Prozess:Frau erkennt Tatverdächtigen nach Vergewaltigung auf der Straße

Lesezeit: 2 min

  • Eine 36-Jährige ist überfallen und vergewaltigt worden - vier Wochen danach hat sie den mutmaßlichen Täter auf der Straße erkannt, er wurde festgenommen.
  • Nun steht der Mann vor Gericht. Er behauptet aber, die Frau noch nie gesehen zu haben.
  • Im Prozess sind einige Fragen offen. Außer der Aussage der Frau, die sich "hunderprozentig" sicher ist, gibt es keine Beweise.

Von Christian Rost

Eine Frau wird im Alten Botanischen Garten überfallen und vergewaltigt. Fünf Männer passen die 36-Jährige nach ihrer Schilderung am 2. August 2015 gegen 22 Uhr ab und zerren sie in ein Gebüsch - zwei halten sie fest, zwei stehen Schmiere und einer vergeht sich an ihr. Als sie einem der Unbekannten, der ihr den Mund zuhält, beißen und um Hilfe schreien kann, lassen die Täter von ihr ab und flüchten.

Das Opfer geht danach nicht zur Polizei. Doch einen Monat später erkennt sie den mutmaßlichen Haupttäter am Hauptbahnhof wieder und schlägt Alarm. Der 25-jährige Sutay D. wird festgenommen und muss sich seit diesem Mittwoch am Landgericht München I verantworten. Er bestreitet, etwas mit der Tat zu tun zu haben.

Offene Fragen - und widersprüchliche Angaben

Es ist ein Fall, bei dem viele Fragen offen sind, nicht zuletzt, weil das Opfer widersprüchliche Angaben macht. Zunächst beschäftigt die 8. Strafkammer unter dem Vorsitz von Gilbert Wolf die Frage, warum die Frau diese heftige und ungewöhnliche Tat nicht anzeigte. Sie selbst sagt, sie habe sich nichts davon versprochen. Gleichwohl hatte sie Sorge, den Tätern wieder zu begegnen. Möglicherweise hatte sie auch Angst, selbst Schwierigkeiten mit der Polizei zu bekommen. Denn gegen sie lagen zu jener Zeit zwei Haftbefehle wegen nicht bezahlter Geldstrafen für Drogendelikte vor.

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Als sie am 4. September 2015 in der Bahnhofswache erscheint und von der Vergewaltigung berichtet, wird sie tatsächlich festgenommen. Den Mann, den sie als Vergewaltiger wiedererkannt hat, stellen Polizisten wenig später am Bahnhofsplatz. Er steht dort seelenruhig und unterhält sich mit anderen Männern. Er begleitet die Polizisten ruhig zur Wache, wird dort aber wütend, als man ihn mit dem Vergewaltigungsvorwurf konfrontiert. "Ich habe die Frau in meinem ganzen Leben nicht gesehen", beteuert er.

Die Frau hatte auf der Wache noch erzählt, Sutay D. sei davongerannt, als sie ihn gestellt habe. Sie habe ihm zugerufen: "Du bist der aus dem Park", berichtet das Opfer, der Mann habe "Ja" gesagt und sei losgelaufen. Sie habe ihn nicht einholen können. Weshalb er sich dennoch weiter am Hauptbahnhof aufgehalten hat, noch dazu mit einem auffälligen, rosaroten Regenschirm, ist eine weitere Ungereimtheit, die das Gericht beschäftigt.

Außer der Aussage der Frau gibt es keine Beweise

Abgesehen von der Aussage des Opfers, es handle sich beim Angeklagten "hundertprozentig" um den Täter, liegen gegen ihn sonst keine Beweise vor. Unmittelbare Tatzeugen gibt es nicht, seine angeblichen Mittäter konnten nicht ermittelt werden und auch DNA-Spuren vom Täter gibt es nicht. Außerdem wurden die Verletzungen der 36-Jährigen nicht dokumentiert. Als sie nach ihrer Anzeige selbst in Haft saß, sagte sie bei einer ersten Befragung zu einer Polizistin, dass sie keine Verletzungsspuren am Körper habe.

Dann, bei einer weiteren Vernehmung, berichtete sie, der Täter habe sie brutal gepackt und ihr dabei Hämatome an den Oberschenkeln zugefügt. Die blauen Flecken waren aber nicht mehr zu sehen, obwohl sie nach den Angaben einer Sachverständigen vom Institut für Rechtsmedizin noch nach Wochen sichtbar sein können. Selbst Abdrücke von einzelnen Fingern seien nach einem kräftigen Zupacken mitunter längere Zeit zu erkennen. Auch von Kratzspuren berichtete die 36-Jährige nun: Einmal gab sie an, im Brustbereich gekratzt worden zu sein, ein andermal war es am Rücken. Sie hob ihr T-Shirt, um der Polizistin die Abschürfungen zu zeigen. Da sei jedoch nichts zu erkennen gewesen, sagt die Beamtin im Zeugenstand. Der Prozess wird Ende Januar fortgesetzt.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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