Infektionskrankheiten:"Für einen Impfschutz rechtzeitig zur Wiesn wird es nicht reichen"

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Feiernde Menschen auf dem Oktoberfest (Symbolfoto). (Foto: Brigitte Saar/Imago)

Zweimal wurde das Oktoberfest wegen der Pandemie abgesagt, einmal fand es unter Bedenken statt. Und dieses Jahr? Wie Infektionsexperten die Gefahr durch Corona und andere Erreger auf der Wiesn einschätzen.

Millionen Gäste aus aller Welt werden von Samstag an wieder zum Oktoberfest in München erwartet - und mit ihnen diverse Erreger. Die bierselige Enge in den Festzelten ist ein Eldorado für Krankheitskeime, vor allem für leicht übertragbare Erkältungsviren. Schon vor Corona begann regelmäßig kurz nach dem Wiesnstart in München das große Niesen: Das Phänomen "Wiesn-Grippe" ist lange bekannt - und gehörte dazu wie die Mass Bier und das Hendl. Erst mit der Pandemie wuchs das Bewusstsein für die Ansteckungsgefahren. Doch wie ist die Lage aktuell? Wird die Wiesn für einen neuen Schub an Corona-Infektionen sorgen?

Die Wiesn werde auch dieses Jahr die Zahl der Atemwegserkrankungen steigen lassen, sagt der Leiter der Infektiologie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Christoph Spinner. "Aber ich sehe keine Notwendigkeit, Sars-CoV-2 noch besonders herauszuheben."

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Auch Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing, der Anfang 2020 die ersten Corona-Patienten in Deutschland behandelt hatte, sagt: "Es kann das Infektionsgeschehen durch die Wiesn etwas angeheizt werden." Es sei aber anders als in den ersten beiden Pandemie-Jahren absolut vertretbar, das Volksfest wie früher zu feiern. "Die Wiesn wird nicht dazu führen, dass die Intensivstationen volllaufen." 2020 und 2021 hatte die Stadt München das Oktoberfest wegen der Pandemie abgesagt. Im vergangenen Jahr gab es noch besorgte Stimmen - doch die Riesen-Wiesn-Welle blieb aus.

Wendtner, in der Pandemie einer der vorsichtigsten in der Diskussion um Corona-Schutzmaßnahmen, sieht diesem Herbst und Winter erstmals einigermaßen entspannt entgegen. Anders als 2022 habe es keine Sommerwelle gegeben. "Ich glaube nicht, dass wir eine riesige Welle wie bei Omikron erwarten. Da bin ich optimistisch für diesen Winter."

"Wir sind vorbereitet - auf alles, was passieren kann"

Dennoch sollten Risikopatienten, Ältere und Gesundheitspersonal sich gegen Corona impfen lassen, ebenso gegen Grippe und unter Umständen auch gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), das nach einer Welle unter Kindern im vergangenen Jahr in den Fokus gerückt war. Es trifft, so die Ärzte, keineswegs nur Kleinkinder, sondern auch Erwachsene. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass RSV auch auf dem Oktoberfest eine Rolle spielen wird", sagt Spinner. Wendtner warnt, das RSV-Virus könne auch bei Erwachsenen schwere Verläufe auslösen.

Mit einer Impf-Vorsorge für die Wiesn wird es zeitlich aber knapp. Der Grippe-Impfstoff soll bis Monatsmitte ausgeliefert werden. Die neuen Corona-Vakzine könnten laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab 18. September in den Praxen sein - zwei Tage nach dem Oktoberfest-Start. Und bis nach einer Impfung ein wirksamer Schutz eintritt, vergeht mindestens eine Woche. "Für einen Impfschutz rechtzeitig zur Wiesn wird es nicht reichen", sagt Spinner. Gegen RSV ist ein Impfstoff in Deutschland verfügbar, die Ständige Impfkommission (Stiko) hat aber keine Empfehlung ausgesprochen.

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Jenseits von Erkältungsviren werden auf der Wiesn offenbar kaum übertragbare Krankheiten ausgetauscht. Magen-Darm-Erkrankungen, Herpes, Krätze, Läuse - all das spielt keine größere Rolle. Die Affenpocken, die 2022 auch vor dem Oktoberfest Sorgen ausgelöst hatten, sind derzeit kein Thema. "Weltweit werden kaum mehr Fälle beobachtet. Offenbar ist es gelungen die Infektionsketten zu unterbrechen", sagt Spinner. Auch das ansteckende Norovirus hat bisher auf der Wiesn zu keinem Ausbruch geführt. Erbrechen ist zwar ein typisches Volksfest-Phänomen, aber meist als Folge übermäßigen Alkoholgenusses.

"Wir sind vorbereitet - auf alles, was passieren kann. Da gehören auch Infektionskrankheiten dazu", sagt Michel Belcijan von der Wiesn-Sanitätsstation der Aicher-Ambulanz. Desinfektion und Mundschutz stünden bereit. Aber: "Wir gehen dieses Jahr von einem Normalbetrieb aus." Die Wiesn-Ärzte wie auch umliegende Kliniken müssen seit jeher vor allem Alkoholräusche und Verletzungen durch Schlägereien oder Masskrug-Scherben behandeln.

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