Kritik:Pudel und Zicke

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Sie girrt und zirpt und schürzt die Lippen, er grummelt und guckt bärbeißig: Anna Lucia Richter und Christian Gerhaher bei den Münchner Opernfestspielen. (Foto: Wilfried Hösl)

Ein wunderbar gelungener Liederabend mit Christian Gerhaher und Anna Lucia Richter im Rahmen der Münchner Opernfestspiele.

Von Klaus Kalchschmid       , München

Er kann einem schon leidtun, dieser miesepetrige Mann im "Italienischen Liederbuch" von Hugo Wolf, der mit seiner Zuneigung, seinem Begehren, seiner Liebe immer irgendwie zur Unzeit kommt oder die falschen Worte findet. Und so ist die Frau, die ihn permanent herausfordert, reizt und trietzt nie liebevoll oder mindestens verführerisch, sondern schlicht eine Nervensäge. Christian Gerhaher steht also bärtig und bärbeißig wie ein begossener Pudel mit verwuschelten Haaren und im Straßenanzug stets wie am falschen Platz zur falschen Zeit neben Anna Lucia Richter im eleganten Abendkleid vor dem Flügel auf der Bühne des Nationaltheaters.

Richter aber genießt ihre Rolle der hübschen Zicke, schürzt die Lippen, verdreht die Augen, lockt, girrt und zirpt, singt aber auch so geschmeidig, brillant und schön, dass es eine Lust ist. Gerhaher dagegen kaut die Worte manchmal, zelebriert einen virtuosen Sprechgesang, der die Konsonanten prägnant setzt, dann aber oft noch im selben Wort die Stimme zurücknimmt. Doch wehe, wenn ihn empfindsames Gefühl oder Aggression übermannen, dann will das Herz so laut "ausbrechen vor Lust", dass man Angst bekommt vor diesem Berserker. Umso feiner das zart wiegende "Benedeit die sel'ge Mutter, die so lieblich dich geboren!" oder wenn der Mann beschreibt, wie er singend mit seiner Laute durch die Stadt wandert und dabei so manches Mädchen mit seinem Liede rührt.

Aber was wäre dieses ungleiche Paar ohne Ammiel Bushakevitz! Am Flügel für den erkrankten Gerold Huber eingesprungen, gestaltet er jede Volte von Sopran und Bariton großartig mit, setzt in manchem Zwischen- oder Nachspiel gleichwohl eigene Akzente. Wie er bei den im Wechsel gesungenen Liedern den Kontrast zelebriert, macht ihn jedenfalls zum idealen Paartherapeuten. Den werden Anna Prohaska und Gerhaher am 29. Juli mit den Mörike-Liedern als Abschluss der Hugo-Wolf-Trilogie aber wohl gar nicht nötig haben.

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