Ostern:Seltsame Brandserie im Münchner Osten

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Ein halber Hektar Wald brannte am Karfreitag bei Keferloh. "Das ist nicht mehr zufallsbedingt", sagt Forstwirt Hubertus Löffler. (Foto: Thomas Gaulke)
  • Immer wieder brennt es in den Wäldern zwischen Perlach, Putzbrunn und Höhenkirchen - zuletzt gleich zwei Mal am Karfreitag.
  • Die Ermittler gehen von einer Brandserie aus, die bis ins Jahr 2007 zurückreichen könnte.
  • Oder ist altes Gras schuld an den vielen Waldbränden?

Von Martin Bernstein

Die Ostergrüße klangen lapidar: "Liebe Waldtruderinger, wir wünschen euch ein ruhiges Osterwochenende, wir sind auch jetzt für euch im Einsatz", ist seit Karfreitag vor einem Jahr auf der Homepage der östlichsten Münchner Wehr zu lesen. So wie es ausschaut, können die Waldtruderinger den Satz einfach mal stehen lassen.

Denn noch immer brennt es in den Wäldern zwischen Perlach, Putzbrunn und Höhenkirchen, zuletzt gleich zwei Mal am Karfreitag. In machen Fällen war es sicher Brandstiftung. Entdeckt hat den Brandstifter noch keiner, doch der Schaden geht inzwischen in den sechsstelligen Bereich. Neuanpflanzungen, gerodeter Wald, Wiesen - nichts ist vor dem Täter sicher, der wie im Vorjahr kurz vor Ostern erneut zu zündeln begonnen hat.

Brandstiftungen
:Unbekannter legt Waldbrände - Polizei geht von Serie aus

Am Palmsonntag hat es zwei Mal im Oedenstockacher Forst gebrannt. Es ist nicht das erste Feuer in dieser Gegend und zu dieser Zeit.

Von Martin Bernstein

"Das ist nicht mehr zufallsbedingt"

"Ursprünglich war uns gar nicht klar, mit was wir es hier zu tun haben", gestand ein Brandfahnder vergangenes Jahr einem Reporter des BR-Fernsehmagazins "Quer". Doch dann verfolgten die Kriminalbeamten die Serie, fast täglich brannte es an einer anderen Stelle im Wald, zwei Wochen lang. "Das ist nicht mehr zufallsbedingt", erkannten die Fahnder. "Tatzeit, Tatort und angegriffenes Objekt" sind für die Ermittler mehr als nur ein Indiz dafür, dass die Brände 2017 im Münchner Osten sowie die vom Palmsonntag 2018 vom gleichen Täter gelegt wurden.

Oder reicht die Serie noch weiter zurück? Johannes Bußjäger, Kommandant der Grasbrunner Wehr, kann sich noch ans Jahr 2007 erinnern. Mehrere Waldbrände in kurzen Abständen gab es auch damals. In der Osterzeit und kurz danach. Dann war wieder Ruhe. Beinahe zumindest. Denn auch 2009, 2011, 2013, 2014 brannte es - immer um Ostern herum. Immer im Forst an der Stadtgrenze.

"Altes Gras vom Vorjahr ist im Frühjahr eine echte Gefahr"

Doch Hubertus Löffler warnt: Nicht immer, wenn es nach Serie aussieht, steckt auch ein Brandstifter dahinter. Löffler weiß, wovon er spricht. Der promovierte Forstwirt, Autor der Studie "Der Markt für größere Waldgrundstücke", arbeitet seit 1994 als Betriebsleiter und Geschäftsführer für die Agrar Grasbrunn GmbH. Der Betrieb gehört einem Zweig der Unternehmerfamilie von Finck. Für 2000 Hektar Fichtenwald und 400 Hektar Ackerfläche ist Löffler verantwortlich. Zwei Mal hat der Brandstifter vergangenes Jahr im Wald der Familie von Finck zugeschlagen, erzählt der Geschäftsführer. Um 4000 Euro hat das Unternehmen daraufhin die zunächst mit 1000 Euro dotierte Belohnung durch das Landeskriminalamt aufgestockt. Dass die Agrar Grasbrunn GmbH "bei einzelnen Brandfällen der Serie betroffen gewesen" sei, bestätigt die Polizei. Es gebe jedoch mehrere Geschädigte.

Erst dann, wenn der Täter gefasst ist, wird man wissen, wie viele Waldbrände tatsächlich auf sein Konto gehen. Denn dass es um Ostern herum in den Wäldern am südöstlichen Stadtrand brennt, dafür gibt es auch eine natürliche Erklärung. Und die heißt: Gras. "Altes Gras vom Vorjahr ist im Frühjahr eine echte Gefahr", sagt Löffler. Am gefährlichsten ist es in den vier Wochen um Ostern herum, wenn der Schnee weg, das dürre Gras noch da und frisches Grün noch nicht nachgewachsen ist. Wenn es dann trocken und warm ist und viele Spaziergänger im Forst unterwegs sind, dann genügt schon eine Unachtsamkeit und das dürre Gras brennt wie Zunder.

