Oldtimer:105 PS, vier Zylinder, eine Liebe

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Ausnahmsweise hat sich Frank Weber auf die Beifahrerseite des schwarzen Jaguar E-Type seines Vereinskollegens gesetzt. (Foto: Florian Peljak)

Frank Weber, Chef des Münchner Oldtimer-Clubs, fährt einen Fiat Pininfarina Spidereuropa. Benzingeruch und Motorrattern sind für ihn pure Nostalgie.

Von Linus Freymark

Frank Weber hat die Hände fest am Lenkrad. Der Wind fährt ihm durchs Haar. Die Felder und Wiesen am Münchner Stadtrand, auf denen der Löwenzahn blüht, ziehen vorüber. Weber hat das Verdeck zurückgeklappt, blickt man nach oben, sieht man den strahlend blauen Himmel, an dem ein paar Wölkchen hinwegfliegen. Mit knatterndem Motor nimmt der Fiat die Kurve. Es riecht nach Benzin. Der Frühling 2019 - in diesem Auto klingt und riecht er nach 1982.

Eine halbe Stunde, bevor er sich mit dem Fiat auf den Weg macht, steht Frank Weber, 52, Beruf Rechtsanwalt, in einer Halle an der Stadtgrenze von München. Hemd in der Hose, ein Sakko darüber, präsentiert er die Schätze seines Vereins. Weber ist Vorsitzender des Oldtimer-Clubs München, zu den Fahrzeugen des Clubs zählen ein schwarzer Jaguar E-Type von 1974, ein Porsche 928 aus den späten Siebzigern, ein Mercedes Pagode 280 SL von 1969. Und Webers Fiat, Typ Pininfarina Spidereuropa, 105 PS, vier Zylinder, Baujahr 1982. Manche der Autos, etwa der Jaguar mit der fein säuberlich polierten Karosserie und dem glänzenden Lack, springen öfter mal nicht an und brauchen Starthilfe. Webers Fiat nicht. "Der läuft eigentlich immer", sagt er - und klingt dabei ein bisschen stolz. Er hat schon einmal eine Tour nach Italien gemacht, acht Alpenpässe, 800 Kilometer. Kein Problem.

Normalerweise sitzt Frank Weber am Steuer seines silberfarbenen Fiat, Typ Pininfarina Spidereuropa, 105 PS, vier Zylinder, Baujahr 1982. (Foto: Florian Peljak)

Weber hat seinen Fiat vor vier Jahren gekauft, für 15 000 Euro. Vergleichsweise ein Schnäppchen. Manche Oldtimer kosten mehrere Millionen Euro, der teuerste der Welt soll ein Ferrari 250 GTO Berlinetta sein, Marktwert 32,5 Millionen Euro. Weber sind solche Summen egal. Als der Verkäufer bei der Übergabe mit dem Fiat um die Ecke bog, habe er sich sofort verliebt, erzählt er: "Ich wusste direkt, der ist es." Für einen Oldtimer brauche es Leidenschaft. Ohne Leidenschaft mache so ein Auto keinen Sinn. Und man brauche eine gewisse Frustrationstoleranz. Auch wenn bislang alles gut funktioniert habe, es könne immer mal sein, dass etwas nicht läuft. Muss man mit rechnen, sagt Weber. "Aber darum geht's ja auch nicht."

Vielmehr geht es Weber und den anderen Vereinsmitgliedern darum, ein Stück Nostalgie zu bewahren. Man wolle "über die Schätze der Vergangenheit aufklären", so drückt es Weber aus. Viele seiner Fahrten und Aktionen kombiniert der Club mit Besuchen von Museen oder Gedenkstätten. Und natürlich geht es um ein Stück Automobilgeschichte. Moderne Autos seien heutzutage bis obenhin mit Technik vollgestopft, die Zeiten von Benzingeruch und Motorendröhnen sind vorbei. "Aber diese Stille ist künstlich", sagt Weber. Und die alten Modelle würden oft viel länger leben als die SUVs von heute. Für Weber sind Oldtimer ein Gegenpol zur digitalen Welt, ein Stück Beständigkeit in Zeiten des Wandels. Dabei ist Weber keiner, der sich dem Fortschritt verweigert. Aber auch keiner, der darüber die Vergangenheit vergisst.

