Rauschende Sommernacht der Stars:Freibad im Kino

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Alle drauf: Regisseurin Doris Dörrie mit den Darstellerinnen Andrea Sawatzki, Maria Happel und Nilam Farooq (von links). (Foto: Catherina Hess)

Die neue Komödie von Doris Dörrie feiert im Arri die Weltpremiere, und auch im "Lucky Who" genießen es die Stars, nach jahrelanger Zwangspause wieder im Rampenlicht zu stehen.

Von Thomas Becker

Ein bisschen bekloppt ist es ja schon, sich bei diesem Wetter zwei Stunden lang in einen finsteren Saal zu setzen. Ausgerechnet jetzt, abends um sechs, wo der Münchner Sommer am allerschönsten ist: irres, flirrendes Licht, nicht mehr so heiß, aber doch noch angenehm warm auf der Haut. Upper Bavarian Bacardi Feeling. Aber es ist ja Filmfest, und statt noch mal eben ins Freibad zu gehen, geht man nun halt ins "Freibad", zu Doris Dörries neuer Komödie, die beim Filmfest Weltpremiere feiert. Ein Wort, das die Regisseurin im Kinosaal gleich mal einzufangen bemüht ist: "Den Begriff Weltpremiere bitte vermeiden! Das klingt so imperialistisch."

Endlich schlägt das Imperium Film wieder zurück. Nimm das, Corona! Nach zwei finsteren Jahren kehrt nun auch die Filmbranche zurück ins geliebte Scheinwerferlicht. Und wer am ersten Filmfest-Wochenende nach gefühlt mehreren Lichtjahren an ein paar roten Teppichen zuschauen darf, der kann bei so manchem Schauspielmenschen die Dankbarkeit über die lang entbehrte und nun wiedergewonnene Aufmerksamkeit fast mit Händen greifen. Andrea Sawatzki zum Beispiel. Als im Foyer des Arri-Kinos der Aufgalopp der "Freibad"-Crew vor der Fotowand beginnt, knipst die Aktrice bei ihrer ersten Kino-Premiere seit drei Jahren ein derart glückliches Lächeln an, das nur aus dem tiefsten Inneren kommen kann.

Ein höchst elegantes, schwarzes Schlauch-Kleid trägt sie, und über den neuen Film zu reden, in dem sie eine der beiden Hauptrollen spielt, ist ihr ein Leichtes: "Ein Film, in dem man sehr gut lachen kann. Und bei dem man direkt Lust hat, ins Freibad zu gehen, um unter Wasser nochmal alles durchzugehen." Dabei sei sie früher fast nie ins Freibad gegangen, höchstens mal ins Prinze. Sondern: "Lieber in die Isar - da konnte ich die Hunde mitnehmen." Heute sei ihr liebstes Bad der Schlachtensee in Berlin, sagt sie und lächelt ihr seliges Glücks-Lächeln.

Kollegin Nilam Farooq, im vergangenen Jahr mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet, gibt dagegen im langen, glitzernden Taubenblauen die kühle Schöne. Als gebürtige Berlinerin war ihr Freibad das "Locho" in Wilmersdorf, aber für den Film, der in einem Bad in Ainhofen im Dachauer Hinterland gedreht wurde, habe sie nochmal Schwimmunterricht genommen. Hat sich gelohnt: Sieht ziemlich dynamisch aus, wie sie da durchs Wasser pflügt.

"Ich mache seit 46 Jahren Film in dieser Stadt"

Dynamik ist ein Begriff, der einem auch bei Doris Dörrie gleich in den Sinn kommt. Das Filmfest ehrt sie heuer mit einer Hommage, was ja immer ein wenig klingt, als sei es das gewesen mit ihrem Filmschaffen. Dem ist natürlich in keiner Weise so, und so nimmt die 67-Jährige diese Ehre zwar mit Freude zur Kenntnis, jedoch nicht ohne eine kleine Spitze abzuschießen: "Jetzt schon eine Hommage? Ich mache seit 46 Jahren Film in dieser Stadt! Da denke ich schon mal drüber nach. Aber das mindert meine Freude nicht." Jetzt gelte es aber erst mal, "die Gelegenheit zu nutzen und Kultur aufzusaugen - wer weiß, wie lange es geht". Außerdem gebe es ja noch anderes zu bereden: "Eigentlich ist heute ein trauriger Tag, denn in den USA sind die Abtreibungsgesetze wieder zurückgedreht worden. Aber der Kampf geht weiter!"

