Pinakothek der Moderne:Sicherungsverwahrung für Kunst

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Fertig zum Abtransport: Die Fotografien der Fritz-Winter-Ausstellung sind hinter blauem Klebeband verschwunden. Foto: Catherina Hess (Foto: Catherina Hess)

Stau im Kunstbunker: Die Pinakothek der Moderne wird nun wegen Renovierungsarbeiten für ein halbes Jahr geschlossen. Wertvolle Kunstwerke müssen fachgerecht verstaut werden. Für Restauratoren sind Abhängen und "Einhausen" eine echte Herausforderung.

Von Evelyn Vogel

Einmal schon mussten die bis zu drei Tonnen schweren Einzelteile umziehen. Kurz nach dem Beginn des neuen Jahrtausends war das. Damals brachte man die Bodeninstallation "Das Ende des XX. Jahrhunderts" von Joseph Beuys, die er selbst 1984 im Haus der Kunst installiert hatte, von dort in die Pinakothek der Moderne, wo sie zur Eröffnung des Museums 2002 einen eigenen Raum erhielt. 44 Steine, jeder bis zu 1,5 Meter lang, eine Installation aus Basalt, Ton und Filz. "Das war ein großer Aufwand", erinnert sich der leitende Restaurator der Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, Florian Schwemer.

Dabei meint Schwemer aber nicht nur Masse und Gewicht der Tonnen schweren Beuys-Installation, "auch die Komplexität der Anordnung stellt eine Herausforderung dar". Wie genau liegen die Einzelteile, wie sind die kegelförmigen Ausschnitte wieder eingesetzt, wie viel lehmgetränkten Filz hat Beuys damals wo wie dazwischengesteckt? Und wie ist das mit den kleinen Bruchstücken darunter, kann man ihre Anordnung bei einem Transport wirklich gewährleisten?

Die erst zehn Jahre alte Rotunde wird generalsaniert

Diese und ähnliche Fragen haben sich die Kuratoren der Pinakothek der Moderne und die Restauratoren des Doerner Instituts, die die Pinakotheken konservatorisch betreuen, in den vergangenen Wochen und Monaten gestellt, seit Juli vergangenen Jahres öffentlich bekannt gegeben wurde, dass die Rotunde der erst zehn Jahre alten Pinakothek der Moderne wegen der Risse generalsaniert und das ganze Haus deshalb geschlossen werden muss. Eine ziemliche Pleite für den auf seine Museen so stolzen Freistaat und ein Imageverlust für die "Kunststadt" München.

Nach diesem Wochenende ist es soweit. Dann macht die Pinakothek der Moderne für ein halbes Jahr dicht. Wenn alles gut geht. Wenn es keine Verzögerung gibt. An diesem Wochenende ist noch einmal Gelegenheit, in dem von vielen Münchnern schnöde "PdM" genannten Museum vorbeizuschauen. Denn fast alle Ausstellungen wurden bis zum 24. Februar verlängert. Von Montag an ist die Pinakothek der Moderne dann geschlossen.

Bis 2. April wird abgehängt, eingepackt, weggeräumt, abtransportiert - oder an Ort und Stelle staubdicht verpackt. Eingehaust nennt man das. Letzteres betrifft vor allem die Objekte des Design-Museums. So wird beispielsweise der Setzkasten der Neuen Sammlung, den die Besucher schon von der Rotunde aus sehen können, nicht leer geräumt, sondern komplett gegen Staub und Dreck geschützt.

Pinakothek der Moderne Die PIN bereite sich auf den Umzug und die Renovierungsarbeiten vor und packt die Kunstwerke ein. Foto:Catherina Hess (Foto: N/A)

Geschraubt und gepackt wurde schon in den letzten Tagen an der einen oder anderen Stelle. Aber so, dass die Besucher davon nur wenig mitbekommen haben. "Alle Kuratoren und allen voran unser Generaldirektor Schrenk wollten, dass die Besucher die Pinakothek bis zum letzten Tag vor der Schließung so erleben können, wie sie es gewohnt sind", beteuert Tine Nehler, die Sprecherin der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Und so strömten noch die ganze Woche über Besucher aller Altersklassen durch das Museum, Schulklassen wurden geführt, Individualbesucher schauten eben noch mal schnell in einer der Sonderausstellung vorbei, Trupps von Senioren verharrten vor ihren Lieblingswerken. Und alle schoben sich die verschlankten Treppen zu den Garderoben und Toiletten hinunter. Denn auch daran sind die Besucher nun schon seit mehr als einem Jahr gewohnt: An die durch die Sicherungsmaßnahmen eingerüstete Rotunde, die an manchen Stellen wie ein Verpackungsobjekt von Christo wirkt.

Ein unterirdisches Depot in der Größe eines halben Fußballfeldes

12.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche hat das Haus. Dennoch können von den Tausenden von Kunstwerken, die sich in den Sammlungsbeständen der vier Häuser befinden, immer nur einige Hundert ausgestellt werden. Und die alle müssen nun entweder eingehaust oder in das Depot unter dem Museum gebracht werden. 4000 Quadratmeter stehen hier zur Verfügung - was in etwa der Größe eines halben Fußballfeldes entspricht. Sicherungsverwahrung für ein gutes halbes Jahr.