Weber und den anderen Vereinsmitgliedern geht es darum, ein Stück Nostalgie zu bewahren. (Foto: Florian Peljak)

Weber drückt aufs Gas. Er schaltet in den vierten Gang, der Fiat biegt auf die Autobahnauffahrt Richtung Innenstadt. Weber schließt sein iPhone an die Boxen seines Wagens an, er hat Lust auf Musik. Den Anschluss dafür hat er irgendwann mal eingebaut, eigenhändig natürlich. Aus den Boxen rieseln sanfte Electrobeats. Irgendein Remix, erklärt Weber, sein Sohn habe ihm da mal eine Spotify-Playlist zusammengestellt. Weber gefällt diese ruhige Musik beim Fahren, er fragt sich sowieso, warum viele mit ihren Oldtimern immer so protzen müssen. "Dabei kann das doch auch mal ein genüssliches Dahinrollen sein." Der Motor röhrt auf, eine Benzinwolke zieht in den Wagen. Der Fiat nimmt die Auffahrt zur Donnersbergerbrücke, die Chill Beats in den Boxen. Vergangenheit und Gegenwart, in Webers Auto finden sie zusammen.

Elf Mitglieder zählt der Oldtimer-Club München, Frank Weber ist da schon miteingerechnet. Sie haben sich bewusst für so einen kleinen Kreis entschieden, es soll familiär bleiben. Wer Mitglied werden möchte, braucht nicht zwingend einen Oldtimer, aber die persönliche Empfehlung eines Mitglieds. Weber und die anderen machen gemeinsame Touren oder treffen sich auf Events wie dem Oldtimer-Treff am Sonntag auf der Theresienwiese. Oder sie schrauben in ihrer Halle an ihren Fahrzeugen herum. Wo genau sich diese Halle befindet, soll nicht in der Zeitung stehen. Oldtimer werden immer begehrter, man hört häufiger von Diebstählen. Deshalb möchte der Vereinskollege, den Frank Weber zum Treffen mitgebracht hat, seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Dem Mann gehört der schwarze Jaguar, niemand soll Rückschlüsse ziehen können, wo der Wagen steht.

Natürlich muss man einen Oldtimer nicht klauen, wenn einem das nötige Kleingeld fehlt - man kann ihn auch mieten. Wulf Henrichs etwa vermietet mit seiner Firma "Enjoy the Classics" seit 13 Jahren Autos, die 30 Jahre oder älter sind. Ab da gilt ein Wagen als Oldtimer, je nach Modell und Zustand steigt der Wert. 16 Fahrzeuge hat Henrichs im Sortiment, in seiner Garage im Münchner Osten stehen ein Ford Mustang, eine Corvette, ein Alfa Romeo Spider, alle erstmals um 1960 auf die Straße gekommen. Ab 250 Euro pro Tag kann man bei Henrichs einen Wagen mieten, der teuerste kostet 500. Auch Henrichs, 58, wie Frank Weber Hemdträger, wird am Sonntag zum Oldtimer-Treff auf die Theresienwiese kommen.

Frank Weber fährt nur in der Saison, Oldtimer heißt für ihn Cabrio. (Foto: Florian Peljak)

Für Henrichs ist sein Verleih mehr Hobby als ein gewinnorientierter Betrieb. Auch ihn faszinieren Oldtimer schon seit dem Studium. "Es ist halt noch Autofahren", sagt er. Automatikgetriebe und Bordcomputer seien zwar manchmal hilfreich, aber machten keinen Spaß. Manchmal fährt Henrichs deshalb auch im Winter mit einem seiner Oldtimer, das Verdeck meist offen. "Dafür braucht man halt die richtigen Klamotten", sagt er.

Frank Weber fährt nur in der Saison, Oldtimer heißt für ihn Cabrio, im Winter ist ihm das zu kalt. Vor drei Wochen hat er seinen Fiat aus der Garage geholt, ihn poliert und kleinere Reparaturen durchgeführt. Mehr war nicht nötig, der Fiat läuft ja. Auch Verleiher Wulf Henrichs hat seine Oldtimer für den Frühling hergerichtet. Frisch poliert stehen die Wagen in der Fahrzeughalle, auf den Felgen kein einziger Spritzer Dreck. Nach jeder Fahrt reinigen Henrichs und seine beiden Mitarbeiter die Fahrzeuge und richten sie für den nächsten Mieter her. Von April bis Oktober, während der Saison, bietet Henrichs zudem geführte Touren an, etwa zum Walchensee. Die Kolonne aus knatternden Oldtimern, dazu das Bergpanorama, "das ist wunderschön", sagt Henrichs.

Der Fiat hat die Donnersbergerbrücke erreicht. Frank Weber setzt den Blinker, der Fiat rollt an den Straßenrand. Zum Abschied reicht Weber die Hand. "Hat Spaß gemacht", sagt er. Dann rüttelt er am Schalthebel, legt den Gang ein und reiht sich wieder in den Verkehr ein. Ein älterer Mann sieht Weber in seinem Fiat hinterher. In seinem Blick liegt Anerkennung. Und ein bisschen Neid.

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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