KVR-Empfehlung:Wenn die Rabenkrähen attackieren

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Vor "Verletzungsgefahren durch Krallen- und Schnabelhiebe" durch junge Krähen warnt das Kreisverwaltungsreferat auf seiner Internetseite. "Eine widerstandsfähige Kopfbedeckung" könne vor Kopfverletzungen schützen. (Foto: Günther Reger)

Das Kreis­verwaltungs­referat warnt vor Angriffen aus der Luft, verschweigt bei der Empfehlung der Schutzmaßnahmen aber eine wichtige: Weihwasser.

Glosse von Rudolf Neumaier

Achtung, Achtung. Dies ist eine Warnung an alle Münchnerinnen und Münchner. Gehen Sie nicht ohne Regenschirm aus dem Haus! Oder legen Sie sich ersatzweise einen Hut zu oder gleich einen Helm. Ein Kapuzenpulli könnte zu dünn sein. Die Rabenkrähen sind wieder unterwegs. Das Kreisverwaltungsreferat hat auf seiner Internetseite einen Hinweis versteckt, wonach "Rabenkrähen Menschen und andere Tiere zum Schein oder mit echten Angriffen attackieren". Man könnte nun wieder vermuten, bei der Stadt seien Spaßvögel unterwegs, die den Menschen tierischer finden als er ist. Doch es ist kein Witz. "Verletzungsgefahren durch Krallen- und Schnabelhiebe" bestünden, wenn junge Krähen flügge werden. "Eine widerstandsfähige Kopfbedeckung", heißt es auf dem Infoblatt, "kann vor Kopfverletzungen schützen."

Das Umweltreferat wiederum erläutert die Motivation der Aggressoren: Die Elternvögel wollen nur ihre Brut schützen und achten normalerweise darauf, dass keine Berührung stattfindet. Das ist sehr nett von den Rabenkrähen.

Irgendein Ornithologe hat sie einmal zusammen mit Schnäpperwürgern und Fächerschwänzen, mit Dickköpfen und Stachelbürzlern der zoologischen Ordnung der Singvögel zugeordnet. Der Ornithologe muss einen Hörschaden gehabt haben. Dieses Gekrächze als Gesang zu interpretieren, ist so gewagt, wie wenn unser Klassik-Kritiker Brembeck den Schlagersänger Heino als Koloratursopranistin adeln würde. Aber gut, halten wir fest, die Rabenkrähen greifen nur zum Schein an. Und wenn's doch passiert? Wenn ihr Schnabel die Glatze trifft, Blut über die Augenbrauen strömt und die Schädeldecke birst? Dann haben sie laut Umweltreferat "wegen ihrer Größe und ihres Gewichtes ihre Flugbahn zu knapp bemessen". Irren, heißt das, ist eben nicht nur menschlich.

Es braucht kein Umweltreferat und keine Vogelkundler, um die schwarze Seele der Münchner Rabenkrähe zu erforschen. Der Pädagoge und Schriftsteller Alexander Schöppner hat in seinem "Sagenbuch der Bayerischen Lande" im Jahr 1853 alles gesagt. In München war ein stadtbekanntes Scheusal gestorben und in seiner Wohnung neben einem Kruzifix und zwischen zwei Kerzen aufgebahrt. Da rauschten zwei Vögel ans Stubenfenster, hackten die Scheiben mit ihren Schnäbeln auf - und heraus kam ein dritter Rabenvogel. Zu dritt schwirrten sie davon. "Im Totenzimmer waren plötzlich die Lichter verlöscht und das Kruzifix umgestürzt", berichtet Schöppner.

Diese Geschichte aus Schöppners Sagenbuch macht eine kurze Ergänzung zum Infoblatt des Kreisverwaltungsreferates notwendig. Wer von einer Rabenkrähe verletzt wird, sollte einen Arzt aufsuchen. Doch zuvor ist die Wunde mit Weihwasser zu behandeln.

© SZ vom 16.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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