Gerichtsverhandlung:Brand in Mietshaus: Angehörige der Opfer erleidet Schwächeanfall

Mordprozess um Brand an der Dachauer Straße

Der Angeklagte Mohamed E. (links) unterhält sich mit seinem Anwalt Walter Lechner.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)
  • Ein 43-Jähriger soll im November 2016 in einem Mietshaus an der Dachauer Straße einen Brand gelegt haben. Dabei kamen ein Mann und seine beiden Töchter ums Leben.
  • Vor Gericht sagte nun die Frau und Mutter der Opfer aus.
  • Das Schwurgericht geht auch möglichen anderen Tat- und Täterversionen nach.

Von Stephan Handel

"Aber er hat nicht mehr angerufen . . .", sagt die Zeugin noch, dann sackt sie zusammen in ihrem Stuhl. Offensichtlich war die Aufregung zu viel für Elena H., die im Mordprozess gegen Mohamed E. aussagen soll: Der 43-jährige Libyer ist angeklagt, am 2. November 2016 ein Mietshaus an der Dachauer Straße in Brand gesetzt zu haben. Die Anklage lautet auf Mord, denn drei Menschen kamen in den Flammen ums Leben - Elena H.s Mann und ihre beiden Töchter.

Bis zu ihrem Schwächeanfall hatte die Frau ihr Familienleben geschildert: mit ihrem Mann Aleksandar, genannt Sascha, mit den beiden Töchtern, Dona, neun Jahre alt, und Zaprinka, 16 Jahre alt. Der beste aller möglichen Ehemänner sei Sascha gewesen, und die Mädchen: hübsch klug, emotional. Elena H. war zum Zeitpunkt des Brandes in ihrer Heimat Bulgarien. Am Abend hatte sie mit ihrem Mann telefoniert, und wie immer hatte er sich mit dem Versprechen verabschiedet, am nächsten Morgen wieder anzurufen. Dazu kam es aber nicht mehr.

Das Schwurgericht will sowieso gerade eine Pause machen, als Elena H. zusammenbricht. Der forensische Gutachter im Saal ist zwar Arzt, sagt aber selbst, dass er mit lebenden Patienten schon lange nichts mehr zu tun hatte. Der Sanitätsdienst schließlich hilft Elena H. wieder auf die Beine, nun kann sie ihre Aussage um vieles gefasster fortsetzen.

Die Täterschaft von Mohamed E. ist alles andere als nachgewiesen, er selbst bestreitet die Tat. Die Staatsanwaltschaft aber glaubt, beweisen zu können, dass er am Tattag eine Matratze in dem Haus in Brand gesteckt hat - er wohnte selbst dort und soll sich über die Unordnung geärgert haben. Das Schwurgericht jedoch geht auch möglichen anderen Tat- und Täterversionen nach - eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber doch nicht immer tägliche Übung.

Der im Feuer ums Leben gekommene Sascha M. hatte zum Beispiel Ärger mit einem Kollegen, der ebenfalls in dem Haus wohnte: Der Kollege meinte, M. habe ihm seinen Arbeitsplatz gestohlen, es kam auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Männern. Der Chef der Gebäudereinigungsfirma, in der beide zunächst arbeiteten, stellte jedoch klar, dass er Emil - so der Name des zweiten Mannes - entlassen hatte, weil er mit seiner Arbeitsleistung unzufrieden war. Sowieso seien Emil und Sascha in ganz unterschiedlichen Objekten eingesetzt gewesen, schon deshalb habe es gar keine Konkurrenz geben können.

Das wollte Emil jedoch nicht wahrhaben - er beschimpfte eines Abends im Hof des Hauses den gerade heimkommenden Sascha, dabei flogen dann auch die Fäuste. Als Sascha M. schon wieder in seiner Wohnung war, soll Emil mit zwei anderen Männer vor der Tür aufgekreuzt sein und ein Gespräch verlangt haben. Elena H. sagte nun aus, sie habe den Männern durch die geschlossene Tür gesagt, dass es jetzt gut sei und dass Sascha nicht mehr hinauskommen werde. Daraufhin soll Emil, schwer betrunken zu diesem Zeitpunkt, gesagt haben: "Ich werde dich und deine Familie anzünden."

Da ist nun die Dolmetscherin als Sprach-sachverständige gefragt. Sie sagt, dass Elena H., als sie den Vorfall schilderte, das Wort "yakmak" benutzt habe, das im Türkischen tatsächlich "anzünden, verbrennen" bedeutet - in einem übertragenen Sinn allerdings auch "vernichten". Belastet das nun den ominösen Emil, entlastet es Mohamed E.?

Elena H. kann sich dann nicht mehr erinnern an die Matratze, die der Brandstifter wohl angezündet hat. Aber ja, die Männer seien oft auch im Treppenhaus gestanden und hätten geraucht. Dann fragt sie Michael Höhne, der Vorsitzende Richter, das Nächstliegende: Ob sie den Angeklagten kenne? Nein, sagt Elena, nie gesehen, was zumindest merkwürdig ist, da sie doch im gleichen Haus gewohnt haben. "Wie dieser Mann essen, trinken und schlafen kann", sagt sie dann noch, "bei allem, was er mir angetan hat." Michael Höhne sagt: "Ob er tatsächlich den Brand gelegt hat, wird zu klären sein."

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