einen cooleren Namen geben können, "Happy Loop" oder so. Zumindest denkt man kurz daran, wenn man die jungen Frauen, die in dem Gerät mit der nüchternen Bezeichnung "Überschlagsimulator" vor Aufregung kreischen hört. Und die Schlange davor beobachtet. Denn fast keine der Berufsschülerinnen - die Klasse besteht fast ausschließlich aus weiblichen Auszubildenden - will sich den Überschlag in dem an einem Drehmechanismus befestigten Smart entgehen lassen. Vorher bekommen sie noch Anweisungen, was dann zu tun ist, wenn das Auto auf dem Kopf steht. Mit der Hand abstützen, bevor man den Gurt löst, ist schon mal ein guter Tipp.

Erst abstützen, dann Gurt lösen: Eine Berufsschülerin klettert aus dem Überschlagssimulator. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Überschlagsimulator ist Teil der "Aktion junge Fahrer", ein Präventionsprojekt der Deutschen Verkehrswacht. Diesmal hat die städtische Berufsschule für Zahntechnik, Chemie-, Biologie- und Drogerieberufe an der Balanstraße die Verkehrswacht zu Besuch. Der Kontakt kam laut Schulleiterin Waltraud Heimrath über eine Schülerin zustande. Und Heimrath sind derartige Projekte sehr wichtig. Das Thema Sicherheit im Straßenverkehr betreffe viele ihrer Schülerinnen und Schüler besonders, weil viele auf dem Land wohnten und aufs Auto angewiesen und auch viel auf Landstraßen unterwegs seien.

Die angehenden Führerscheininhaber konnten sich beim Fahrsicherheitstraining am Bildschirm ihren Bremsweg berechnen lassen. (Foto: Stephan Rumpf)

Ziemlich cool finden die jungen Frauen die Vorführung, deren Hauptpersonen sie selbst sind. "Es ist wichtig, dass man so etwas mal gemacht hat", sagt zum Beispiel Alicia-Lea Stross aus Regensburg. Die 18-Jährige hat derzeit noch keinen Führerschein, will diesen aber bald machen. Denn bei der Fahrausbildung selbst wird man nicht unter solchen Bedingungen auf mögliche Unfälle und was dann zu tun ist, vorbereitet. Außer dem Smart mit dem Dreh gibt es noch einen Aufprallsimulator, Fahrsimulatoren für Auto und Motorrad, einen sogenannten Rauschbrillenparcours und natürlich eine theoretische Schulung.

Auch über einen Rauschbrillen-Parcours konnten Fahranfängerinnen und Fahranfänger wanken. (Foto: Stephan Rumpf)

Diese ist alles andere als trocken und langweilig. Peter Starnecker, der solche Schulungen schon seit acht Jahren ehrenamtlich für die Verkehrswacht hält, wählt durchaus drastische Bilder und Beispiele, wenn es darum geht, welche Wirkung Drogen und Alkohol auf Autofahrer haben. Starnecker hat, wie er selbst sagt, schon viele Tote gesehen. Und er erzählt den Fahranfängern dann von Unfällen, bei denen er im Einsatz war.

Peter Starnecker ist Polizist, Vorsitzender der Kreisverkehrswacht Berchtesgadener Land und Vizepräsident der Verkehrswacht Bayern. Ihm ist es ein Anliegen, dass junge Menschen wissen, welche Konsequenzen Ablenkung vom Verkehrsgeschehen haben kann. Stichwort Mobiltelefon: Die Verkehrswacht hat derzeit eine Plakataktion laufen, bei der ein blutverschmiertes Smartphone zu sehen ist. Auf dem zerborstenen Display lächeln zwei junge Frauen. Text der Plakatbotschaft: "Tipp tipp tot". Plakativ eben, aber so sollen die Schüler erreicht werden. "Früher hat es nicht so viele Abwechslungen gegeben", sagt Starnecker.

Seinen Zuhörern erklärt er auch, warum es verboten und gefährlich ist, das Handy während des Autofahrens zu nutzen und wie teuer es wird, wenn sie sich dabei erwischen lassen. Was passiert und wie teuer es wird, wenn man bei einer Alkoholfahrt ertappt wird, gehört auch dazu, ebenso die Aufklärung darüber, dass nach einer feuchtfröhlichen Nacht der Restalkoholspiegel im Blut immer noch sehr hoch sein kann. Und so weiter. Der Polizeihauptkommissar lässt nichts von Relevanz aus. Dass man auch nüchtern ganz schnell in einen Unfall verwickelt wird, stellen die Schülerinnen und Schüler dann im Fahrsimulator fest. Wer zu schnell fährt, hat bei einem plötzlich auftauchenden Hindernis kaum Chancen, noch rechtzeitig zu bremsen.

618 Menschen sind vergangenes Jahr in Bayern im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Und laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ist zu schnelles Fahren noch immer die Unfallursache Nummer eins. Peter Starnecker hat noch ein Bild in seiner Präsentation. Es zeigt einen ausgebrannten Wagen, in dem im Sommer 2005 vier junge Menschen ums Leben gekommen sind. Vermutlich wegen zu hoher Geschwindigkeit war der Wagen von der regennassen Fahrbahn abgekommen und gegen eine Mauer geprallt. Die jungen Leute, die im Wagen eingeklemmt waren, verbrannten bei lebendigem Leib. Starnecker war damals am Unfallort und berichtet mit ernster Miene von den Schreien der Unfallopfer. Solche Geschichten sollen sich den Fahranfängern einprägen. Die Aufmerksamkeit hat er damit auf jeden Fall. "Da sind dann alle ganz stad".

© SZ vom 12.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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