Pop:Grenzenlose Soundpalette

Lesezeit: 2 min

Die zweite Ausgabe des experimentellen Musikfestivals "Alien Disko"

Von Martin Pfnür, München

Über mangelnde Auslastung wird sich Markus Acher kommenden Samstag wohl eher nicht beschweren. Weder im Hinblick auf Besucherzahlen - und schon gar nicht, was den eigenen musikalischen Output anbelangt. Während nämlich der zweite Festivalabend der zweiten, von Acher und seiner Hauptband The Notwist kuratierten "Alien Disko" in den Kammerspielen einerseits quasi ausverkauft ist, beginnt selbiger für den Münchner Musiker auf der Bühne des Schauspielhauses, wo er mit The Notwist diesmal primär Filmmusik kredenzt. Dann geht es rüber in die Kammer 2, wo er mit seinem deutsch-japanisch-britischen Kollaborationsprojekt Spirit Fest (das im Rahmen der ersten Ausgabe auch ein Album aufnahm) feinsten Kammerpop spielen wird. Tja, und dann steht um Mitternacht im Blauen Haus ja noch ein Auftritt an, bei dem er als Drummer der rumpelig jazzenden Hochzeitskapelle auf den karibisch angehauchten Folk von G.Rag y los Hermanos Patchekos trifft.

Optisch wie akustisch mysteriös: Die UK-Elektropop-Formation "Vanishing Twin" ist eine der Gastbands beim von "The Notwist" kuratierten Festival. (Foto: Elliott Arndt)

Drei Konzerte sind das, die sich in ihrer stilistischen Streuung auch gleich repräsentativ heranziehen lassen für die frappierende Breite an experimentell geprägten Klängen, mit der die "Alien Disko" auch dieses Jahr aufwartet. 19 Gigs erwarten die Besucher dort in den Kammern 1 bis 3 sowie im Blauen Haus, und hört man sich durch das handverlesene internationale Line-up, kommt man als musikalisch interessierter Mensch kaum umhin, eine gewaltige Vorfreude auf diese Veranstaltung aufzubauen. Liegt dieser doch auch ein Gedanke zugrunde, wie er unkommerzieller kaum sein könnte. "Viele unserer Lieblingsbands kommen leider nicht mehr nach München, weil es hier jenseits des Mainstreams oft schwer ist ein Publikum zu finden", sagt Markus Acher. "So entstand die Idee, ein Notwist-Konzert zu geben und gleichzeitig so viele unserer Lieblingsacts wie möglich einzuladen. Verdienen tun wir dabei nicht wirklich etwas, aber wir sind schon froh, wenn wir die Kosten decken."

Es ist neben wahrer Fanschaft also vor allem auch die Lust am Vermitteln von unbekannter, ja "fremder" Musik, die Markus Acher und seinen Bruder Micha als Kuratoren umtreibt. Die namentlich von ihrem Label Alien Transistor abgeleitete "Alien Disko" wirkt dabei wie ein Statement, das auch über das Musikalische hinausgeht. "Angesichts der politischen Situation in weiten Teilen der Welt, wo die Tendenzen Richtung Nationalismus und Rassismus zunehmen, wird es natürlich immer wichtiger, grenzenlose Diversität und Kreativität zu feiern", sagt Acher.

Gemessen am Angebot der zweiten "Alien Disko" dürfte das nur zu gut funktionieren. Lautes und Leises, Wohlklingendes und Krachiges, Digitales und Analoges, Auskomponiertes und Improvisiertes fügt sich hier zu einer Soundpalette zusammen, deren gemeinsamen Nenner Acher einzig in der schweren Kategorisierbarkeit und dem individuellen Ansatz der Teilnehmenden ausmacht.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Da sind etwa Shabazz Palaces, ein Duo aus Seattle, das mit Oldschool-Hip-Hop begann, sich dann aber über psychedelische Frickelsounds weit über die Grenzen des Hip-Hop hinausarbeitete. Da sind Konono No 1, eine Formation aus dem Kongo, die mit Daumenklavieren und Megafonen traditionelle afrikanische Klänge ins Futuristisch-Elektronische überführt. Oder Amiina, ein Streichquartett aus Island, das seine fein getupften Stücke mit einem Stummfilm zu einer audio-visuellen Erfahrung verwebt, die ebenso eindrücklich ausfallen dürfte wie jene des englisch-neuseeländischen Duos Sculpture, das mit Tonbändern und Kassettenrecordern arbeitet, und seine Visuals mit einem Tageslichtprojektor und Farbschablonen auf einem rotierenden Plattenspieler herstellt. Natürlich wäre hier noch vieles mehr zu erzählen. Über Post-Punkiges von Drahla aus England, Free-Jazziges von Mats Gustafsson aus Schweden, Folkiges von Sam Amidon aus den USA oder die immens melodischen Stereolab-Gedächtnisklänge der UK-Band Vanishing Twin, die sich in ihren kubistischen Kostümen auch auf dem Alien-Disko-Plakat findet. Nur hören und staunen müssen die Besucher selbst. Ein paar Restkarten gibt es noch.

Alien Disko , Freitag und Samstag, 15. und 16. Dezember, 20 Uhr, Kammerspiele, Maximilianstr. 26

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: