Olympiabewerbung:Wie Münchens Chancen stehen

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Blick auf den Olympiapark in München. Bewirbt sich die Stadt für die Winterspiele 2022? (Foto: dpa)

Berchtesgaden 1992, Berlin 2000, Leipzig 2012, München 2018: Von Deutschland lernen hieß bei Olympia-Bewerbungen zuletzt viermal verlieren lernen. Wenn München nun einen erneuten Anlauf wagt, wartet schon ein harter Rivale.

Von René Hofmann

Es wäre eine Last-Minute-Bewerbung, aber das muss kein Nachteil sein. Bis Mittwoch kommender Woche müssen die Interessenten für die Olympischen Winterspiele 2022 beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) an der Route de Vidy in Lausanne ihre Kandidatur einreichen. Die erste Stadt, die das getan hat, war im August Almaty aus Kasachstan. Erst am Mittwoch dieser Woche folgten - erwartungsgemäß - Lemberg in der Ukraine und - völlig überraschend - Peking, zusammen mit der 160 Kilometer entfernten Stadt Zhangjiakou in der Provinz Hebei.

Auch Oslo ließ sich Zeit. Am Donnerstag aber versicherten die Norweger, die Unterlagen fristgerecht einzureichen. Am selben Tag trat Krakau aus den Kulissen. Vielleicht kommt noch Stockholm. Mit mehr Konkurrenz aber ist nicht zu rechnen. Der Run auf die Spiele ist nicht mehr so groß, wie er einst war - zumal auf die im Winter.

Auf die Interessenten wartet im Dezember ein dreitägiges Seminar beim IOC, in dem erklärt wird, was von einer Bewerberstadt erwartet wird. Bis zum 14. März 2014 bleibt dann Zeit, um ein detailliertes Konzept auszuarbeiten. Im Juli 2014 entscheidet die IOC-Exekutive dann, welche Bewerber sie in den Rang von Kandidatenstädten erhebt. Aus diesen wird am 31. Juli 2015 bei der IOC-Session in Kuala Lumpur in Malaysia der Gastgeber für das Spektakel sieben Jahre später gekürt.

Gut 100 IOC-Mitglieder sind stimmberechtigt, wobei zuletzt mehr als 40 aus Ländern stammten, in denen Wintersport kaum eine Rolle spielt. Wer wie votiert, bleibt geheim. Bekannt gegeben wird lediglich, welcher Kandidat in welcher Runde wie viele Unterstützer fand. Der jeweils Schlechteste scheidet aus. Um den Zuschlag zu bekommen, ist die absolute Mehrheit nötig.

Scheitern seit 47 Jahren

Seit München am 26. April 1966 in Rom im ersten Anlauf die Spiele 1972 gewann, sind alle deutschen Bewerbungen gescheitert. Es gab vier: zwei für Sommer- und zwei für Winterspiele. Mitte der achtziger Jahre hielt es der Berchtesgadener Bürgermeister für "a schöne Sach'", die Jugend der Welt 1992 zu sich einzuladen. Der örtliche Touristikmanager träumte davon, die fünf Ringe mittels Laserstrahlen auf den Watzmann zu projizieren.

Zweifler gab es damals schon. Der saure Regen war ein großes Thema - und das davon verursachte Waldsterben. Der Bund Naturschutz fürchtete, dass alsbald massenweise Hänge abrutschen und ganze Alpentäler unbewohnbar werden könnten.

Gescheitert ist die "schöne Sach'" dann aber aus viel banaleren Gründen: Nur sechs IOC-Mitglieder votierten für Berchtesgaden, womit der Ort in der ersten Runde ausschied. Im fünften Wahlgang gingen die Spiele 1992 an Albertville. Die Kleinstadt in den französischen Alpen war wohl Nutznießer eines sportpolitischen Ränkespiels:

Einen Tag nach den Winterspielen wurden auf der IOC-Session 1986 in Lausanne auch die Sommerspiele 1992 vergeben. Dem damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch war es ein Anliegen, seine Heimatstadt Barcelona durchzusetzen. Deren ärgster Rivale hieß Paris - und durch den Zuschlag für Albertville wurde dieser entscheidend geschwächt. Die Sommerspiele 1992 gingen tatsächlich an Barcelona.

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Jede Grillwurst ist bei einem der ausgewählten Lieferanten einzukaufen: Kritiker werfen dem IOC vor, mit Gastgeberstädten Knebelverträge abzuschließen. Andere mahnen, nicht zu streng zu sein - sonst hätte es die Fußball-WM 2006 in Deutschland auch nicht geben dürfen.