"Es geht um die Frage, wem gehört der weibliche Körper?"

Denn so witzig und "zeitgeistig, ohne woke zu sein" (Constantin-Geschäftsführer Torsten Koch), Nordbad-Fan Dörrie ("Meine Oase!") in ihrem neuen Werk (Kinostart ist am 1. September) den Mikrokosmos Freibad auch verhandelt, steckt dahinter ja ein ernstes Thema: "Es geht darum, wie wir Demokratie neu verhandeln, wie wir Frauenrechte verteidigen", sagt Dörrie, "und um die Frage: Wem gehört der weibliche Körper?" Als Teenager habe sie sich mal Sonnenbrand in den Kniekehlen geholt, weil sie einen Jungen den ganzen Freibadtag lang nur aus der Bauchlage anzuschmachten traute. Schuld daran war ein flapsig hingeworfener Satz, der ihr bis heute in Erinnerung ist: "Du hast ja 'ne schöne Babywampe!" Seit Instagram & Co. nennt man das Bodyshaming.

Politikerinnen bei der Premiere: Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (links) und Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien (beide Grüne). (Foto: Catherina Hess)

Auch Claudia Roth kann davon ein Lied singen. Die Staatsministerin für Kultur und Medien steht mit Dörrie vor Filmbeginn auf der Bühne des Arri, erzählt von einem vom Bademeister erzwungenen Sprung vom Zehner und von Jugend-Sommern am Weiher im heimischen Babenhausen, wo es darum ging, wer am nächsten bei den coolen Jungs von der Wasserwacht auf dem Handtuch liegt. Man ahnt es: Claudia Roth lag ziemlich nahe dran.

Während der Corona-Zwangspause ist Julia Koschitz der ganze Rummel abgegangen

Nach einer kurzen Radltour durch die nun an allen Ecken und Enden massiv Richtung wilde Sommernacht pulsierende Maxvorstadt trifft man bei der RTL-plus-Party "Fiction. Feste. Feiern" im "Lucky Who" an der Briennerstraße auf eine weitere Größe, die schon seit einer gefühlten Ewigkeit nah dran war und ist: Veronica Ferres, diesmal im ungewohnt saloppen Streetwear-Dress, ganz in Schwarz, bis runter auf die Sneakers. Tochter Lilly Krug kommt mit lustig wippendem Pferdeschwanz und im weiß gepunkteten schwarzen Minikleid ebenfalls eher leger daher, jedenfalls im Vergleich zu ihrem filmreifen Outfit bei den Filmfestspielen in Cannes.

Schließlich lebt die junge Frau nicht nur in München, sondern auch in Los Angeles, wenn sie nicht gerade irgendwo mit John Malkovich oder Gerard Butler dreht. Hach, Hollywood.Den Auflauf um ihre Person ist sie allmählich schon gewöhnt. Kollegin Julia Koschitz braucht dagegen noch ein bisschen. Der Rummel sei ihr schon sehr abgegangen, erzählt die Österreicherin und meint damit nicht unbedingt die Empfänge und Filmfestpartys, "sondern dass man jetzt endlich wieder all die Menschen sehen kann, die man so lange nicht sehen konnte".

Endlich wieder Rampenlicht: Julia Koschitz bei der RTL-plus-Party an der Brienner Straße. (Foto: Catherina Hess)
Ungewohnt salopp: Veronica Ferres. (Foto: Catherina Hess)

Der Feiergemeinde im "Lucky who" geht das nicht anders. Bei Himbeer-Spritz und Moscow Mule gibt es so viel zu erzählen, und die Dior-Handtaschen, Gucci-Hemden und die gut gebräunte Haut unterm weißen, senfgelben oder orangefarbenen Sommerkleid wollen ja auch mal wieder hergezeigt werden. Der DJ schickt einen zu vorgerückter Stunde vom einen "Throwback" ("Easy" von den Commodores) in den nächsten (Terence Trent d'Arby!), und prompt hat man die Worte von Julia Koschitz wieder im Ohr: "Das muss mehr werden." Gut, sie hatte damit ihren Kino-Konsum gemeint, denn außer dem Eröffnungsfilm des Filmfests habe sie noch nichts gesehen. Na dann, ab ins "Freibad"!

Zum Schluss noch eine Bitte an Doris Dörrie: Wenn Sie mal wieder so einen Freibadfilm drehen, dann feiern Sie die Premiere doch bitte da, wo sie hingehört: im Open-Air-Kino des Ungererbades. Eh höchste Zeit, dass das wieder zum Leben erweckt wird.

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