OB-Kandidat Josef Schmid:"Wir brauchen keinen Schienbeintreter"

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CSU-Fraktionschef Josef Schmid will Münchens nächster Oberbürgermeister werden. Warum er diesmal einen Gentleman-Wahlkampf führen will, was Rot-Grün versäumt hat und wieso er Christian Ude nervig findet.

Peter Fahrenholz und Christian Mayer

Seit dieser Woche ist Josef Schmid, 42, der offizielle OB-Kandidat der Münchner CSU - er wird bei der Kommunalwahl 2014 gegen Dieter Reiter (SPD) ins Rennen um die Nachfolge von Christian Ude gehen. Der Sohn eines Metzgermeisters aus Allach arbeitet als Jurist in München und ist seit 2007 Fraktionschef seiner Partei im Stadtrat.

"Wir sind besser in der praktischen Umsetzung von Politik": CSU-Fraktionschef Josef Schmid will Münchens nächster OB werden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

SZ: Herr Schmid, warum sollten die Münchner einen CSU-Mann zum OB wählen?

Josef Schmid: Weil ich der Überzeugung bin, dass wir manches besser machen würden und die Stadt sicher in die Zukunft führen können. Als erst 42-jähriger gebürtiger Münchner, der seine Stadt über alles liebt und selber noch viele Jahre in seiner Stadt leben wird, ist mein Grundbestreben, die Stadtgesellschaft zusammenzuhalten.

Was glauben Sie besser zu können?

Ich glaube, dass wir besser in der praktischen Umsetzung der Politik sind. Wenn man sieht, wie viele Ankündigungen es von der rot-grünen Stadtregierung und vom Oberbürgermeister gibt und was dann dabei herauskommt, dann stelle ich fest: Rot-Grün hat ein großes Umsetzungsproblem.

Wo denn zum Beispiel?

Etwa bei der Kinderbetreuung. Da ist eine Task-Force gegründet worden, die Standorte identifiziert hat. Da es den idealen Standort nicht gibt, muss die Abwägung der unterschiedlichen Interessen zugunsten der Krippe oder des Kindergartens erfolgen. Und gerade hier scheut die Stadt immer wieder Konflikte. Da wir aber in einer Mangel-Notsituation sind, wo wir schnellstmöglich viele neue Betreuungsplätze brauchen, muss ich zugunsten der Kinderbetreuungseinrichtung entscheiden, auch wenn der Ort vielleicht nicht der idealste ist. Auch beim Wohnungsbau gibt es Beispiele, wo sich Bauträger beklagen, dass sie trotz vollmundiger Ankündigungen der Stadt nicht vorankommen.

Aber ist die CSU gerade beim Thema Kinderbetreuung wirklich glaubwürdig? Krippen waren doch für Ihre Partei lange so eine Art Sozialismus. Gerade erst haben sie durchgesetzt, dass Millionen für ein unsinniges Betreuungsgeld verbraten werden, statt dafür neue Krippenplätze zu schaffen.

Einspruch! Wenn eine Milliarde Euro für die Schaffung von Kita-Plätzen nicht abgerufen wird, kann man doch schon gar nicht davon sprechen, dass das Betreuungsgeld zum Fenster hinausgeworfen ist. Und wenn ich dafür eintrete, dass Eltern selbst über die Betreuungsform entscheiden können sollen, muss ich auch die fördern, die ihr Kind selbst zu Hause betreuen.

Als Kindergartenpartei ist die CSU bisher nicht in Erscheinung getreten.

Mag sein, dass früher bei uns manche so gedacht haben und bei der Vollbetreuung auch für unter Dreijährige Vergleiche zur ehemaligen DDR gezogen haben. Das bestreite ich nicht. Aber wir machen doch seit Jahren eine ganz andere Politik. Heute wissen alle bei uns, auch die Älteren, die vor ein paar Jahren vielleicht noch anders über dieses Thema gedacht haben, dass in einer Stadt wie München eine ausreichende Kinderbetreuung absolut notwendig und sinnvoll ist. Viele Münchner Familien brauchen nun einmal zwei Einkommen, um sich die Stadt überhaupt leisten zu können.

Aber es gibt eben auch noch den konservativen Teil in der CSU, der es sich rustikaler wünscht, dem Sie zu liberal sind. Welche Rolle spielt dieser Teil noch?

Natürlich sind wir auch die Heimat für konservativ denkende Menschen. Für mich gilt das alte Wort von Franz Josef Strauß: Rechts von uns darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Und wo es etwas deutlich zu sagen gibt, da tue ich das auch, zum Beispiel gegen den Linksextremismus. Ich sehe mich als Menschen, der offen ist und ein weites Blickfeld hat. Basis dafür ist und bleibt meine wertkonservative Grundhaltung.

Und als Schienbeintreter haben Sie für den Wahlkampf den Herrn Spaenle?

Wir haben gar keinen Schienbeintreter! Wir sind in München Oppositionspartei. Und da ist es unsere Aufgabe, die Dinge, die nicht gut laufen, deutlich zu benennen und Missstände aufzudecken.

Was schätzen Sie an Christian Ude und was mögen Sie gar nicht an ihm?

Christian Ude hat ein bemerkenswertes Gespür für das, was die Menschen bewegt. Wenn sich Meinungswechsel abzeichnen, ist Ude meist an der Spitze dabei, auch wenn er zuvor gegenteiliger Ansicht war. Zweifellos ist der Humor eine der Stärken von Ude. Er ist ein sehr guter Unterhalter.

