Geburtstagskonzert:Der lässige Professor

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Gefragter Freak: Peter Wölpl spielte und produzierte für Kollegen wie Falco, Klaus Lage und Wolfgang Schmid. In der Unterfahrt feierte der Gitarrist nun seinen 60. Geburtstag. (Foto: Ralf Dombrowski)

Der Jazz-Gitarrist Peter Wölpl spielt zu seinem Sechzigsten in der Unterfahrt.

Von Ralf Dombrowski, München

Freak sein ist lässig. Man stellt sich das idealtypisch ungezwungen vor, Gitarre unterm Arm, Hendrix im Kopf, ein bisschen Hobo als Haltung und überall in der Welt ein Verstärker zum Anstöpseln. Peter Wölpl hat dieses Leben gelebt, raus aus München, als Profimusiker auf Bühnen in Kanada und den USA, in Studios an der Seite von Joe Sample, Billy Cobham, Falco. Aber dann wurden die Kreise wieder konzentrischer. Gute Bands lockten, lukrative Jobs, Fernsehen. Wölpl landete im Orbit des Bassisten Wolfgang Schmid, wurde als Dozent bei den Jazz- und Rockkursen in Remscheid gebucht und gehörte zum Team der bald legendären Musik-TV-Serie "Super Drumming". Klaus Lage engagierte ihn für sein Team, Bruno Jonas ließ sich von ihm produzieren, die Berufsfachschule für Musik in Dinkelsbühl suchte und fand in ihm einen kompetenten Dozenten, bald darauf die Popakademie in Mannheim einen Leiter der Gitarrenabteilung, einen Professor.

Viele Erfolge, tolle Projekte, das Leben wechselte in den eigenartigen Modus aus Statik und Beschleunigung, der die Jahrzehnte verpuffen lässt. Und plötzlich steht die Zahl 60 im Kalender, die der Freak eigentlich nie ernst genommen hatte. Sie gehörte zum Leben der anderen. Und einerseits merkt man Peter Wölpl auf der Bühne der Unterfahrt an, dass da weiterhin ein lauter Junge lärmen und fliegen möchte, der sich beim Solo von "Frangipani" etwa in einen schwärmerischen Tonrausch spielt. Aber dann schwingt auch Nostalgie mit, wenn er den drei Jahrzehnte alten Fusion-Groove "Secret Journey" auskramt oder den Song "She's Leaving Home" sampelt und in Rhythm & Blues verwandelt, den Lennon & McCartney einst schrieben, als er gerade in die Grundschule ging. Denn 60 heißt zwar, dass man etwas näher herangehen muss, um das verflixte Display auf dem Bühnen-Laptop lesen zu können. Es heißt aber auch, dass man mit einer Grandezza auf das musikalische Vokabular zurückgreifen kann, die nur die Erfahrung ermöglicht.

Der Freak mag inzwischen eine Brille brauchen - aber er hat noch immer höllischen Spaß dabei, mit den Klischees seines Fachs zu spielen

Wölpl macht das bei seinem Geburtstagskonzert zusammen mit dem Schlagzeug-Tüftler Oli Rubow und dem Bass-Großmeister Wolfgang Schmid, unterstützt vom Lichtdesigner Gene Aichner, der auf Leinwand-Bubbles hinter den Musikern psychedelisch flimmernde Farb- und Formsequenzen projiziert. Er gönnt sich schräge, synthetische Sounds und jazzrockige Energieentladungen, sphärische Schwebungen und locker fließenden Funk. Er lässt sich im klangelektronisch gefärbten Repertoire seines Projekts Luminos W treiben und genießt den Groove der Erinnerung, den Schmid aus dessen eigenem Künstlerleben mitbringt. In der Zugabe schließlich genehmigt Wölpl sich eine Handvoll Ironie, integriert nach Kraftwerk-Manier mit Vocoder verfremdete, überwiegend sinnfreie Worthülsen in die Musik und verordnet der Band einen flotten Disco-Beat als Kontrapunkt für seine rockgitarristische Improvisation. Der Freak mag inzwischen eine Brille brauchen, aber er hat noch immer einen höllischen Spaß dabei, mit den Klischees seines Fachs zu spielen. Er ist sogar im Vorteil zum Alter Ego von damals, denn er muss nicht mehr beweisen, dass er gut ist. Er weiß es und kann der Musik ihren Lauf lassen.

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