Radverkehr:Strampeln für mehr Platz

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Für Autos gibt es zu viel Platz in der Stadt, finden die Radaktivisten. Sie fordern ein Gesetz, das dies ändert. (Foto: Catherina Hess)

4000 Radfahrer machen sich am Sonntag auf den Weg zum Königsplatz. Bei der beeindruckenden Sternfahrt des Fahrradverbandes ADFC demonstrieren die Teilnehmer für die Einführung eines Gesetzes, das für Radler mehr Sicherheit schafft.

Von Philipp Crone

Was gibt es Schöneres, als unter den Augen der Polizei und König Ludwigs II. mitten auf der Ludwigstraße mit dem Fahrrad über eine rote Ampel zu fahren? Für die 4000 Radler am Sonntagnachmittag zumindest nichts. Die Polizei hat alle Kreuzungen gesperrt, Hunderte Autos müssen warten, damit eine gemächlich ziehende Fahrradkarawane vom Königsplatz zum Olympiapark vorbeirollen kann. Mittendrin thront auf einer Rikscha mit weißblauen Fähnchen ein Ludwig-Double. Zu dessen Zeit waren die Straßen der Stadt noch keine Ansammlung von Millionen Automobilen.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club ADFC hat zur Sternfahrt aufgerufen, und die Tausenden Teilnehmer, die von mehr als 60 Startpunkten aus bis von Ingolstadt oder Tutzing zum Königsplatz zusammen gefahren sind, konnten ein paar Stunden testen, wie das so ist, wenn man mal völlig von Automobilen ungestört durch die Stadt kommt. Und Klaus Bondam, Direktor des dänischen Radfahrerverbandes DCF und früherer Rad-Bürgermeister der Stadt Kopenhagen, sagt unterwegs: "Ich bin gestern hier im normalen Verkehr geradelt. Das ist schon abenteuerlich zum Teil."

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Etwa 300 Menschen kamen zu der Trauerfeier für den 15-Jährigen, der nach einer Schlägerei verstorben war. Mit einem Gleichnis wandte sich der Pfarrer an all jene Passanten, die dem Jugendlichen nicht zu Hilfe gekommen waren.

Für breitere Radwege, für durchgehende Radwege

Was in Kopenhagen anders ist als in München, ist schon einmal die finanzielle Lage. Seit dem Jahr 2004 hat die dänische 600 000-Einwohner-Stadt mehr als eine Viertelmilliarde Euro in Rad-Mobilität investiert, sagt Bondam. Unter anderem, um das zu verhindern, was die Teilnehmer der Fahrt auf dem Weg zum Olympiapark sehen.

Da parken Kleinlaster auf den Fahrradwegen, da werden bei Baustellen die Radwege schlicht temporär abgeschafft, da fährt man durch eine Stadt, die zum Beispiel auf der Ludwigstraße sieben Autospuren hat samt der Parkstreifen. "Und dann Einmeterfünfzig für die Radler, das ist nicht fair", ruft Andreas Groh vom ADFC München in sein Mikrofon unterwegs. Und dazu immer wieder die Forderungen des Verbands: breitere Radwege, durchgehende Radwege auch an Kreuzungen, bei denen sich der Däne Bondam tags zuvor "ganz verloren" vorkam, mehr Geld und mehr Personal.

Groh ruft den Passanten auf den Straßen zu, dass es unbedingt ein Radgesetz für Bayern brauche, "Berlin hat das ja schon", wobei die Schaulustigen weniger den Parolen der Karawane lauschen als vielmehr versuchen, den Ludwig, der vorne mitfährt und immer wieder huldvoll sein Glas hebt, irgendwie auf ein Handy-Video zu kriegen. Ob am Max-Joseph-Platz, am Odeonsplatz oder am Viktualienmarkt: Die unaufhaltsame Karawane, die nur einmal wegen eines Feuerwehreinsatzes stehen bleiben muss und ansonsten von den Dutzenden Polizei-Motorrädern und -Wagen durch die Stadt geleitet wird bis zum Olympiapark, diese Karawane bekommt dann Beifall, wenn die Leute den winkenden Ludwig sehen.

Bondam, der Mann aus Kopenhagen, sagt: "In Europa sind mehr als die Hälfte aller Autofahrten weniger als fünf Kilometer lang." Das sei doch Irrsinn, für solche Distanzen immer den Pkw zu nutzen. Ein Gesetz sei allein deshalb schon richtig, "weil man daran merkt, ob eine politische Führung Interesse daran hat, dass eine Stadt lebenswert bleibt". Und das hänge eben an der Mobilität, denn mehr Platz gebe es eben in einer Stadt nicht zu vergeben. "Und auch die öffentliche Gesundheit profitiert davon." In München sei die Struktur teils gut, teils schrecklich.

In Kopenhagen habe man die Radstreifen durch extra Bordsteinstreifen abgegrenzt, das funktioniere gut. "Wenn mehr Menschen Rad fahren sollen, dann müssen die Menschen und vor allem diejenigen, die das Radfahren lernen, sich beim Radfahren sicher fühlen." Deshalb werde in seiner Heimat auch viel Geld dafür eingesetzt, Kindern schon in den Kindergärten das Radfahren beizubringen. "Es ist doch seit einem halben Jahrhundert so, dass die Autos die Stadt übernommen haben."

Als die Radler im Olympiapark angekommen sind, zeigt Bondam auf ein Gebäude im Hintergrund, mit der Form eines Vierzylinders, und sagt: "Die wollen uns einreden, dass es keine Alternative zum Auto gibt, aber die gibt es!" In Zukunft werde man nicht mehr nur ein Verkehrsmittel nutzen, sondern je nach Situation immer ein anderes. Neben ihm steht Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, und sagt: "Ich unterstütze dieses Gesetz. Es ist wichtig, dass es jetzt bei den Parteien nicht mehr um Absichtserklärungen geht, sondern dass die Dinge auch umgesetzt werden." Es müsse schlicht in München und Bayern mehr Platz für Radfahrer geschaffen werden.

Wie das ist, sich den Platz teilen zu müssen, das erleben die Teilnehmer dann auf der Rückfahrt, es ist sofort wieder das zähe, mühsame und gefährliche Bewegen zwischen Autos.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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