Ramersdorf:Erfolgsrezept

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Das Restaurant "Balan-Deli" an der Balanstraße genießt bei all seinen Gästen einen sehr guten Ruf. Das Besondere: Vier der zehn Angestellten sind Menschen mit einer geistigen Behinderung

Von Maximilian Hempel, Ramersdorf

Wer zur Mittagspause im "Balan-Deli" einen Tisch haben möchte, der sollte entweder früh kommen oder, besser noch, reservieren. Denn das vor zwei Monaten eröffnete Restaurant an der Balanstraße brummt. Dass das Lokal sich von der gewohnten Münchner Szene-Gastronomie unterscheidet, ist aber auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen: Vier der zehn Angestellten sind Menschen mit einer geistigen Behinderung.

Als gegen 14 Uhr die meisten Gäste wieder zurück in ihre umliegenden Büros müssen, kann auch Betriebsleiter Reiner Pröl kurz Luft holen. In einer Ecke neben der holzvertäfelten Bar und modischem Interieur gibt es Kaffee und Ingwer-Minz-Schorle. "Heute ist noch ein ruhiger Tag", sagt Pröl gelassen und verrührt dabei in Ruhe den Zucker in seinem Kaffee. Christine Hitzer und Monika Nadler, zwei der vier Geschäftsführerinnen, sitzen mit ihm am Tisch. Sie alle freuen sich natürlich ungemein über den Erfolg ihres Restaurants. Im selben Atemzug betonen sie jedoch, dass bei diesem Projekt vor allem der Mensch, mit oder ohne Behinderung, im Vordergrund steht.

Guten Appetit: Im "Balan-Deli" herrscht vor allem zur Mittagszeit Hochbetrieb. (Foto: Florian Peljak)

Vor knapp zehn Jahren gründeten Christine Hitzer und Monika Nadler die integrative Montessorischule an der Balanstraße, auf die auch ihre Kinder gehen. Die stehen nun kurz vor dem Schulabschluss und sind selbst vor dem Eintritt ins Berufsleben.

Das Berufsangebot für Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung ist in München aber recht überschaubar, wie die beiden Mütter selbst bemerken mussten. "Außerdem möchte nicht jeder Mensch mit Handicap in einer Behindertenwerkstatt arbeiten, sondern, so wie jeder andere auch, sich frei entfalten", ergänzt Hitzer. Deshalb beschlossen sie kurzerhand, selbst zu handeln und ein eigenes Unternehmen zu gründen, in dem auch Menschen mit Behinderung arbeiten. Die erfolgreiche Idee vom integrativen Tagescafé war geboren.

Das Essen im Balan-Deli sieht toll aus und schmeckt. (Foto: Florian Peljak)

Die Geschäftsphilosophie ist, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung einen Arbeitsplatz in einem ganz normalen gastronomischen Betrieb haben. Profit und Gewinnmaximierung stehen für alle Beteiligten nicht an erster Stelle. Die beiden Frauen sprechen vor allem über das Thema Leistungsgesellschaft. "Menschen mit geistiger oder kognitiver Behinderung traut man einfach weniger zu", sagt Nadler. Sie blieben dadurch auf dem Arbeitsmarkt auf der Strecke. Dabei müsse es gar nicht immer höher, schneller, weiter gehen, setzt Nadler hinzu.

Ein gutes Team: Monika Nadler, Reiner Pröls und Christine Hitzer (von links). (Foto: Florian Peljak)

Auch Pröl, der seit August mit dabei ist und in der Endphase der Planung und Umsetzung mitgeholfen hat, teilt diese Meinung. Der Erfolg komme von ganz alleine, sagt er. Pröl arbeitet schon viele Jahre in der Gastronomie als Betriebsleiter, zuletzt in der Kantine des Fraunhofer-Instituts. Ihm war es wichtig, vom täglichen Optimierungsdruck wegzukommen. Nach zwei Monaten im laufenden Betrieb steht für ihn schon fest: Die Arbeit dort ist besser als jede andere. "Natürlich kann ich von Mitarbeitern mit Handicap keine Höchstleistungen erwarten, das machen sie aber mit ihrer Motivation und ihrem Charme wett. Jeder Einzelne von ihnen geht so gerne zur Arbeit, dass wir sie regelrecht bremsen müssen, wenn sie mal krank sind und trotzdem kommen wollen."

Wenn draußen viele Gäste warten, ist auch in der Küche reichlich zu tun. (Foto: Florian Peljak)

Das alles steht und fällt natürlich mit dem richtigen Personal und Arbeitsklima. Deshalb ist es den Verantwortlichen besonders wichtig, auf jeden einzelnen Mitarbeiter einzugehen. Jeder arbeitet dort, wo er sich am meisten wohlfühlt: "Der eine lieber im Service, der andere wiederum in der Küche", sagt Nadler. Dennoch gebe es immer die Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren und auch mal an anderer Stelle mitzuarbeiten: "Und wenn's nicht klappt, dann ist das auch nicht schlimm, oder wir probieren es noch einmal auf eine andere Weise."

Dennoch gibt man sich relativ bescheiden. "Wir möchten mit unserem Betrieb sicherlich kein Leuchtturmprojekt sein, vielmehr möchten wir andere dazu ermutigen, unsere Idee nachzuahmen." Das Balan-Deli will beweisen, dass erfolgreiche Betriebe auch mit Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen möglich sind - ganz ohne Leistungsdruck.

"Letztlich geht es ja immer noch ums Essen; das soll die Menschen, die zu uns kommen, überzeugen", betont Hitzer. Das tut es augenscheinlich. In der Mittagszeit werden derzeit laut Pröl an den 40 Tischen 100 bis 150 Mittagessen serviert. Da kommt das ganze Team ins Schwitzen, selbst der Chef muss zu Stoßzeiten dann mit am Herd stehen.

Für Hitzer und Nadler geht es auch direkt weiter. Nach einer knappen Stunde müssen sie das Gespräch schon wieder beenden. Am nächsten Tisch wartet schon eine Delegation aus den Arabischen Emiraten. Das Interesse an ihrer Geschäftsidee ist auch anderswo groß.

Informationen zum Projekt und zum Restaurant gibt es im Internet unter www.balan-deli.de.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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