Die örtlichen Feuerwehren kennen das. Es ist ihr Wald. Brände im Frühjahr sind sie gewohnt, sie sind darauf vorbereitet. Bauhöfe und Landwirte in Waldnähe halten Wasserfässer bereit. In Waldperlach sind sogar die vier riesigen, bis zu 5000 Liter fassenden Außenlastbehälter stationiert, mit denen Waldbrände vom Helikopter aus gelöscht werden. Die einzelnen Wachen seien auf die Besonderheiten ihres Gebiets eingestellt, heißt es aus der Münchner Branddirektion. Die Berufsfeuerwehr kommt erst dann zu Hilfe, wenn die Freiwilligen alleine der Flammen nicht mehr Herr werden. Wie an Palmsonntag im Oedenstockacher Forst - zwei Brände binnen 160 Minuten. Und nur zehn Fußminuten voneinander entfernt, oder wie am Karfreitag, zwei Brände einer im Wald bei Hohenbrunn, der andere bei Keferloh .

Solche Brandserien sind die ehrenamtlichen Feuerwehrleute bei aller Erfahrung dann doch nicht gewohnt. Für sie sind die ständigen Einsätze eine große Belastung. "Wir haben ja alle Berufe", sagt Johannes Bußjäger. "Wir können nicht einfach alles liegen und stehen lassen." Im Schnitt fünf Waldbrände gelten bei Forstexperten als normal - pro Jahr und Landkreis. Aber 13? In zwei Wochen? Und fast alle in ein und demselben Waldgebiet? An manchen Tagen hat es drei Mal gebrannt, oft im Abstand von nur wenigen Stunden und wenigen hundert Metern. "Das ist nicht mehr zufallsbedingt", sagt Löffler. "Eine Zigarette kann das nicht gewesen sein", glaubt auch Kommandant Bußjäger, "da hat jemand bewusst nachgeholfen".

Der Grasbrunner wundert sich über die Dreistigkeit des Brandstifters. Hunderte Spaziergänger an Feiertagen, Waldarbeiten in der unmittelbaren Nachbarschaft, Feuerwehrleute im Einsatz - der Täter lässt sich offenbar durch nichts abschrecken, legt seine Brände, spaziert unerkannt davon. Bußjäger hofft, dass der Brandstifter entdeckt wird. Genau hinschauen und alles Verdächtige der Polizei melden, das ist seine Bitte an Wanderer und Ausflügler. Nach den Bränden im vergangenen Jahr erhielt die Münchner Polizei mehr als 30 Hinweise, seit Palmsonntag gab es vereinzelte weitere Anrufe. Eine heiße Spur war nach Einschätzung der Ermittler bisher nicht dabei.

5000 Euro für den entscheidenden Hinweis

So bleibt das "ungute Gefühl", von dem Bußjäger spricht. Wenn "jeder jeden verdächtigt". Wenn die Ermittler die Einsatzpläne der Feuerwehr durchforsten, weil bisher niemand ausschließen kann, dass der Feuerteufel ein Brandbekämpfer ist. Wenn derjenige suspekt wird, der bei jedem Waldbrandeinsatz mitgelöscht hat. "Bitter" sei das, sagt der Grasbrunner Feuerwehrkommandant. Aber natürlich, die Polizei müsse das machen, das sei schließlich ihre Aufgabe. Die Polizei hat am Palmsonntag eine Hubschrauberbesatzung und einen Spürhund eingesetzt. Der Täter entkam erneut. An einzelnen Tatorten haben die Brandfahnder vergangenes Jahr Spuren gesichert. Welche das waren, wollen sie jedoch nicht verraten. Immerhin kennt sich der Brandstifter anscheinend extrem gut aus in den Wäldern der Gegend.

Im Wald hängen Fahndungsplakate. Sie versprechen 5000 Euro für den einen, den entscheidenden Hinweis. Dass die Belohnung mögliche Mitwisser des Brandstifters zum Reden bringt, hofft Hubertus Löffler, der Forstwirt. Dass vielleicht ein Spaziergänger zufällig ein Foto vom Täter macht, hofft Johannes Bußjäger, der Feuerwehrkommandant. Dass der Feuerteufel beim nächsten Versuch von einer Hubschrauberbesatzung auf frischer Tat ertappt wird, hofft die Münchner Polizei. Denn alle sind sich einig: "So kann's nicht weitergehen", sagt Johannes Bußjäger.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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