Olympiabewerbung 2022:Was Sie über die Bürgerentscheide wissen müssen

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Für oder gegen die Münchner Olympiabewerbung? An diesem Sonntag sind die Bürger gefragt. (Foto: dpa)

München will sich erneut um die Olympischen Winterspiele bewerben - mit einem leicht veränderten Konzept. Doch zuerst müssen die Bürger über München 2022 abstimmen. Bislang sieht es so aus, als würde das Quorum in der Landeshauptstadt erreicht. Was Sie über den Entscheid wissen müssen.

Fragen und Antworten von Anna Fischhaber und Ingrid Fuchs

In Oberbayern haben am Sonntagmorgen die vier Bürgerentscheide über eine Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele 2022 begonnen. In München, Garmisch-Partenkirchen sowie den Landkreisen Berchtesgaden und Traunstein sind insgesamt 1,3 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahllokale sind bis 18 Uhr geöffnet. Zumindest in München zeichnet sich bislang allerdings eine eher schwache Wahlbeteiligung ab: Um 14 Uhr lag sie bei 22,5 Prozent - niedriger als etwa beim Bürgerentscheid 2012 über die dritte Startbahn. Im Landkreis Traunstein lag die Beteiligung um 13 Uhr dagegen bereits bei 23,4 Prozent. Erste Trends und Ergebnisse der Abstimmungen werden gegen 19 Uhr erwartet.

Wieso stimmen die Bürger überhaupt ab?

Die Münchner sollen darüber entscheiden, ob sich die Landeshauptstadt erneut um die Olympischen Winterspiele bewirbt. Das hat der Stadtrat einstimmig beschlossen. Gefragt werden zudem die Menschen in Garmisch-Partenkirchen und in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein. Dass nun gleich vier Bürgerentscheide abgehalten werden, zeigt, dass die Olympiabefürworter eine Lehre aus der gescheiterten Bewerbung 2018 gezogen haben. Damals war der Widerstand groß, nur in Garmisch-Partenkirchen erzwangen die Gegner nachträglich eine Abstimmung - etwas mehr als die Hälfte der Wähler stimmten dann aber für eine Bewerbung. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude hatte damals erklärt: Eine klare Zustimmung der Bürger sei Voraussetzung für eine neuerliche Bewerbung. Doch die Stimmung ist vor allem am Alpenrand diffus.

Wie funktioniert der Bürgerentscheid?

Die Menschen können mit Ja oder Nein über folgende Frage entscheiden: "Sind Sie dafür, dass sich die Landeshauptstadt München zusammen mit der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen und den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2022 bewirbt?" Nach einer Erhebung der Nachrichtenagentur dpa sind rund 1,3 Millionen Bürger stimmberechtigt, allein in München sind es knapp 1,08 Millionen Menschen.

Wettkampfstätten in München (Foto: SZ Grafik)

Es folgen die Landkreise Traunstein (139.664) und Berchtesgaden (84.400). In Garmisch-Partenkirchen, wo nur knapp 21.000 Bürger an der Urne oder per Briefwahl abstimmen können, könnten schon wenige tausend "Ja-" oder "Nein"-Stimmen das Projekt stützen oder zu Fall bringen. Dort beträgt das Quorum wegen der kleineren Zahl der Stimmberechtigten 20 Prozent, in München sowie den Kreisen Traunstein und Berchtesgaden müssen mindestens zehn Prozent zustimmen.

Wenn die Bürger in allen vier Abstimmungsgebieten dafür sind, wird der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) einreichen. Falls nur bei einem der vier Entscheide die Gegner die nötige Mehrheit erreichen, wird sich München nicht bewerben - so sieht es zumindest die freiwillige Selbstverpflichtung der Politik vor. Im Extremfall könnte das heißen: Knapp 5000 Olympia-Gegner in Garmisch zählen mehr als eine halbe Million Olympiabegeisterter Münchner.

Wird das Quorum nicht erfüllt, wollen die Politiker die Entscheidung selbst treffen - und sich dann wohl nach der einfachen Mehrheit der Abstimmenden richten. Viel Zeit bleibt ihnen nicht: Bereits am 14. November läuft die Frist für die Bewerbung ab. Bislang sieht es zumindest so aus als würde das Quorum in München erreicht - viele Bürger haben bereits Briefwahlunterlagen beantragt. Bis Sonntagnachmittag stimmten etwa 22,5 Prozent ab.

Im Wesentlichen beruht das Konzept für die Olympischen Winterspiele 2022 auf dem gescheiterten Konzept für 2018. Allerdings gibt es drei Verbesserungen, denn damals hatten vor allem Grundstücksstreitigkeiten in Garmisch-Partenkirchen für öffentlichen Widerstand gesorgt. Nun wurde Ruhpolding als vierter Wettkampfort aufgenommen. Die Biathlon- und Langlaufwettkämpfe sollen in der Chiemgau-Arena hier stattfinden. Deshalb ist allerdings auch ein drittes Olympisches Dorf in Inzell notwendig. Unter anderem die Halfpipe wurde ins Münchner Olympiazentrum verlegt, was den Raum Garmisch-Partenkirchen entlasten würde. Das vierte Wettkampfzentrum ist nach wie vor am Königssee.