Und was nervt Sie an Ude?

Ich finde es an der Grenze zur Dreistigkeit, wie Christian Ude bei Zitaten immer wieder Teile weglässt, um damit ein völlig verzerrtes Bild zu erzeugen, um den politischen Gegner mundtot zu machen.

Sie haben eine Art Gentleman-Wahlkampf angekündigt, ganz anders als bei früheren CSU-Wahlkämpfen. Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Ihrem Konkurrenten Dieter Reiter?

Ich denke, dass es die Menschen satt haben, wenn Politiker ständig über einander herziehen. Die Bürger interessiert, wer tut was, um die bestehenden und künftigen Probleme zu lösen. Ich habe den Kollegen Reiter bisher als jemanden kennengelernt, der auch an der sachlichen Debatte interessiert ist.

Gehen Sie davon aus, dass der Kampf um das OB-Amt ein Zweikampf zwischen Ihnen und Reiter wird? Oder geben Sie den Grünen noch eine Chance ?

Nachdem Dieter Reiter als SPD-Kandidat feststand, habe ich Einladungen für Streitgespräche zwischen uns beiden erhalten. Offenbar ist es auch aus Sicht der Medien jetzt zunächst erst einmal ein Zweikampf. Die Grünen müssen selber sehen, wie viel Zeit sie sich mit ihrer Kandidatenkür da noch lassen können.

Wer wäre Ihnen denn als Gegner bei den Grünen am liebsten? Wäre eine Frau am gefährlichsten für Sie?

Ich glaube nicht, dass es heute noch eine Rolle spielt, ob eine Frau antritt oder ein Mann. Zwar gibt es bei der Gleichberechtigung immer noch Einiges zu tun. Es sind etwa immer noch zu wenig Frauen in Führungspositionen. Aber es kommt darauf an, dass die Menschen die konkrete Person gut und geeignet finden, die Geschicke der Stadt und ihrer Bewohner zu lenken. Deshalb ist mir Jacke wie Hose, wer bei den Grünen antritt.

Sie werden im Falle eines Wahlsieges einen Partner brauchen. Mit wem wollen Sie regieren, wenn Sie Oberbürgermeister werden ?

Wenn ich heute entscheiden müsste, mit wem gibt es die meisten Gemeinsamkeiten, dann wäre es die FDP.

Das wird kaum reichen. Und Schwarz-Gelb ist ja momentan eher nicht so der Wahlkampf-Hit.

Sie haben ja nach den inhaltlichen Gemeinsamkeiten gefragt. Was rechnerisch geht, ist noch mal eine ganz andere Frage. Meine Auffassung ist, dass man in einer Kommune mit allen demokratischen Gruppierungen zusammenarbeiten können muss. Und wir können das auch. Das gilt für die SPD und auch für die Grünen. Die haben sich stark gewandelt, und wir haben uns auch stark gewandelt.

Nun wird es in München aber nicht so eine Art griechischer Allparteien-Regierung geben. Sie werden sich für einen Partner entscheiden müssen, falls Sie gewinnen. Wer könnte das sein?

Das kann ich heute nicht beantworten. Die ersten Fragen sind immer, mit wem kann von den eigenen Überzeugungen am meisten durchgesetzt werden und wie reicht es auch noch rechnerisch. . .

. . . schlecht für die FDP.

Menschlich kann ich sowohl mit den mir bekannten Vertretern der SPD als auch mit den Grünen. Mit wem ich regieren würde, wenn es mit zwei Partnern reichen sollte, würde ich dann davon abhängig machen, mit wem ich die meisten unserer Positionen durchsetzen kann.

Aber ist da eine große Koalition nicht viel naheliegender? Bei strittigen Großprojekten, Beispiel Flughafenausbau oder Olympiabewerbung, kommen CSU und SPD doch viel einfacher zusammen.

Bei den von Ihnen genannten Beispielen liegen SPD und CSU in der Tat näher beieinander. Und es ist ja auch in der Vergangenheit so gewesen, dass die wichtigen großen Infrastrukturentscheidungen erst die CSU ermöglicht hat, indem sie mit der SPD - teils gegen deren Koalitionspartner - gestimmt hat. Rot-Grün hat viele dieser Themen ausgeklammert. Da geht es offenbar ganz stark um den Erhalt von Macht und Posten.

Würden Sie persönlich auch als Juniorpartner einer großen Koalition zur Verfügung stehen?

Ich will an der Spitze für München arbeiten. Im Übrigen bin ich beruflich fest verankert und kann jederzeit wieder voll als Rechtsanwalt arbeiten.

Auch als Zweiter Bürgermeister wäre eine Nebentätigkeit tabu.

Dass ich in diesem Fall meine Anwaltstätigkeit ruhen lassen müsste, ist richtig. Noch mal: Ich will an der Spitze die Zukunft Münchens gestalten.

Falls Sie nicht OB werden, aber ehrenvoll abschneiden, können Sie sich dann einen Wechsel in die Landes- oder Bundespolitik vorstellen?

Wer Oberbürgermeister werden will, muss durch und durch Kommunalpolitiker sein, das war immer meine Meinung. Deswegen denke ich jetzt bis 2014. Was danach kommt, wird sich zeigen.

© SZ vom 12.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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