Obergiesing/Fasangarten:Kühlung für die Hitzeinsel

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Der Grünzug Hachinger Tal gilt als wichtige Kaltluftleitbahn. Genau dort möchte die Gemeinde Neubiberg 20 Hektar Gewerbeflächen ausweisen. (Foto: Claus Schunk)

Info- und Diskussionsabend zur Bedeutung der Münchner Frischluftschneisen und ihrem Schutz vor Bebauung

Von Hubert Grundner, Obergiesing/Fasangarten

Im Dezember 2019 hat die Stadt München offiziell den "Klimanotstand" ausgerufen. Doch welche Konsequenzen erwachsen daraus? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein breites Bündnis, das vom Bund Naturschutz bis zum Forum Nachhaltig Wirtschaften reicht. An diesem Donnerstag, 9. September, 19 Uhr, lädt in dessen Namen die gemeinnützige Organisation "Protect the Planet" zu einer Online-Vortragsveranstaltung mit anschließender Chat-Diskussion ein: Das virtuelle Podium besetzen Philipp Königer, Abteilungsleiter Grünplanung im Referat für Stadtplanung und Bauordnung, sowie Thomas Kiesmüller und Joachim Lorenz von der Bürgerinitiative "Frischluftzufuhr für München".

Am Ernst der Lage lässt die Ankündigung der Veranstaltung keinen Zweifel: 2013 prognostizierte demnach der Deutsche Wetterdienst (DWD) in seinem Gutachten für die "Hitzeinsel München" eine Temperaturerwärmung von durchschnittlich plus 2,0 Grad Celsius bis 2040. Aber bereits im Jahr 2020 wurden plus 1,9 Grad Celsius plus gemessen. Die Zahl der Hitzetage mit Temperaturen von mehr als 30 Grad nehme - auch bundesweit - deutlich zu; damit steige das Risiko hitzebedingter, vorzeitiger Sterblichkeit von Risikopersonen; der DWD hatte damals von 6000 "Hitzetoten" gesprochen. Er hatte neben diversen Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung auch zur Offenhaltung von Frischluftschneisen bei der Stadtentwicklung Münchens geraten. Sogar vom "Rückbau" von in Ost-West-Richtung errichteter Gebäude im Süden der Stadt war die Rede, um das "Alpine Pumpen" - den kühlenden Nachtwind von den Bergen im Süden - nicht zu behindern. Explizit weist Protect the Planet (PTP) auch auf die Ziele des Landesentwicklungsprogramms Bayern hin. Darin seien kühlende Frischluftschneisen für Südbayern und München enthalten. Auch im Regionalplan für die Planungsregion München seien regionale Grünzüge zur "Durchlüftung" der Stadt dargestellt, die nach den Zielvorgaben nicht bebaut oder geschmälert werden dürfen.

In der "Stadtklimaanalyse" von 2014 hatte die Stadt München die kühlenden und reinigenden klimaökologischen Funktionen von größeren Grün- und Freiflächen-Komplexen in Form von 15 konkreten "Kaltluftleitbahnen" beschrieben. Aber was ist aus Sicherung und Optimierung von "Luftaustauschbahnen" beziehungsweise "Frischluftschneisen" zur Abkühlung geworden, fragt PTP. Wie agiert die Stadt planerisch zum Schutz gegen die Erhitzung und welche konkreten Programme und Maßnahmen zur Anpassung an die Klimakrise werden verfolgt? Wie und wo werden diese Belange und Ziele in der Stadtentwicklungsplanung und der Stadt- und Bauleitplanung konkret umgesetzt?

Für das - heftig umstrittene - Beispiel Hachinger Tal im Südosten Münchens zwischen Unterhaching und Unterbiberg zeige die Stadtklimaanalyse für das Stadtgebiet, dass dieser Grünzug als Kaltluftleitbahn fungiere, einen sehr großen Kaltluftvolumenstrom und eine sehr hohe bioklimatische Bedeutung aufweise. Und trotzdem: Für das Hachinger Tal wird derzeit ein interkommunales Strukturkonzept erstellt, das im Bereich der Gemeinde Neubiberg unter anderem die Neuausweisung von Gewerbeflächen in einer Größenordnung von mehr als 20 Hektar vorsieht.

Die relevanten klimaökologischen Funktionen und Auswirkungen werden derzeit in einem mikroklimaökologischen Gutachten untersucht. Es stelle sich, so PTP, die Frage: Gibt es durch die planerischen Überlegungen und Vorfestlegungen im Strukturkonzept "Hachinger Tal" erhebliche stadtklimatische Auswirkungen, insbesondere auf die angrenzenden Wohngebiete, aber auch auf weitere Bereiche der Hitzeinsel München? Und welchen Einfluss hat das auf das zur Abkühlung der gesamten Stadt notwendige, aber sehr sensible "Alpine Pumpen"? Wie auch die Stadtentwicklungsmaßnahmen (SEM) Nord und Nordost zeigen würden: Viel ist von Bevölkerungswachstum, Gewerbeentwicklung, Siedlungsverdichtung und Verkehrsinfrastruktur die Rede, von bebauungsfreien Frischluftschneisen - aus Süden via Riem - weit weniger. Grundsätzliche kritische Fragen seien mithin angebracht: Wie sieht es aus bezüglich einer konsequenten Freihalte-Planung von Kaltluftschneisen in München? Sind konkrete Maßnahmen wie der großflächige Ausbau von Grün- und Freiflächen und eine gezielt priorisierte Klimakrisen-Anpassungsstrategie auch in der Stadtentwicklungsplanung Münchens ernsthaft genug in der Umsetzung?

Darüber wollen die Veranstalter die Zuhörerinnen und Zuhörer erst informieren und anschließend mit ihnen diskutieren. Anmeldung zur Online-Veranstaltung ist erforderlich: www.protect-the-planet.de/event/2021_09_09-klimanotstand-stadtkuehlung/.

© SZ vom 09.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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