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Die Städtewahlen im IOC sind nur bedingt mit Wahlen in demokratischen Systemen zu vergleichen. Kluge Argumente, bestechende Konzepte, mitreißende Auftritte - längst nicht bei allen Wahlberechtigten verfängt derlei. Viele verfolgen ausschließlich eigene Interessen. Und die können äußerst verschieden sein. Um die Spiele zu bekommen, sind Allianzen nötig - und das Timing muss stimmen. Die letzten deutschen Anläufe waren Paradebeispiele dafür, was alles schiefgehen kann.

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1990 hielt es Berlin im Überschwang der Wiedervereinigung für eine gute Idee, die Sportwelt zehn Jahre später zum Dank in die Stadt einzuladen. In der Sportwelt akzeptierten das Motiv nur wenige: Mit lediglich neun Stimmen wurde die vermeintliche Sportgroßmacht in der zweiten Abstimmungsrunde des Feldes verwiesen. Die Spiele 2000 gingen an Sydney.

Noch denkwürdiger: Das Scheitern des Leipziger Strebens nach den Spielen 2012. Selbst deutsche Sportfunktionäre wunderten sich damals, wie sich unter den Verbänden eine Mehrheit für eine Kandidatur der international nicht gar so bedeutenden Stadt aussprechen konnte. Die Konsequenz: Leipzig wurde vom IOC nicht einmal zum Entscheid zwischen den Metropolen Moskau, New York, Madrid, Paris und London zugelassen, aus dem schließlich die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs als Sieger hervorging.

Münchens größter Fehler

Vor Münchens Anlauf vor zwei Jahren, die Winterspiele 2018 zu gewinnen, wurden ebenfalls Fehler gemacht: Das Konzept hatte Schwächen, die Bevölkerung wurde zu spät eingebunden, an der Spitze der Bewerbergesellschaft gab es einige Fehlbesetzungen.

Der größte Fehler aber war es, in der öffentlichen Diskussion auszuklammern, gegen welch starken Gegner man anzutreten hatte: Pyeongchang aus Südkorea hatte sich zuvor bereits zweimal zur Wahl gestellt, dabei in der ersten Runde jeweils die meisten Stimmen bekommen, am Ende aber sowohl für 2010 gegen Vancouver (53:56 Stimmen) wie auch für 2012 gegen Sotschi (47:51) knapp verloren.

Der Kater nach der krachenden Abfuhr für München (25:63 gegen Pyeongchang) fiel heftig aus, gerade weil die Erfolgschancen zuvor völlig falsch dargestellt worden waren. Das Beharrungsvermögen der Koreaner wurde hingegen honoriert.

Vor dem zweiten Anlauf von München läuft einiges besser: Das Konzept ist zwar nicht mehr so kompakt, aber stimmiger, die Bevölkerung wird früh gefragt. Wer nicht prinzipiell etwas gegen Großereignisse oder das IOC hat, wird sich schwer tun, die Bewerbung abzulehnen. Vor dem Vergleich mit Peking, Almaty, Lemberg und Krakau braucht München sich nicht zu scheuen.

Ein IOC-Chef muss sich neutral geben

Aber Oslo ist ein starker Rivale, der mit ähnlichen Vorzügen wirbt: eine bekannte europäische Stadt mit großer Wintersport-Affinität, in der und um die herum es viele Wettkampfstätten bereits gibt. Norwegen hatten die Spiele erst 1994? Stimmt. (In Lillehammer.) Oslo geht erstmals ins Rennen? Stimmt auch. Aber der neue IOC-Präsident kommt eben nicht aus Norwegen, sondern aus Deutschland. Thomas Bachs Wahl hilft Oslo mehr als einer etwaigen Münchner Bewerbung. Der IOC-Chef muss sich neutral geben. Und kein Land soll zu viel auf einmal bekommen.

Eines aber dürfte sicher sein: Dass es im IOC die Tendenz gibt, die Spiele 2022 in einem sicheren Hafen zu verankern. Die Winterspiele 2014 in Sotschi und 2018 in Pyeongchang sind ebenso Wagnis- Spiele wie die Sommerbewerbe 2016 im hitzigen Rio de Janeiro und die 2020 in Tokio, unweit der Ruine von Fukushima.

© SZ vom 09.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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