Versuchter Mord mit Frostschutzmittel:"Du tot im Flur, Hans, so kenn ich dich ja gar nicht"

Lesezeit: 3 min

  • Brigitte L. soll versucht haben, ihren Ehemann mit Frostschutzmittel im Essen zu vergiften, um an sein Geld zu kommen. Dafür muss sie sich vor Gericht verantworten.
  • Brigitte L. bestreitet die Tatvorwürfe und spricht von einem Komplott ihres Mannes und ihrer Tochter.
  • Zeugen, Chats und eine Gutachterin zeichnen kein vorteilhaftes Bild von der Angeklagten.

Von Susi Wimmer, München

Wenn Frauen töten, dann tun sie das in den meisten Fällen heimtückisch. Das ist weniger einer Charakterschwäche geschuldet als der Tatsache, dass das männliche Gegenüber zumeist körperlich überlegen ist. Ergo muss Frau List und Tücke anwenden. Heimtücke zählt allerdings zu den Mordmerkmalen, womit Frauen auch härtere Strafen im Gegensatz zum Totschlag etwa zu erwarten haben. Momentan steht eine Frau vor der zweiten großen Schwurgerichtskammer am Landgericht München I, der nicht nur Heimtücke, sondern auch Habgier vorgeworfen wird: Brigitte L. soll versucht haben, ihren Ehemann mit Frostschutzmittel im Essen zu vergiften, um an sein Geld zu kommen.

Die Blicke von Hans L. ruhen während des Prozesses oft auf seiner Noch-Ehefrau. Als Nebenkläger verfolgt er jeden Verhandlungstag, das sei für ihn emotional "zum Teil sehr belastend", sagt er. Der Münchner ist 82 Jahre alt und glaubte, mit der acht Jahre jüngeren Brigitte ein spätes Glück gefunden zu haben. Stattdessen bekommt er nun zu hören, dass seine Frau bereits exakt ein Jahr nach der Heirat den Suchbegriff "Witwenrente" im Internet eingegeben hatte. "Mir ist das aufgefallen, weil man Anspruch auf die große Rente hat, wenn man mindestens ein Jahr verheiratet ist", sagt die Ermittlerin der Mordkommission im Zeugenstand. Und Hans L. erfährt, dass seine Frau drei Tage nach dem mutmaßlichen Giftattentat ihrer Tochter ein Comic-Bild via Handy geschickt hat. Darauf ist ein Mann zu sehen, der am Boden liegt, vor ihm steht eine Frau, die sagt: "Du tot im Flur, Hans, so kenn ich dich ja gar nicht."

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Von Susi Wimmer

Am Abend des 7. Mai 2018 lag Hans L. dann halb tot in seinem Häuschen in Perlach. Er sagt, er habe um Hilfe gerufen, seine Frau habe nur gefragt "geht's dir nicht gut", dann sei sie ins Bett gegangen. Er habe sich übergeben, sei auf allen Vieren zum Telefon gekrochen und habe nur noch eine Kurzwahltaste drücken können. Eine Freundin verständigte den Notarzt. Im Bogenhausener Krankenhaus wurde L. mit Verdacht auf Schlaganfall behandelt, entlassen wurde er mit der vagen Diagnose "vermutlich Lebensmittelvergiftung". Brigitte L. bestreitet die Tat. Ihr Anwalt Michael Löffler ist der Meinung, dass sich die körperlichen Symptome von Hans L. nur mit einer so genannten TIA, einer Art Mini-Schlaganfall, erklären lassen; besonders die Schwäche im rechten Bein, die eine Neurologin bei der Einlieferung von L. diagnostiziert hatte. Eine Tat zu planen und darüber zu fantasieren, beweise nicht, dass diese auch tatsächlich stattgefunden habe. Die Anklage wegen versuchten Mordes stehe "auf tönernen Füßen".

Tatsächlich hat es der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann mit einem reinen Indizienprozess zu tun. Der Vorwurf des versuchten Mordes kam erst ans Licht, als drei Wochen später eine Tochter von Brigitte L. zur Polizei ging und erklärte, ihre Mutter habe ihr am Telefon gesagt, sie habe "Hans um die Ecke bringen wollen".

Aus der Zeit des Krankenhausaufenthalts von Hans L. gibt es keine Laborergebnisse mehr, ein Abrieb im Flur, wo er sich übergeben hatte, ergab keine Hinweise auf das Frostschutzmittel Glykol. Und Hans L. kann sich nicht mehr erinnern, was er an dem Abend zu sich nahm: Maultaschen, Tortellini oder doch Kartoffelsalat. An dem Essen jedenfalls, erklärt er dem Gericht, sei ihm nichts aufgefallen. Brigitte L. schrieb am 3. Juni um 11.10 Uhr ihrer Anwältin, dass sie ein Komplott ihres Mannes und ihrer Tochter vermutete. Sie habe ihre Tochter soeben angerufen und sie gefragt, was Hans L. ihr für diese falsche Anschuldigung bezahlen würde. Ihre Tochter habe geantwortet: "Das muss du verstehen, er hat gesagt..." Dann habe sie, Brigitte L., das Gespräch abgebrochen.

Was Brigitte L. nicht wusste: Zu dem Zeitpunkt überwachte die Polizei bereits ihr Handy. Von diesem Handy ging um 11.21 Uhr ein Anruf an die Tochter von Brigitte L. hinaus - also elf Minuten nach der Nachricht an die Anwältin. Gesprochen wurde nichts. Stattdessen schwieg Brigitte L. 30 Sekunden lang in der Leitung.

Am Ende "wollte sie meine Existenz vernichten"

Die Zeugen in dem Prozess zeichnen kein vorteilhaftes Bild von Brigitte L. Einer ihrer Ex-Männer, ein evangelischer Pfarrer in Ruhestand, etwa sagt, seine Frau habe ihn belogen und betrogen - mit anderen Männern und auch finanziell. Am Ende "wollte sie meine Existenz vernichten". Sie brachte Zeichnungen in Umlauf, die angeblich von ihrer gemeinsamen Tochter, damals kaum drei Jahre alt, stammen. Auf den Bildern stehen Wörter wie "Penis" und "Papa". Die Frau sei "egozentrisch und kaltherzig", sagt der Ex. Die Menschen liegen ihr nicht am Herzen, "nur das Geld".

Die psychiatrische Gutachterin Susanne Lausch bescheinigte der Angeklagten unter anderem einen Hang zur Selbstinszenierung, parasitäre Verhaltensweisen, eine narzisstische Persönlichkeit und dissoziale Verhaltensweisen: "Ein guter Auftritt ist wichtig, die Regeln gelten für mich nicht, was kann ich wie erreichen, um zu Macht, Einfluss und Geld zu kommen, ohne selbst etwas zu tun." Allerdings wertete Susanne Lausch die Persönlichkeitszüge nicht als klinisch relevant, das heißt, Brigitte L. ist voll schuldfähig.

Am 30. April 2013 hatten sich Brigitte und Hans L. das Ja-Wort gegeben. Genau sechs Jahre später, am 30. April 2019, wird die Kammer voraussichtlich urteilen, ob, und wenn ja wie lange, Brigitte L. in Haft muss. Der Prozess wird an diesem Montag, 29. April, fortgesetzt.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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