Nymphenburg/Neuhausen:Von Lastern umzingelt

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(Foto: SZ Grafik)

Wenn die zweite S-Bahn-Stammstrecke gebaut wird, wird der Baustellenverkehr auf allen vier Seiten um eine Grundschule und eine Förderschule in Nymphenburg herum geführt. Der Elternbeirat ist entsetzt

Von Sonja Niesmann, Nymphenburg/Neuhausen

Sollte die zweite S-Bahn-Stammstrecke tatsächlich gebaut werden, stehen der Margarethe-Danzi-Grundschule und dem angrenzenden Mathilde-Eller-Förderzentrum, das gerade errichtet wird, schreckliche Jahre bevor: Sie werden auf allen vier Seiten von massivem Baustellenverkehr eingeschlossen sein. Die Laster werden durch das Wohngebiet Nymphenburg-Süd, durch die Margarete-Danzi-Straße und die Rosa-Bavarese-Straße, an- und abfahren, und zwischen der Grundschule und dem Gebäude des Sportvereins ESV sowie auf der anderen Seite entlang der Förderschule den Weg am Bahndamm, parallel zu den Gleisen ansteuern. So ist es festgehalten im Planfeststellungsbeschluss für den westlichen Abschnitt der zweiten Stammstrecke von Laim bis zum Stachus, den das Eisenbahnbundesamt am 9. Juni erlassen hat. In der Genehmigung liest sich das ganz nüchtern: "Durch den Baustellenverkehr (. . .) ist mit erheblichen Belastungen zu rechnen."

Als Janine Holzer, Mutter eines Grundschulkindes und Elternbeirätin, den Genehmigungsbeschluss studierte, konnte sie es kaum fassen. "Die Kinder werden umzingelt. Das ist ein Albtraum, auch für die Eltern". Über mehrere Jahre hin werden die Sechs- bis Zehnjährigen einen gefährlichen Schulweg haben und außerdem drinnen wie draußen Lärm, Staub und Abgase schlucken müssen - diejenigen, die den Ganztagszug, das Tagesheim oder die Heilpädagogische Tagesstätte des Förderzentrums besuchen, sogar von morgens bis abends. Die Stadt sieht das ebenfalls höchst problematisch: Sie hat im Planfeststellungsverfahren Einwendungen erhoben gegen die Führung der Baustraßen um die Schulen herum und um Prüfung von Alternativstrecken gebeten. Sollte es keine geben, forderte sie, die Deutsche Bahn müsse sicherstellen, dass während des Schulbetriebs Aufsichtspersonen den Lkw-Verkehr regeln und die Gehwege von den Laster-Trassen abgeschirmt werden. Im Planfeststellungsbeschluss, kritisiert Janine Holzer, fänden sich aber keine besonderen Sicherheitsauflagen, "nur die sehr schwammige Formulierung", die Bahn werde sich mit dem Kreisverwaltungsreferat abstimmen. Reaktionen von Seiten des Bauträgers, fügt sie bitter an, werde es wohl erst geben, wenn etwas passiert, wie damals 2008 der tödliche Unfall an der Baustelle der Pasing-Arcaden.

Obwohl Holzer, selbst Anwältin, die Streckenführung für nicht vertretbar hält bar, sind ihr juristisch die Hände gebunden. Klagen kann nur, wer zuvor Einwendungen gemacht hat. Als das Planfeststellungsverfahren lief, war sie, wie die meisten Nachbarn hier, noch gar nicht eingezogen in das neue Quartier. Und auch die Margarethe-Danzi-Schule war damals erst im Bau, sie wurde im Herbst 2012 eröffnet. Klagen könnte aber die Stadt. Janine Holzer und die Schulrektorin Nina Schäfer haben deshalb versucht, im Referat für Bildung und Sport Verbündete zu finden, "aber wir wurden von Pontius zu Pilatus geschickt, irgendwie fühlt sich keiner zuständig", berichtet Holzer enttäuscht. Auf SZ-Anfrage fällt die Stellungnahme aus dem Bildungsreferat knapp aus: "Die Landeshauptstadt München will die zweite Stammstrecke. Wenn sie beschlossen ist, wird man auf der operativen Ebene Lösungen für mögliche Hürden finden." Will heißen: Eine Klage der Stadt gegen die Wegführung wird es nicht geben.

Erst einmal abwarten, ob angesichts des ewigen Hickhacks, der Verzögerungen und immer weiter steigenden Kosten - die Bahn selbst schätzt sie inzwischen auf 2,87 bis 3,12 Milliarden Euro - die zweite Stammstrecke überhaupt je realisiert wird, ist für die Elternbeirätin Holzer keine Option: Wenn die vierwöchige Klagefrist gegen den Beschluss abgelaufen ist, dann ist der Verlauf der Baustraßen "in Stein gemeißelt".

Der Planfeststellungsbeschluss liegt noch bis zum 29. Juli im Planungsreferat, Blumenstraße 28b, Raum 071 aus. Einsicht ist möglich montags bis donnerstags von 9 bis 18 Uhr, freitags von 9 bis 14 Uhr.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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