Prozess:Spanner filmt Frauen in ihren Wohnungen

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  • Ein Angestellter hat Kameras an Toiletten- und Badfenstern von Wohnungen in Trudering und Riem installiert, um Frauen zu beobachten.
  • Nun musste sich der 54-Jährige vor dem Amtsgericht München verantworten.

Aus dem Gericht von Andreas Salch

Der Angeklagte ist süchtig. Süchtig nach Bildern von Frauen, die sich unbeobachtet fühlen. Um seine Sucht zu stillen, installierte er Videokameras, so klein wie ein USB-Stick, außen an Toiletten- und Badfenster von Wohnungen in Trudering und Riem und filmte seine Opfer. Hartmut R. ( Name geändert) ist nervös, man sieht es ihm an.

Er blickt unsicher um sich, mustert die Zuhörer im Sitzungssaal A 220 am Amtsgericht München, wo er sich am Montagmorgen verantworten muss. "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" lautet etwas sperrig der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Salopp gesagt ist Hartmut R. ein Spanner. Und er ist geständig.

Würzburg
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Die Beamten wollten den Mann in einem Würzburger Schwimmbad davon abhalten, auf den Spanner loszugehen. Dabei bekamen sie selbst Schläge ab.

Bei einer Durchsuchung der Wohnung des 54-jährigen Angestellten im September 2015 entdeckten Kriminalbeamte mehr als 5000 Videodateien. Darauf zu sehen sind zum Beispiel Frauen, denen unter den Rock gefilmt wurde, oder Frauen auf öffentlichen Toiletten. Unter den Filmen befinden sich welche, die aus dem Internet heruntergeladen wurden, sagt der Ermittler bei seiner Vernehmung. Aber auch solche, die Hartmut R. angefertigt habe.

Wie viele vom Angeklagten stammen, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen. So handelt es sich bei den sieben Fällen, die R. vorgeworfen werden, wohl nur um "die Spitze des Eisbergs", meint Amtsrichter Matthias Enzler. Aufnahmen von sechs Frauen und einem Mann. Ob er Frauen oder Männer auf Toiletten filmen konnte, habe er nicht wissen können, sagt Hartmut R. Es sei ihm aber "ausschließlich um Frauen" gegangen.

Einige der Opfer hatten die Minikameras selbst entdeckt. Eine Frau berichtet, wie sie nachts auf die Toilette in ihrer Wohnung gegangen sei. Noch bevor sie das Licht angeknipst habe, habe sie ein kleines blaues Licht blitzen sehen. "Das hat mich ins tiefste Mark getroffen", sagt die 57-jährige Hausfrau. Sie habe sich mit einem Regenschirm bewaffnet, sei nach draußen gegangen und habe mit dem Schirm die Kamera vom Fensterrahmen entfernt. "Da ist einer in meinen intimsten Schutzraum eingedrungen", empört sie sich.

Ein Dreivierteljahr später soll R. sie in ihrem Schlafzimmer gefilmt haben. "Da ist totaler Ärger und Wut, dass ich nicht mehr frei entscheiden kann, ob ich ein Fenster öffnen kann oder nicht", sagt die Zeugin. Jetzt habe sie "alles verrammelt". Das sei schade, denn es "trübt die Freude an dem Haus", sagt die 57-Jährige.

"Es war für mich wie Briefmarkensammeln"

Auch die Mutter von zwei kleinen Kindern hatte eine Kamera an ihrem Haus entdeckt. Ihr erster Gedanke sei gewesen: "Dass etwas mit den Kindern passiert." Hartmut R. entschuldigt sich bei den Zeuginnen. Beide wollen keine finanzielle Entschädigung. Sie wüschen sich nur eines: Der 54-Jährige soll eine Therapie machen.

Die Idee, mit Minikameras Frauen zu beobachten, sei ihm auf einem Spaziergang gekommen, so R. 2010 habe er damit begonnen. Im Zuge der NSA-Spionageaffäre habe er sich gedacht, so etwas könne er auch. Was in ihm vorgegangen sei, wenn er Minikameras an fremden Badezimmern installiert habe, fragt Richter Enzler.

"Es war eine rauschhafte Situation. Das Risiko war mein Hauptantrieb, dabei erwischt zu werden. Das Spiel mit dem Risiko", antwortet der Angestellte. Die Aufnahmen habe er gespeichert. Sie seien so eine "Art Trophäe" für ihn gewesen. "Es war für mich wie Briefmarkensammeln."

Am Ende verurteilt Richter Matthias Enzler Hartmut R. zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Außerdem macht er dem Angestellten zur Auflage, 4000 Euro an die Initiative für Münchner Mädchen e.V. zu überweisen sowie eine Therapie zu beginnen.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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