Neues olympisches Wettkampfzentrum in Ruhpolding (Foto: SZ Grafik)

Eine Studie zum neuen Konzept kann man im Internet einsehen. Allein die Bewerbung für Olympia 2022 soll 29 Millionen kosten, die Winterspiele laut der Studie dann 3,3 Milliarden Euro. Davon sollen 1,8 Milliarden Euro in die Infrastruktur fließen, die auch nach den Spielen bestehen bleibt. Die Stadt hofft, dass dann zusätzlicher bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stünde.

Wie argumentieren die Befürworter?

Die Befürworter der Winterspiele haben sich zum "Team München 22" zusammengeschlossen, dabei sind Unternehmen, Vereine und Verbände. Neben dem FC Bayern engagieren sich etwa Sky Deutschland, die Münchner Verbände von CSU, SPD, FDP und Freien Wählern, der ADAC und die Tourismus-Initiative München. Auch Siemens-Chef Joe Kaeser positioniert sich bemerkenswert eindeutig für die Münchner Bewerbung. Andere Firmen trauen sich dagegen noch nicht so aus der Deckung - wohl aus Angst vor dem Bürgerentscheid.

Vor allem aus Garmisch-Partenkirchen kamen bei der vergangenen Bewerbung Proteste, nun sind hier weniger Wettkämpfe geplant. (Foto: SZ Grafik)

Die deutschen Sportverbände haben sich für eine neuerliche Münchner Bewerbung ausgesprochen. Ihre Hoffnung: Genau 50 Jahre nach Olympia 1972 könnte München wieder Gastgeber werden - und wäre dann als einzige Stadt in der Olympischen Geschichte Veranstalter sowohl von Sommer- als auch Winterspielen. Bereits bei der Bewerbung für 2018 hätten sich der Freistaat Bayern und Deutschland dafür ausgesprochen. Die hohe Zahl von Zuschauern in Deutschland bei Wintersportveranstaltungen zeige das Interesse der Bevölkerung, sagen die Befürworter. Im Falle eines Zuschlags könnte insbesondere Oberbayern mit langfristig positiven wirtschaftlichen Auswirkungen rechnen.

Was stört die Gegner?

Neben Garmisch, München und Ruhpolding ist der Königssee das vierte Olympiazentrum. (Foto: SZ Grafik)

Ein Großteil der Gegner versammelt sich in der Bewegung "Nolympia", die sich auch schon gegen die Bewerbung für die Winterspiele 2018 gestemmt hatte. Deren Sprecher ist Ludwig Hartmann, inzwischen Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag. Olympische Winterspiele hält er für eine ökologische und finanzielle Katastrophe. Vor der Abstimmung prangern die Gegner zudem die vermeintliche Abzocke des IOC an - und warnen vor steigenden Mieten.

Für ablehnende Aktionen zum Bürgerentscheid stellen die Münchner Grünen 5000 Euro bereit. Angeblich wollen die Befürworter 750.000 Euro in die Kampagne stecken. "Aber wir haben schon bei der dritten Startbahn gesehen, dass nicht Geld gewinnt, sondern die besseren Argumente", sagt der Münchner Grünen-Chef Sebastian Weisenburger. Die Linke und die ÖDP in München sind ebenfalls gegen die erneute Bewerbung. Und auch in der SPD gibt es nicht nur Befürworter - der Ortsverein Solln hat sich dagegen ausgesprochen. Über den Bürgerentscheid können sich die Gegner aber nicht so recht freuen: Mit den Wahlunterlagen wurden nur die Argumente der Befürworter verschickt.

Vom Optimismus der Olympia-Befürworter sollte man sich nicht täuschen lassen. Noch ist unklar, wie der Bürgerentscheid ausgeht. Und auch wenn er erfolgreich sein sollte: Die Spiele 2022 werden im Juli 2015 vom gleichen Gremium vergeben, das München beim letzten Mal ablehnte, dem IOC - und das hat recht eigenwillige Kriterien.

Dass die Biathlon-Wettbewerbe nach Ruhpolding verlegt werden sollen, hat einigen Olympia-Gegnern den Wind aus den Segeln genommen. Doch aus Sicht des IOC sind diese vier Olympia-Zentren eher ein Nachteil.

Zudem gibt es einige andere Bewerber: Oslo etwa und Almaty in Kasachstan. Interesse haben auch das schwedische Östersund, Lwiw in der Ukraine sowie das polnische Krakau angemeldet. Barcelona erklärte dagegen kürzlich, es wolle auf eine Kandidatur verzichten. Überraschende Konkurrenz bekommt München dafür aus China: Auch Peking will die Winterspiele 2022 ausrichten.

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