Theater:Scharfzüngige Paartherapie

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Zwischen Wahn und Wirklichkeit: Henry (Felix von Manteuffel) und Emily (Leslie Malton) träumen im Stück "Ein Oscar für Emily" vom ganz großen Ruhm. (Foto: Thomas Räse)

Liiert im echten Leben und auf der Bühne: Leslie Malton und Felix von Manteuffel streiten in der Komödie im Bayerischen Hof über die Geheimnisse einer Schauspieler-Ehe.

Von Barbara Hordych

Irritationen gibt es von Anfang an bei der Premiere von "Ein Oscar für Emily", einem Stück des Autorenduos Folker Bohnet und Alexander Alexy, in der Komödie im Bayerischen Hof. Warum erscheint Emily (Leslie Malton) mit einem Staubwedel als Kopfschmuck? Wieso spricht Henry (Felix von Manteuffel) beim Telefonieren in eine Leitung, die offensichtlich längst aus der Wand gerissen wurde? Und was bedeutet das Plakat, das eine ikonische Filmszene aus "Gone With The Wind ("Vom Winde verweht") zeigt, allerdings mit dem Titel "One With The Wind" und den Darstellern Emily White und Henry Porter?

Tatsächlich erinnert es ein wenig an Pippi Langstrumpfs übermütig geträllertes Lied "Ich mach' mir die Welt / Widdewidde wie sie mir gefällt", was das ältere Schauspielerpaar in einem bescheidenen Vorort-Appartement am Tag vor der alles entscheidenden Nacht in Los Angeles in der Regie von Leonhard Koppelmann und Peter Jordan auf die Bühne bringt. In steter Konkurrenz werfen sich Emily und Henry Kostproben ihrer legendären Rollen-Erfolge an den Kopf, Romeo und Julia, Hamlet und Ophelia und höchst passenderweise auch Zitate aus Edward Albees berühmtem Ehedrama "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?", das die beiden ebenfalls gespielt haben wollen. Jeder von ihnen macht sich Hoffnungen auf eine Würdigung seines Lebenswerks, keiner gönnt sie dem jeweils anderen.

Erschöpft vom Tag, dabei steht der große Auftritt bei der Oscar-Nacht noch bevor: Leslie Malton als Emily in der Komödie im Bayerischen Hof. (Foto: Thomas Räse)

Nach 45 Ehejahren ist Stoff für einen scharfzüngigen Schlagabtausch überreichlich vorhanden, mit Verve vorgetragen von einem echten Schauspielerpaar in dieser Produktion des Berliner Renaissance Theaters. Textlernschwächen ("Wenn du nur nicht immer die Nachtigall und die Lerche verwechselt hättest") sind da noch die harmloseren Vorwürfe. Immer wieder irrlichtert die große, und dann knapp verpasste Chance für Henry durch beider Erinnerungen. Er hätte an der Seite von Liz Taylor in einer Hollywood-Produktion spielen sollen, wäre da nicht dieser Eklat gewesen, hätte er nicht die 16-jährige Nachbarstochter "betatscht", wie Emily ihm vorwirft. Ob es so war oder auch nicht, darüber kursieren zwischen den Eheleuten gegenteilige Ansichten. Genauso wie über ihren Sohn Bill. Ist der nun Arzt oder doch eher Anwalt ?

Nun, Emily und Henry haben sich offensichtlich in ihrer eigenen Traumwelt eingerichtet. In der die Fragen des jungen Boten Jeff (Jonas Minthe) vom mobilen Mittagstisch nur stören. Trotzdem spielt er bereitwillig das Publikum für die beiden exaltierten Streithähne, die nur widerwillig Wirklichkeitseinsprengsel in ihrer Wahnwelt zulassen. Spätestens jetzt kippt das Stück endgültig von einer Komödie zur Tragödie. Zu schmerzlich ist wohl der Tod des Sohnes, hinter dem sich, auch da gibt es Anklänge an Albees Drama, ein schreckliches Geheimnis verbirgt. Doch eigentlich, und da ist das Stück in seiner menschlichen Dimension sehr spannend, geht es um eine ganz andere Frage: Wie sollen Menschen mit der Erkenntnis umgehen, dass sie in der Profession, die sie so über alles lieben, nur mittelmäßig sind? Der Weg, den Emily und Henry einschlagen, ist zwar ungewöhnlich kurios, aber auch ungewöhnlich kreativ.

Ein Oscar für Emily, bis 26. Februar, Komödie im Bayerischen Hof, www.komoedie-muenchen.de

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