Prozess um städtische Kliniken:"Ich wollte keine Befehlsempfängerin sein"

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Die US-Amerikanerin Elizabeth Harrison wurde 2011 mit Vorschusslorbeeren zur Geschäftsführerin der städtischen Kliniken gemacht. 2013 war Schluss. (Foto: Catherina Hess)

Die frühere Klinik-Geschäftsführerin Elizabeth Harrison streitet sich mit der Stadt München vor Gericht über ihre fristlose Entlassung. Sie sieht sich vom früheren OB Ude zu Unrecht verunglimpft und degradiert.

Von Thomas Schmidt

Es war ein kalter Dezembermorgen, an dem Elizabeth Harrison aus der Zeitung erfuhr, dass sie bald arbeitslos sein würde. Die damalige Geschäftsführerin der Städtischen Kliniken GmbH, einst als Heilsbringerin bejubelt, später als Alleinschuldige für ein gescheitertes Sanierungskonzept gebrandmarkt - nun war sie fristlos entlassen. Es war die letzte Eskalationsstufe des giftig geführten Streits über die Rettung des Krankenhausverbunds, der bis heute bedrohlich am Abgrund der Insolvenz balanciert. Damals entschied sich Harrison - vor allem aus juristischen Gründen -, trotz der Demütigung zu schweigen. Nun hat sie vor Gericht ihr Schweigen gebrochen.

Es geht ums Geld. Harrison wehrt sich gegen die fristlose Entlassung und verlangt vor dem Landgericht, dass ihr Dienstverhältnis erst zum 30. Juni 2014 aufgelöst wird - nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist und nicht schon Ende 2013. Bei einem Jahressalär von knapp 300 000 Euro brutto geht es um eine stolze Summe. Als Zuschlag verlangt Harrison 6000 Euro Schmerzensgeld von der Stadt, weil der damalige Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) den Rausschmiss öffentlich machte, eine Woche bevor die Kündigung in ihrem Briefkasten gelandet war.

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:Chefsessel als Schleudersitz

Als Stadtklinikums-Chefin wurde Elizabeth Harrison von OB Christian Ude entmachtet, genau wie ihr Vorgänger Hep Monatzeder. Ude hat die Probleme des Klinikums zu lange nicht ernst genug genommen. Nun wagt er sich selbst auf einen der Schleudersitze.

Ein Kommentar von Silke Lode

Aus Sicht der Stadt hat sich Harrison die Misere selbst eingebrockt. Insgeheim wollten viele hochrangige Politiker die in Ungnade gefallene Klinikchefin längst loswerden, allein, man scheute einen womöglich langwierigen Prozess. Ende 2013 lieferte Harrison dann selbst einen Anlass. Ohne Angabe von Gründen trat sie von ihrem Amt als Geschäftsführerin zurück, auf ihr Gehalt aber wollte sie nicht verzichten. Die Reaktion kam schnell und hart: Wenn eine Geschäftsführerin die Geschäfte nicht länger führen will, wozu braucht man sie dann? Die fristlose Kündigung erschien dem damaligen Chef des Aufsichtsrats, Christian Ude, als logische Konsequenz.

Hatte die Stadt ausreichend Gründe, Harrison zu feuern?

Die bloße Kündigung stand denn auch bei der Gerichtsverhandlung am Montag nicht zur Debatte. Die Sanierung war nicht vorangekommen, das Vertrauensverhältnis zerrüttet, die Atmosphäre vergiftet. Die juristische Streitfrage ist aber, ob die Stadt ausreichend Gründe hatte, Harrison fristlos vor die Tür zu setzen. Die hatte man, sagt Rechtsanwalt Hans-Christoph Schimmelpfennig, der die Stadt vor Gericht vertritt.

Nachdem Harrison dort am Montagmorgen ausführlich ihre Beweggründe dargelegt hatte, antwortet Schimmelpfennig knapp: "Es ist nichts dabei, wofür man alles hinwerfen kann, aber sechs Monate weiter Gehalt bezieht." Wäre die Klinikchefin konsequent gewesen, hätte sie kündigen müssen. Dass sie es nicht getan hat, sei schlicht "Taktik" gewesen.

Harrisons Version klingt anders. Erstens sei es nicht notwendig gewesen, bei ihrer Amtsniederlegung Gründe zu nennen, "weil öffentlich eh alles bekannt war", erklärt ihr Anwalt Knut Müller. Zweitens habe die Stadt die Klinikchefin derart ins Abseits gestellt, dass sie kaum eine andere Wahl gehabt habe. "Ich wurde verspottet, öffentlich kritisiert und entmachtet", klagt Harrison. Die Geschäftsführung habe nur noch auf Weisung von Ude und seinem Lenkungskreis handeln dürfen, hätte aber für Fehlentscheidungen womöglich mit ihrem Privatvermögen haften müssen. "Ich bin angetreten, um zu gestalten und nicht als Befehlsempfängerin", betont sie.

Die Lage ist juristisch so verzwickt, dass an eine Entscheidung am Montag noch nicht zu denken war. Den nächsten Verhandlungstermin legte Richter Martin Scholz auf den 21. Juli. Zuvor aber hakte er bei Kämmerer Ernst Wolowicz als Vertreter der Stadt nach. Der habe öffentlich von der Überschuldung der Kliniken gesprochen und - fälschlich - spekuliert, eine bereits beschlossene Finanzhilfe über 60 Millionen Euro dürfe aus beihilferechtlichen Gründen womöglich nicht ausbezahlt werden. Als Klinik-Finanzchef Freddy Bergmann vor der Pleite warnte und frisches Geld forderte, wurde er jedoch brüsk zurückgepfiffen.

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Neben vielen Kommunalpolitikern lehnt nun auch Gesundheitsreferent Joachim Lorenz den Schrumpfkurs ab, den OB Christian Ude plant. Die Gemeinde Grünwald bietet an, sich finanziell zu beteiligen - doch es gibt auch ganz andere Stimmen.

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"Wie war die finanzielle Situation?", fragte Scholz den Kämmerer. Wolowicz aber lieferte keine konkrete Antwort, verwies darauf, dass er kein Bilanzprüfer sei und die Klinikleitung zuvor nie nach zusätzlichen Mitteln gefragt habe. Richter Scholz schüttelte da nur mit dem Kopf.

© SZ vom 20.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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