Wie die aussieht, konnte man dieser Tage schon mal miterleben, als Heimo Zobernigs zwölfteilige Spiegelwand von Mitarbeitern der Museums- und Ausstellungstechnik unter Aufsicht der Restauratoren abgeschraubt und verpackt wurde. Sonderausstellungen wie die Zeichnungen von Beuys oder die Tuttle-Schau, beide aus Privatsammlungen, gehen zurück an die Leihgebern. Eine Sorge weniger.

"Hier geht es ja nicht nur darum, die Kunstwerke vor Staub und Dreck zu schützen, sondern auch vor mechanischen Belastungen wie Erschütterungen", erklärt Schwemer. Wäre es dennoch nicht möglich gewesen, die Arbeiten alle an Ort und Stelle zu belassen und die dann geschlossenen Brandschutztüren staubdicht abzukleben? Auch diese Lösung habe man bedacht - und verworfen. Denn wenn die Rotunde über Wochen und Monate mit Schlagbohrern bearbeitet wird, könnten die Erschütterungen, die sich über Böden, Decken und Wände übertragen, die Kunstwerke so durchrütteln, dass sie Schaden nehmen.

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Schon die Sicherungsverwahrung erfordert äußerste Vorsicht. Manche moderne Kunstwerke sind so fragil, dass ein klassisches Gemälde mit gefirnisster Leinwand dagegen geradezu stabil wirkt. Schwemer deutet auf einen großformatigen Baselitz. "Der hier hat beispielsweise einen ganz minimalen Rahmen", hier müsse man schon beim Abnehmen sehr vorsichtig sein. Das Bild wird wie einige andere einen Schutzrahmen erhalten, der für zusätzliche Stabilität sorgt und die Oberfläche vor dem Kontakt mit der Verpackung schützt. Muss der Baselitz den Sommer im Depot kopfunter verbringen oder darf er zur Abwechslung auch mal kopfüber?

Der leitende Restaurator der Sammlung Moderne Kunst, Florian Schwemer, packt eifrig mit ein. Foto: Catherina Hess (Foto: Catherina Hess)

Auch Schwemers Kollegin, Irene Glanzer, hat sich viele Gedanken gemacht, wie welche Arbeit am besten wegzupacken sind. Besondere Anforderungen stellen povere Materialien. Ian Kiaers Installation in der Sammlung Moderne Kunst im Ostflügel besteht aus solchen: Kunststofffolien, ein Styroporblock und diverse andere Alltagsmaterialien.

Aber gerade diese unterschiedlichen Materialien und Größen der Einzelteile erfordern einen hohen logistischen Aufwand und maßgeschneiderte Verpackung, sagt die Konservatorin. Dagegen lässt sich Dirk Bells meterhohe Stahlskulptur "Free Love" relativ problemlos abbauen und verpacken. Hier braucht es nur genug starke Arme, um die Streben beim auseinanderschrauben zu halten.

Welches Klebeband ist das richtige?

In der Fritz-Winter-Ausstellung, die im Westflügel gerade abgebaut wird, diskutiert man ebenfalls über Verpackungsmaterialien. Welches Klebeband überhaupt geeignet ist - da gibt es einige, die zu viele Weichmacher enthalten. Welches im Speziellen, um beispielsweise die Verglasung der Fotos zu schützen. Und dann kleben die Spezialisten munter drauflos. Schließlich verschwinden die Fotografien hinter Streifen von blauem Klebeband. "Eine normale Transportsicherung bei dieser Art der Verglasung", sagt Schwemer.

Die große Chamberlain-Plastik im Ostflügel wird an Ort und Stelle bleiben. Sie wird einen Schutzkasten erhalten, der dann staubdicht verpackt werden wird. "Wir tun alles, um die Unversehrtheit der Kunstwerke zu gewährleisten", versichert Schwemer. Eine Auswahl an 80 Arbeiten der Klassischen Moderne wird rübergeschickt in die Neue Pinakothek, wo sie vom 17. April an im Rahmen der Ausstellung "Blickwechsel" gezeigt werden. Bei diesem Gastspiel sollen Werke von Max Beckmann bis Pablo Picasso auf die Wegbereiter und Pioniere der Moderne treffen.

Während dieser Zeit wird in der Pinakothek der Moderne nicht die Kunst, sondern das Handwerk zu Hause sein. Alle Brandschutztore sind dann geschlossen und die Tore zusätzlich gegen eindringenden Staub abgedichtet. Nur hin und wieder, wenn die Konservatoren nach ihren Schützlingen sehen müssen, dürfen sie die Abdichtung abnehmen und die Tore öffnen. Beispielsweise, um nachzusehen, ob beim "Ende des XX. Jahrhunderts" alles in Ordnung ist. Diesmal muss die Beuys-Arbeit nämlich nicht umziehen.

© SZ vom 23.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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