Planegg/Gräfelfing:Plausch mit Punsch

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Corona-Ausbrüche, Besuchsverbote: Wie Altenheime versuchen, dennoch Adventsstimmung zu schaffen

Von Annette Jäger, Planegg/Gräfelfing

Der Rosengarten ist ein Lichtermeer, vor dem Haus steht eine Marktbude, an der sich Bewohner einen Punsch abholen und plaudern können. Weihnachten völlig anders gestalten und doch irgendwie eine besinnliche Stimmung schaffen - das ist die Aufgabe, die das Evangelische Alten- und Pflegeheim Planegg, wie so viele andere Einrichtungen auch, zu bewältigen hat. Die Corona-Pandemie hat das Leben im Haus völlig verändert. Mit neuen Routinen und viel Disziplin hangeln sich Personal und Bewohner durch den neuen Alltag.

Gottesdienste und Gymnastik werden über den Hauskanal übertragen

"Wir sind sehr dankbar", sagt Fabian Müller, der mit einer Kollegin den Bereich soziale Betreuung leitet. Weil die Bewohner in Wohnbereichen zusammengefasst sind, die jeweils als ein Hausstand gelten, waren dieser Tage Weihnachtsfeiern in kleinen Kreisen möglich. Wo sonst 100 Bewohner zusammenkamen, sind es jetzt 30, die sich mit Mundschutz und auf Abstand treffen. Eine Pianistin hat gespielt, mit negativem Testergebnis in der Tasche.

Für Fabian Müller ist diese Situation schon ein großer Fortschritt. Im Frühjahr, während der ersten Corona-Welle, sei das Haus geschlossen gewesen, da habe es viele depressive Verstimmungen unter den Bewohnern gegeben. Jetzt können die Bewohner ein- und ausgehen, Besucher dürfen kommen, wenn auch unter Auflagen, auch der Speisesaal ist wieder geöffnet, statt vier sitzen jetzt nur zwei Personen an einem Tisch. Das freut Rysoletta Doelfs besonders. "Sich einmal am Tag zu unterhalten ist schön", sagt die 93-Jährige. Im Frühjahr habe es nur Essen im Zimmer gegeben, "da war alles schlimmer".

Menschen aus einem gemeinsamen Wohnbereich im Planegger Altenheim dürfen sich im lichtergeschmückten Garten treffen. (Foto: Catherina Hess)

Damals gab es einen Corona-Ausbruch, etliche Bewohner verstarben. Seitdem habe das Haus das Infektionsgeschehen unter Kontrolle, alle Mitarbeiter werden zweimal pro Woche getestet, sagt Nadine Willecke, Pflegedienstleitung. Sobald ein positiver Fall auftritt, wird Essen wieder auf dem Zimmer serviert. "Das ist immer schwierig für die Bewohner", weiß Müller. Das soziale Leben finde derzeit oft "hinter Türen" statt. Damit meint er die vielen persönlichen Besuche des Betreuungspersonals auf den Zimmern, die ein kleiner Ersatz für die großen geselligen Veranstaltungen im Haus sein sollen. Auf den Zimmern fänden viele intime Gespräche statt, er kriege jetzt mehr mit, was die Bewohner persönlich bewegt. Das erlebt auch Nadine Willecke so, "es gibt mehr Gesprächsbedarf auf der Seelenebene". Auch wenn es nur fünf Minuten seien, die man einem Bewohner ein Ohr schenke, helfe das schon.

Auch im Caritas-Altenheim St. Gisela in Gräfelfing ist das soziale Leben heruntergefahren, sagt Mirjam Dirscherl, Leiterin Betreutes Wohnen und Ambulanter Dienst. Hausgottesdienste und die hauseigene Gymnastik werden über den Hauskanal im Fernsehen übertragen. "Gerade in der Adventszeit vermissen alle die gemütlichen, geselligen Adventsnachmittage." Aktuell hat das Haus eine Reihe von Neuinfektionen zu bewältigen. Auf einem Stockwerk sind nacheinander 14 Bewohner positiv getestet worden, die - bis auf einen Fall - alle symptomfrei sind. Für die Bewohner sei das Verbleiben im eigenen Zimmer nicht immer einfach. "Einige können dies auch schwer verstehen, da sie sich nicht krank fühlen", sagt Dirscherl.

Auch in den Zimmern sind Treffen unter Einhaltung der Pandemie-Regelungen erlaubt. (Foto: Catherina Hess)

Neue Verordnungen zum Umgang mit der Pandemie, die nicht selten sonntags verkündet werden, stellen die Mitarbeiter in allen Einrichtungen montags dann vor große Herausforderungen. Zuletzt war es die Bestimmung, dass Besucher nur mit einem negativen Test ins Haus dürfen. Dann steht das Telefon nicht still, es rufen Angehörige an mit vielen Fragen, schildert Willecke die Situation. Das Personal sei ausgelastet damit, Mitarbeiter und Bewohner regelmäßig zu testen - Besucher zu testen, könne das Heim nicht stemmen. Wie sich die Verordnung an den Feiertagen gestaltet, wird noch spannend, meint Müller. Über Weihnachten einen Test zu erhalten sei vermutlich schwierig. In St. Gisela ist es gelungen, seit Freitag hausinterne Testzeiten für Besucher anzubieten.

Sich aufrappeln nach einem Durchhänger, das gelingt nicht jedem gleich gut

Im Rudolf-und-Maria-Gunst-Haus im Gräfelfinger Ortsteil Lochham ist das Spazierengehen im Haus noch nicht erlaubt, Besuche sind nur im Foyer möglich, im Ausnahmefall im Zimmer. Auch der Speisesaal ist zu. Das Haus hatte im November mehrere Positivfälle zu verzeichnen und auch Todesfälle. Es war der erste Corona-Ausbruch im Haus. "Jetzt sind wir fünf Minuten vor der Impfung, da wollen wir nichts mehr riskieren," sagt Jürgen Troll, Leiter der Einrichtung. Auch hier müssen Besucher ihr negatives Testergebnis selbst mitbringen. Manch Angehöriger betrachtet das als Zumutung an Feiertagen.

Auch wenn sich alle bemühen, sich so gut wie möglich zu arrangieren, ist die Stimmung nicht immer gut. "Ich habe auch mal meine Durchhänger", sagt Rysoletta Doelfs. "Ich rapple mich aber immer wieder hoch." Das gelinge nicht allen. Dass sie in der letzten Zeit ihres Lebens "in so eine Pleite" geraten konnte, ist für sie immer noch kaum vorstellbar. Auf zwei Dinge freut sie sich besonders: "meine Kinder mal zu umarmen und große Feste in der Familie zu feiern".

© SZ vom 19.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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