Prozess:"Du kannst dich ja gleich ganz ausziehen"

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Wehrt sich vor Gericht gegen den Vorwurf der sexuellen Nötigung: Siegfried Mauser mit seinen Anwälten Stephan Lucas (li.) und Alexander Stevens (re.). (Foto: Robert Haas)
  • Der ehemalige Musikhochschul-Rektor Siegfried Mauser wurde im vergangenen Jahr wegen sexueller Nötigung an einer Professorin zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
  • Von der sexuellen Nötigung einer Gitarristin sprach das Gericht ihn jedoch frei.
  • Sowohl der Staatsanwalt als auch die Anwälte von Mauser gingen damals in Berufung, weswegen der Fall erneut vor Gericht verhandelt wird.

Von Susi Wimmer

Gitarrenklänge schweben durch den Gerichtssaal A 231 am Landgericht München I. Für einen Augenblick ist alles vergessen, was war. Sogar die Aussage der Gitarristin. Sie hat erzählt, wie ihr damaliger Vorgesetzter, Musikhochschul-Rektor Siegfried Mauser, während einer Probe plötzlich ihren Kopf gepackt habe, wie er seine Zunge in ihren Mund gesteckt und sie begrapscht habe. Mauser war im Mai 2016 wegen sexueller Nötigung an einer Professorin zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden; von der sexuellen Nötigung der Gitarristin hatte das Gericht ihn aber freigesprochen. Gegen dieses Urteil gingen sowohl die Anwälte Mausers als auch Staatsanwalt Markus Michel in Berufung.

Zur Rekonstruktion der Geschehnisse, die das Gericht am Montag von der Gitarristin verlangte, hat die 61-Jährige ihr Instrument mitgebracht, eine äußerst wertvolle Gitarre aus der Werkstatt des Gitarrenbauers Edmund Blöchinger. Damals, im Jahr 2012, waren die Gitarristin und ihre Lebensgefährtin sowie der Chef der Musikhochschule nebst seiner Ehefrau gut miteinander bekannt. Mauser war der direkte Vorgesetzte der 61-Jährigen. Und er hatte sie im Juli 2012 zu einer Probe in sein Büro einbestellt.

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"Du kannst Dich ja gleich ganz ausziehen", mit diesen Worten soll er die Frau begrüßt haben, die durch einen Regenschauer nass geworden war. "Ja, das willst du wohl", habe sie flapsig zurückgegeben, erzählt die Frau im Zeugenstand. Bevor sie sich auf ihren Gitarrenstuhl gesetzt habe, hätte er ihr im Vorbeigehen heftig an die Brust gegriffen. Sie habe noch an ein Versehen geglaubt. Dann begannen sie ihr Duett. Allerdings wurde das nach den Worten der 61-Jährigen immer wieder durch heftige Attacken Mausers unterbrochen.

Er sei aufgestanden, habe ihren Kopf gepackt und nach hinten gedrückt, und ihr dann seine Zunge in den Mund geschoben. Dann habe er sich ans Klavier gesetzt und weitergespielt. Beim nächsten Angriff soll er ihr unter die Bluse gefasst und dann wieder weitergespielt haben. Und schließlich, so die Frau, habe er ihren Hosenknopf geöffnet und ihr in den Schritt gegriffen. Um die Gitarrenhaltung zu zeigen, lässt die Gitarristin vor Gericht besagte Töne eines klassischen Stückes erklingen und stellt dann die Gitarre ab.

Der Angeklagte nennt sich einen "kontaktbetonten Mensch"

Siegfried Mauser verfolgt die Ausführungen mit wachsendem Interesse. Er macht sich Notizen, lächelt einer Frau zu, die den Zuschauerraum betritt. Der 62-Jährige mit den grauen Haaren, dem Bauchansatz und dem Vollbart hatte vor ein paar Tagen ausgesagt, er sei ein sehr "kontaktbetonter Mensch" und dass seine überschwängliche Kontaktbereitschaft wohl missverständlich sein könne.

Ob die Gitarristin ihrem Vorgesetzten nicht gesagt habe, dass er aufhören solle, will der Richter wissen. "Ich war erschreckt, verängstigt, mir ist so etwas noch nie passiert", sagt die 61-Jährige aus. Sie habe nur versucht, sich körperlich etwas von ihm wegzudrücken, "ich hatte die teure Gitarre am Schoß, und ich bin nicht ausgebildet in Nahkampf". Aus Scham und Angst, dass man ihr nicht glauben würde, habe sie nicht sofort Anzeige erstattet. Erst als sie von einem zweiten Opfer Mausers erfuhr, wagte auch sie diesen Schritt.

Das Gericht wird nun entscheiden müssen, ob Mauser die Gitarristin sexuell genötigt hat. Außerdem wird Mauser ein weiterer Vorfall vorgeworfen, bei dem er im April 2009 versucht haben soll, in seinem Büro eine Professorin sexuell zu nötigen. Mausers Anwälte Alexander Stevens, Philip Müller und Alexander Betz waren mit der Bewährungsstrafe in erster Instanz nicht zufrieden. Staatsanwalt Markus Michel auch nicht: Er hatte für Mauser eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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